Willkommen im Leben, kleiner Segen!

Seit einigen Jahren werden im Bistum Essen ökumenische Segensfeiern für Familien mit Babys sowie für werdende Eltern erprobt. Die Erfahrungen damit sind positiv – auch in Corona-Zeiten.

Eltern halten ihr Baby für den Segenszuspruch durch einen Geistlichen
Die Segensfeiern für Neugeborene im Bistum Essen sind ein ökumenisches Projekt und werden von einem Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen beider Konfessionen getragen.© Bistum Essen/Nicole Cronauge

Die Kapelle des St. Elisabeth-Hospitals, einer großen katholischen Geburtsklinik in Bochum, ist bis auf die letzte Bank gefüllt. Kinderwagen werden hereingeschoben, junge Familien strömen in die Kirche, manche schauen sich etwas unsicher um. Die Kleinsten sind bei diesem Gottesdienst die Hauptpersonen. Babys im Alter zwischen vier Wochen und etwa einem halben Jahr und ihre Familien, in denen mindestens ein Elternteil katholisch oder evangelisch ist, haben eine persönliche Einladung zu diesem Gottesdienst erhalten. Etwa jede zehnte Familie hat sie angenommen und ist mit der ganzen Familie gekommen, manche haben auch die Großeltern mitgebracht. Insgesamt sind es in Bochum jährlich etwa vierzig Familien mit Babys. Gekommen sind die Familien zu einer ökumenischen Segensfeier für Babys, die viermal im Jahr in der Kapelle des Elisabeth- Hospitals stattfindet, einem von mittlerweile zehn Standorten im Ruhrgebiet, über Bistums- und Landeskirchengrenzen hinweg getragen von insgesamt etwa 70 haupt- und ehrenamtlich engagierten Frauen und Männern, die den jungen Familien in dieser besonderen Lebensphase Gottes Segen zusprechen.

Es herrscht eine ganz besondere Stimmung bei diesen Gottesdiensten. Das merkt jeder, der den Raum betritt. Man hört Babys brabbeln, einzelne schreien etwas vor sich hin, andere machen ein kleines Nickerchen. Es ist dieser wunderbare Gesang des Lebens, der die Kapelle erfüllt, jenes Lob, das sich Gott aus dem Mund der Babys erschafft (vgl. Ps 8,3 [EÜ 1980]). Und es mischt sich mit leichten, tänzelnden Klaviertönen, die in den Gesang der Babys einstimmen. Die Beschreibung des Gottesdienstes klingt unter den derzeitigen Rahmenbedingungen geradezu utopisch, gibt sie doch Momentaufnahmen „vor Corona“ wieder, in denen ein Zusammenkommen vieler Familien in einer Krankenhauskapelle nichts Besonderes war. Allerdings hat auch unter Corona-Bedingungen die Nachfrage nach den Segensfeiern und die darin zum Ausdruck kommende Sehnsucht nach Segen nicht abgenommen – im Gegenteil!

Elternwerden und Elternsein als spirituelle Erfahrung

Die Geburt eines Kindes ist ein entscheidender Wendepunkt im Leben junger Eltern und bringt neben großer Freude auch ganz neue Herausforderungen mit: Junge Eltern spüren, dass sie nicht alles selbst in der Hand haben. Bei vielen entsteht nicht nur der Wunsch, Glück und Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen und ihr neugeborenes Kind willkommen zu heißen, sondern auch die Sehnsucht nach Segen, nach Schutz und Behütet-Sein.

Segensfeiern für Familien mit Babys versuchen, in der sich radikal wandelnden Kultur des Elternwerdens ein ökumenisches Gottesdienstangebot zu etablieren, das Kirche und Glauben bei jungen Eltern (wieder) ins Gespräch bringt. Sie knüpfen an die lange kirchliche Tradition des Muttersegens an, jedoch in neuer Weise und ausdrücklich unter den veränderten Bedingungen unserer Zeit, in der Geburt nicht mehr einfach Normalität, sondern ein „Ausnahmeprojekt“ ist. In dieses Erfahrungsumfeld – den spirituell und emotional angefüllten Ereigniszusammenhang von Schwangerschaft und Geburt – lassen die Segensfeiern insbesondere das sogenannte Kinderevangelium des Evangelisten Markus (Mk 10,13–16 par) hineinklingen und sprechen den Familien den Segen Gottes zu, der allen Menschen von Anfang an gilt.

Darüber hinaus sind Segensfeiern für Familien mit Babys Ausdruck eines kirchlichen Perspektivwechsels. Sie werden ausdrücklich und konkret von der Lebenssituation der Menschen her gedacht und gestaltet, die eingeladen sind – Christinnen und Christen in verschiedenen familiären Konstellationen, die gerade Eltern geworden sind. Ein neues behutsames Wahrnehmen dieses Erfahrungszusammenhangs von Schwangerschaft und Geburt hat im Rahmen des Zukunftsbildprozesses des Bistums Essen und auch bei den sogenannten Erprobungsräumen der Evangelischen Kirche im Rheinland neue Überlegungen zu einem Eltern- oder Familiensegen im Umfeld der Geburt angeregt, dessen Resultat die Segensfeiern für Familien mit Babys sind. Von Anfang an sind die Feiern – wo es möglich ist – ökumenisch verantwortet und von einem Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen getragen.

Gottesdienst mit zwei Brennpunkten

Das Zentrum der Segensfeier selbst ist die konkrete Zusage des Segens Gottes an jedes einzelne Baby und seine Familie. Segnende sind dabei genauso katholische und evangelische Amtsträger/innen wie Ehrenamtliche, die als Väter und Mütter und selbst als Gesegnete diesen Segen Gottes weitergeben. Die Segnenden legen ihre Hände auf die Schultern der Eltern, die wiederum ihre Hände ihrem Kind auflegen. Gemeinsam wird um den Segen Gottes gebetet. Die Segnenden sind dabei besonders in ihrer Authentizität und ihrem Einfühlungsvermögen gefragt. Im Segensakt soll erfahrbar werden, dass sich hier kein magisches Geschehen vollzieht, sondern im sprachlichen und berührenden Geschehen des Segens die Möglichkeit besteht, sich in der konkreten persönlichen Begegnung zwischen Liturginnen bzw. Liturgen, Eltern und Kind(ern) Gottes „Ja“ zum Leben zusagen zu lassen.

Die Segensfeiern für Neugeborene und ihre Eltern finden ihren Ort und ihre Zielgruppe nicht ausschließlich in den klassischen Gemeindestrukturen. Sie wenden sich auch an die spirituell Suchenden und die distanzierten Sympathisanten. Daher spielen neben der konkreten und auch erfahrbaren Zusage des Segens emotional ansprechende Gestaltungselemente wie z. B. eine Atmosphäre schaffende Beleuchtung und Musik eine große Rolle. Auch konkrete Bedürfnisse werden bei der Planung und Vorbereitung der Segensfeiern beachtet. So muss auf eine gute Erreichbarkeit des Ortes, Wickel- und Stillmöglichkeiten und einen angemessenen Zeitrahmen von höchstens etwa einer halben Stunde geachtet werden. Auch „liturgische Barrierefreiheit“ ist besonders wichtig. Liedzettel mit kurzen allgemeinverständlichen Erläuterungstexten, dem Lesungstext und dem Text des Vaterunsers haben sich hier bewährt.

Am Schluss des Gottesdienstes erhält jede Familie eine kleine Erinnerung an den Gottesdienst, die dazu einlädt, dem Segen Gottes – seinem unbedingten Ja zu jedem Menschen – im Alltag Raum zu geben. Sie besteht aus einem Schutzengel als sichtbarem Zeichen für die Begleitung Gottes sowie einem Flyer, der die Bedeutung von Segen erklärt und einfache Anregungen für eine familiäre Segenspraxis bereithält. Ein ganz alltägliches Helferlein rundet das Give-away ab: ein Lätzchen mit dem Aufdruck „Ich bin gesegnet, auch wenn mal was danebengeht!“. Es erinnert im ganz normalen Alltag daran, dass Gott jeden Menschen gewollt und gesegnet hat und ihn in allen Lebenslagen begleitet.

Verwandte legen ihrem Baby die Hand an den Kopf
Um sich auch rituell klar von der Taufe abzugrenzen, wird beim Segensritus kein Weihwasser verwendet. Die Eltern sind eingeladen, dem Kind die Hände auf den Kopf zu legen. © Bistum Essen/Nicole Cronauge

Berührende Gottesdienste – auch in Corona-Zeiten

Auch unter Corona-Bedingungen und damit unter den Vorzeichen möglichst berührungsloser gottesdienstlicher Formen, die die Möglichkeit der physischen Distanz ermöglichen, können solche Segensfeiern „funktionieren“ und haben dabei – so zeigen unsere Erfahrungen – wohl gerade wegen der besonderen Unsicherheit und der Herausforderungen, vor denen werdende und junge Familien derzeit stehen, nichts an ihrer Attraktivität einbüßt.

Die Zahl der Anmeldungen für die Segensfeier war im Sommer 2020 sogar signifikant höher als vorher, und so wurde ein Pfarrgarten mit großen und alten Bäumen zu einem Gottesdienstort, an dem man die schöpfungstheologische Verankerung der Segensfeiern noch einmal auf neue Weise spüren konnte. An einem herrlichen Spätsommertag saßen die Familien auf mitgebrachten Picknick-Decken mit viel Luft und Abstand dennoch beieinander, und die Atmosphäre war zugleich lebendig und gesammelt. Natürlich ist eine haptische Berührung der Familien durch die Segnenden unter Corona-Bedingungen nicht möglich. Es musste außerdem bei der persönlichen Segenszusage der physische Abstand gewahrt bleiben. Aber auch das tat dem „berührenden“ Moment des Segnens keinen Abbruch.

Als dann im November 2020 – auch beim besten Willen – ein solcher Gottesdienst im Außenbereich nicht mehr möglich war und angesichts der Entwicklung der Infektionszahlen auch ein Präsenzgottesdienst nicht mehr verantwortbar gewesen wäre, wurde spontan, ad experimentum, eine digitale Segensfeier als Videokonferenz geplant. Die jungen Eltern haben diese Form ebenfalls gerne angenommen. Bei der Gestaltung des Gottesdienstes lag die Besonderheit darin, dass der individuelle Segenszuspruch einen Platz erhalten sollte. Dafür griff der Gottesdienst auf sogenannte „Breakout-Sessions“ zurück, sodass nach einem gemeinsamen Teil, der wie gewohnt aus Gebet, Schriftlesung und Auslegung bestand, jede Familie in einen eigenen digitalen Raum „verschoben“ wurde und die Segnenden so von Raum zu Raum „springen“ und den Segen persönlich zusagen konnten. Das war insofern eine besondere Erfahrung, als nicht mehr die Familien zum Ort der Segensfeier kamen, sondern der oder die Segnende – zumindest virtuell – im ganz alltäglichen Lebensumfeld der Familie, in der Regel in ihrem Wohnzimmer, zu Gast sein durfte. Das normalerweise physisch überreichte Give-away fand erst im Anschluss seinen postalischen Weg zu den Familien. Uns ermutigen die Erfahrungen insofern, als wir feststellen, dass der Segen Gottes auch unter den derzeitigen Bedingungen seinen Weg findet und sich ereignet trotz physischer Distanz und in digitaler Vermittlung.

Segensfeiern für werdende Mütter und Väter

Parallel zu den Segensfeiern für Familien mit Babys hat das Projekt auch die Phase der Schwangerschaft und des Elternwerdens in den Blick genommen. Anders als viele parallele Angebote, die Segensfeiern für Schwangere anbieten, bezieht der Fokus der werdenden Eltern auch die werdenden Väter mit ein. Beide Partner sind, so unsere Erfahrungen, ansprechbar für die Frage nach dem Ganzen des Lebens und der Schöpfung auch und gerade in ihrer spirituellen Dimension. Deshalb lohnt der Versuch des Anknüpfens an die fast ausschließlich medizinisch geprägten Orte und Handlungsträger/innen der Schwangerschaftsbegleitung, in der religiös-existenzielle Erfahrungen oft keinen Raum erhalten können.

Es ist insbesondere die Gegensätzlichkeit der Gefühle von Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft, denen dabei Rechnung getragen werden muss. Das gilt grundsätzlich für alle Eltern, ist jedoch nach konkreten Gegebenheiten (Risikoschwangerschaften, finanzieller/sozialer Situation, eventueller Vorerfahrungen mit Fehlgeburten etc.) noch einmal sehr unterschiedlich und erfordert beim Umgang größte Sensibilität. Segensfeiern können werdenden Eltern Räume eröffnen, in denen alle ihre inneren Stimmen – gerade auch die, die in dem medizinisch dominierten Routineablauf der Schwangerschaftsvorsorge keine Stimme haben (dürfen) – zur Sprache kommen können.

Auch bei uns im Ruhrgebiet gibt es diese besonderen Segensfeiern. Sie finden freilich in einem sehr viel kleineren Rahmen statt als die Segensfeiern für Familien mit Babys. Vielerorts sind sie mit den Kreisssaalführungen verknüpft, bieten werdenden Eltern im Anschluss einen Moment des Durchatmens, eine Besinnung auf die Freude und Sorgen und sprechen ihnen den Segen zu. Die werdenden Eltern erhalten in diesen Feiern im Rahmen eines Fürbittritus ein Babybrei- Gläschen, das außen mit einem Segensgebet bedruckt ist und in dem die Eltern ein Teelicht anzünden können. Zu Hause erinnert dieses Gläschen dann in den unterschiedlichsten Situationen von Schwangerschaft und Geburt an die Erfahrung des Segens. Aus Rückmeldungen werdender Eltern lange nach den Segensfeiern wissen wir, dass vielen dieses einfache Gläschen zu einem wichtigen Begleiter in dieser Zeit wird.

Informationen zu beiden Formen der ökumenischen Segensfeier finden sich online: www.segenberuehrt.de

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