Der in entscheidenden Jahren der liturgischen Entwicklung in der Schweizer Bischofskonferenz für die Liturgie verantwortliche Weihbischof Paul Vollmar ist am 2. Mai 2021 im Alter von 86 Jahren in Zürich verstorben. 1934 in Überlingen am Bodensee geboren trat Vollmar den Marianisten bei (1951, Profess 1959). Nach seinem Studium der Philosophie und Katholischen Theologie an der Universität Freiburg/Schweiz wurde er 1964 zum Priester geweiht und wirkte in der Jugend- und Bildungsarbeit sowie von 1984 bis 1992 als Provinzial der Schweizer Marianisten. 1993 wurde er in den Wirren um den Churer Bischof Haas zum Weihbischof ernannt und trug als Versöhner zur Krisenlösung in der Diözese bei. Sein bischöflicher Wahlspruch „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5) hebt hervor, was für ihn als erste Richtschnur galt: das Wort Jesu Christi. Nach dem altersbedingten Rücktritt 2009 wirkte er in einer Zürcher Pfarrei als Seelsorger mit.
Einen vertieften Zugang zu Fragen der Liturgie hatte Paul Vollmar in seiner Dissertation „Die liturgischen Anschauungen des Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774–1860)“ (1967) an der Universität Freiburg im Üechtland gefunden. Inspiriert war die Studie von der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils, die mit ihren Akzenten in der Ekklesiologie den Teilkirchen ein neues Gewicht gab und allgemein das Thema „Liturgiereform“ auf die Tagesordnung gerufen hatte.
Die Schweizer Bischofskonferenz betraute Vollmar 2001 mit dem Präsidium der Liturgischen Kommission. Damit verbunden waren Zusatzaufgaben auf internationaler Ebene, anfangs in der IAG, dann in der Nachfolgekommission „Forum Liturgie im deutschen Sprachgebiet“ (ab 2004) sowie in der Ständigen Kommission für die Herausgabe der liturgischen Bücher. Auch hier zeichnete sich Vollmar durch Zielstrebigkeit und Geradlinigkeit, genauso aber durch Dialogbereitschaft und Offenheit für Menschen und Situationen aus. Bei der 2004 errichteten Kommission „Ecclesia celebrans“ für die Neuausgabe des Messbuchs für das deutsche Sprachgebiet gehörte er zu den kritisch warnenden Stimmen, der sich bei aller Wertschätzung der geprägten Liturgie wegen fachlicher Einwände sowie aus bischöflicher Verantwortung nicht für die damals geforderte, weithin wörtliche Neuübersetzung einsetzen konnte. Als die römische Instruktion Redemptionis sacramentum (2004) den vielfachen „liturgischen Missbrauch“ anprangerte und dabei auch bestimmte schweizerische Gewohnheiten im Blick hatte, sorgte Vollmar 2005 dafür, dass die Schweizer Bischöfe darauf zur Ermutigung der Verantwortlichen in der Pastoral mit einem Hirtenwort reagierten, das die konstruktiven Möglichkeiten einer sachgerecht gefeierten Liturgie aufzeigte.
Er war ebenfalls eine der entscheidenden Persönlichkeiten, die nach Jahren der Krise an anderen Standorten das Liturgische Institut für die deutschsprachige Schweiz neu in Freiburg aufbauten (2004). Er setzte dabei auf eine fruchtbare Kooperation mit dem Institut für Liturgiewissenschaft an der dortigen Universität. Auch im Alter interessierte sich Vollmar für die Entwicklungen in Liturgie und Liturgiewissenschaft und nahm bis zuletzt an den Treffen der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Liturgiker (AKL Schweiz) teil, wo er mit seinen Beiträgen zur Liturgie und Liturgiepastoral häufig die Diskussionen anregte.
Möge er nun an der himmlischen Liturgie teilhaben!
„Worin besteht der wahre Gottesdienst? Der wahre Gottesdienst besteht in der Ausübung der Liebe Gottes, die sich in den Gesinnungen, Worten und Handlungen des Menschen ausdrückt. (…) Unser ganzes Leben soll in diesem Sinne Gottesdienst seyn.“
Aus dem Katechismus des Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774–1860), zitiert nach Paul Vollmars Dissertation