Geschichte der Liturgie in den Kirchen des Westens. Rituelle Entwicklungen, theologische Konzepte und kulturelle Kontexte, hg. von Jürgen Bärsch und Benedikt Kranemann in Verbindung mit Winfried Haunerland und Martin Klöckener, Münster: Verlag Aschendorff 2018; je 62,00 €;
Band 1: Von der Antike bis zur Neuzeit; 667 S.; ISBN 978-3-402-13186-2
Band 2: Moderne; 604 S.; ISBN 978-3-402-13187-9
Wer verstehen will, welche Etappen die Liturgie im Laufe der Geschichte gegangen ist, steht vor einem großen Berg an Quellenmaterial und Forschungsergebnissen. Angesichts der Fülle wird es zunehmend schwieriger, die prägenden Merkmale des Wandels in Praxis und Theologie zu erkennen. Weitere Facetten treten hinzu, wenn man berücksichtigt, dass die Feiern stets an die kulturellen Rahmenbedingungen ihrer Zeit gebunden waren. Die neue zweibändige „Geschichte der Liturgie in den Kirchen des Westens“ fasst den Forschungsstand gut verständlich zusammen und lässt auf mehr als 1200 Seiten die Entwicklungslinien der Gottesdienste in der westlichen Hemisphäre lebendig werden. Die einzelnen Kapitel sind ausgesprochen leserfreundlich abgefasst und spannen den Bogen von den Ursprüngen in der Antike bis hin zu den Herausforderungen, vor denen die Liturgie am Beginn des 21. Jahrhunderts steht. Mit ihrer Zusammenschau wollen die Herausgeber nicht allein die liturgiewissenschaftliche Fachwelt ansprechen. Auch andere Interessierte, die sich im weitesten Sinne mit Religions- und Kulturgeschichte beschäftigen, finden in den beiden Bänden viel Wissenswertes. Eine hervorragende Unterstützung bietet die Erklärung der wichtigsten Fachbegriffe am Ende des zweiten Bandes, die vor allem Fachfremden helfen will, sich in der Zeichen- und Sprachwelt der Liturgie zurechtzufinden. Wer die Bände zur Hand nimmt, kann auf zusätzliche Nachschlagewerke verzichten.
Blieben in der Vergangenheit liturgiegeschichtliche Veröffentlichungen normalerweise im Rahmen ihrer eigenen Konfession, setzen die Herausgeber neue Akzente. Erstmals steht ein Gesamtüberblick zur Verfügung, der neben der katholischen Entwicklung auch lutherische, reformierte, alt-katholische und anglikanische Stimmen miteinbezieht. Dadurch wird sichtbar, welche Wechselwirkungen zwischen den Konfessionen bestanden bzw. wo die Kirchen sich voneinander abgrenzten und unterschiedliche Wege einschlugen. Einen besonderen Reiz bringt der Blick auf die Liturgiegeschichte Frankreichs und Brasiliens ins Spiel. Beide Länder stehen stellvertretend für die Tatsache, dass die Liturgiegeschichte alles andere als homogen verlief. Theologische Ideen ebenso wie rituelle Formen fielen mitunter sehr unterschiedlich aus; ein Befund, der für die gegenwärtigen Debatten über Pluralismus und Einheitlichkeit im Gottesdienst manche Anstöße geben kann.
Ausführliche Literaturlisten am Ende eines jeden Kapitels sowie umfangreiche Stichwortregister schaffen beste Voraussetzungen für die Weiterarbeit. Die beiden Bände setzen Maßstäbe und können mit Nachdruck empfohlen werden!
Prof. Dr. Stefan Böntert, Bochum