Editorial

Der Nil kennt unzählige Geschichten, aber wenige faszinieren mehr als jene um Kleopatra. Die Königin avanciert in der Renaissance zur Projektionsfläche von Männerfantasien: eine exotisch-erotische Schönheit, die Machtmenschen wie Cäsar oder Mark Anton in ihren Bann schlug. Das schwülstige Klischee wird in unseren Tagen durch Kino und TV weiter kolportiert. Ihr Charisma verdankte die Königin jedoch ihrer überragenden Klugheit und Bildung sowie ihrer einzigartigen Fähigkeit zur Selbstinszenierung.

Über die Wahrheit von Gefühlen kann der Historiker nur spekulieren. Möglicherweise beruhte ihre Beziehung zum alten Cäsar auf politischem Kalkül, während vieles für eine leidenschaftliche Liebe zu Mark Anton spricht. Gemeinsam träumten sie von einem neuen Alexanderreich im Orient. Doch Mark Antons Scheitern gegen seinen Rivalen Octavian besiegelte ihr Schicksal. Der letzte Akt der Tragödie gipfelte im Selbstmord des Paares.

Mit dem Tod der letzten Pharaonin endete auch die Epoche der Ptolemäer. Ihr Reich erlebte eine berauschende Synthese aus modernem Hellenismus und der uralten spirituellen Kultur Ägyptens. Auf dieser Bühne fand Kleopatra ihre glanzvollste Rolle. Als menschgewordene Isis avancierte sie zur lebenden Göttin – eines der tiefen Mysterien der Welt am Nil.

Ihr, Euer

Dr. Klaus Hillingmeier
Chefredakteur