Editorial

„Eine alte Zauberstadt“ nannte der Journalist Johannes Urzidil (* 1896, † 1970) seine Heimatstadt. Für ihn war Prag ein Ort der Begegnung dreier Kulturen: der tschechischen, deutschen und jüdischen. Prag brauchte einen kosmopolitischen Nährböden, um zu erblühen. So ist es nicht erstaunlich, dass es ein böhmischer König und römisch-deutscher Kaiser mit Wurzeln in Luxemburg war, der Prag in eine goldene Stadt verwandelte: Karl IV. (* 1316, † 1378) Unter seiner Ägide wuchs der Veitsdom in den Himmel und seine Universität Carolina avancierte zur Hohen Schule für Scholaren aus ganz Europa.

Okkultismus, Astrologie und Kabbalismus – unter dem weltfernen Kaiser Rudolf II. (* 1552, † 1612) erlebte die Residenzstadt an der Moldau ihren schaurig-schönen Spätherbst. Es waren die sagenhaften Tage des Rabbi Löw, der den grimmigen Golem erschaffen haben soll, um seine Glaubensbrüder vor der Verfolgung zu schützen. Fantastische Welten werden die Prager Kultur von Kafka bis zu den Produktionen der Filmstudios Barrandov dominieren.

Der Zauber war trügerisch! Während Serien wie „Pan Tau“ oder die „Märchenbraut“ eine Leichtigkeit des Lebens vorgaukelten, stöhnten die Menschen unter der bleiernen Glocke der kommunistischen Diktatur. Dann erlebte Prag 1989 seinen zweiten Frühling. Mit der Samtenen Revolution kehrten Freiheit und Weltoffenheit an die Moldau zurück. Prag fand wieder seinen angestammtem Platz auf der politischen Karte – als magische Mitte Europas.

Ihr, Euer

Klaus Hillingmeier
Chefredakteur