Sakralbauten in einer
säkulären Gesellschaft
Maximilian Gigl: Sakralbauten. Bedeutung und Funktion in säkularer Gesellschaft (Kirche in Zeiten der Veränderung 3), Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2020; 594 S.; 54,00 €; ISBN 978-3-451-38823-1
Diese opulente Münchener Dissertation
untersucht die Bedeutung von Kirchen in
der heutigen Zeit; Synagogen und Moscheen
werden auch immer wieder thematisiert.
Der Verfasser kann zahlreiche deutsch- und
englischsprachige Studien – insgesamt
43 (!) – ermitteln und wertet deren „empirische
Befunde zu religiösen Bedeutungen
von Sakralbauten“ (S. 277) wissenschaftlich
aus. Was er dabei zusammenträgt, ist von
großem theologischen, aber auch sozialwissenschaftlichen
Interesse.
In der katholischen Diskussion zum Kirchenraum
stellt er Domus-ecclesiae-Ansätze
(Klemens Richter, Albert Gerhards, Thomas
Sternberg), anknüpfend an die Gemeindeversammlung,
den sog. Domus-Die-Ansätzen
(Joseph Ratzinger, Denis McNamara,
Duncan G. Stroik), die eher materielle Merkmale
und die Sakralität des Bauwerks einbeziehen,
gegenüber. Eine fast synthetische
Position sieht er bei Bert Daelemans SJ (vgl. Ders.: Spiritus Loci. A theological Method
for Contemporary Church Architecture, Leiden
2015). Im evangelischen Bereich hebt
er (neben Horst Schwebel, Manfred Josuttis,
Rainer Volp, Klaus Raschzok, Andreas
Mertin) Thomas Ernes Überlegungen zu
„hybriden Räumen als Orte der Transzendenz“
(vgl. dessen Studie: Hybride Räume der
Transzendenz, Leipzig 2017) hervor.
Vier Fallstudien – Umbau: Maria Geburt,
Aschaffenburg; Profanierung: St.
Bonifatius, Düren; Abriss: St. Ludgerus,
Ennigerloh, und St. Raphael, Berlin – zeigen,
dass künstlerische Fragen (bei Maria
Geburt) oder auch emotionale Bindungen
in den Diskussionen häufig benannt werden.
Gleichwohl konstatiert der Verfasser
beim Blick auf 30 weitere profanierte
und abgerissene katholische Kirchen in
Deutschland „wenig öffentliches Interesse“
(S. 455).
Die auch religionssoziologisch unterfütterten
Ergebnisse zeigen eine nach wie vor
grundlegende, wenn auch weniger rituell
gebundene Verbindung vieler Menschen
zu Sakralbauten als unverzichtbare öffentliche
Zeichen christlicher Präsenz auf.
Zusammenfassend sieht der Verfasser in
ihnen Symbole unserer säkularen Gesellschaft,
die in aller Gratuität für Distanz wie
für Nähe stehen.
Zeichen und Symbol
überirdischer
Wirklichkeiten
Stefan Kopp/Joachim Werz (Hg.): „Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeiten“. Liturgische Orte und ihre künstlerische Gestaltung. Eine Festschrift für den Künstler Friedrich Koller, Regensburg: Verlag Schnell & Steiner 2019; 208 S.; 29,95 €; ISBN 978-3-7954-3404-5
Der Band leistet gleich zwei Dinge: Zuerst
stellen sechs Beiträge „Liturgische Orte
und ihre theologische Bedeutung“ vor.
Die Autoren führen in die Entwicklungsgeschichte
und in aktuelle Fragen rund
um Altar (Joachim Werz), Ambo (Marco
Benini), Priestersitz (Josef Keplinger),
Tabernakel (Jonas Miserre), Taufstelle
(Stephan Wahle) und den Ort des Bußsakramentes
(Stefan Kopp) ein; die durchaus
anfragbare Auswahl wird nicht weiter
begründet. Auch die Bezugnahmen auf
den im oberbayrischen Laufen ansässigen
Künstler Friedrich Koller (Jahrgang
1939), dessen Werk und Wirken anlässlich
seines 80. Geburtstags im zweiten Teil des
Buches ausführlich gewürdigt wird, sind
manchmal etwas bemüht oder fehlen zur
Gänze.
Der erhellende Austausch zwischen
den beiden Herausgebern und dem
Künstler macht sodann deutlich, dass der
Josef-Henselmann-Schüler, ausgehend
von einer tiefen Glaubensgewissheit, Räume
der Begegnung von Gott und Mensch
gestaltet. Dem folgt eine Einordnung der
Arbeiten Kollers im liturgischen Raum
durch Liane Wilhelmus. 37 ausgewählte
Kirchenraumgestaltungen aus mehr
als fünf Jahrzehnten werden jeweils auf
einer Doppelseite mit kurzen informativen
Texten sowie zumindest einer großen
Abbildung vorgestellt. Daran schließt
ein Werkverzeichnis seiner kirchlichen
Arbeiten an – es werden insgesamt 189
aufgezählt und nur wenig Literatur dazu
benannt. Koller, der nicht nur in bayerischen
(Erz-)Bistümern, sondern auch in
Berlin, Limburg oder Rottenburg-Stuttgart
tätig war, arbeitet vornehmlich mit Naturstein
und vielfach mit Tombak-Metall. Seine
aussagekräftigen Gestaltungen prägen
die liturgischen Räume, historische wie
zeitgenössische. Der schön aufgemachte
Band gibt einen guten Überblick über sein
vielfältiges und qualitätvolles Schaffen. – Ad multos annos!
Dr. Walter Zahner, Regensburg