Jürgen Willinghöfer (Hg.): Ein neuer Typus Kirche. Hybride öffentliche Räume, Berlin: JOVIS Verlag 2021; 196 S.; 38,00 €; ISBN 978-3-86859-699-1
Elisabeth Beusker (Hg.): Umnutzung von Kirchen. Beispiele aus Nordrhein-Westfalen, Göttingen: Cuvillier Verlag 2021; 184 S.; 69,90 €; 978-3-7369-7233-9 (Bestellung dieses Bandes über: bestellung@ipe.arch.rwthaachen.de)
Zwei neue Bücher befassen sich mit dem Thema „Umnutzung von Kirchen“. Dasjenige, das auch diesen Titel trägt, stellt 21 Beispiele von „entweihten und umgebauten Sakralbauten aus Nordrhein-Westfalen vor, die zwischen 1865–1965 errichtet wurden“. Das andere, „Ein neuer Typus Kirche“, wird von der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) verantwortet und ist zugleich die Publikation zum 29. Evangelischen Kirchbautag 2019 in Erfurt. Hier stehen acht Praxisbeispiele im Mittelpunkt, zumeist (spät-)mittelalterliche, eher kleinere Kirchen, deren Zukunft schon seit vielen Jahren offen und mit dem Projekt „500 Kirchen – 500 Ideen“ bereits 2017 in den Blick genommen worden war. Damals hatten die beiden Veranstalter IBA und EKM die Bevölkerung aufgefordert, Nutzungsideen für die vielen, oftmals nicht mehr genutzten, mehr als 2 000 Kirchengebäude Thüringens zu entwickeln. Die acht Beispiele zeigen u. a. eine Schlafstatt (Neustadt a. R.) oder einen Spielplatz in einem Kirchenraum (Niedergebra), einen Bienen-Garten direkt neben dem Gebäude (Roldisleben); Vorschläge, die derweilen umgesetzt wurden.
Da ist der Band über die umgenutzten Kirchen in NRW – auch ein Kloster ist dabei – nüchterner. Die 21 Beispiele werden unter den Überschriften „Kulturgebäude“, „Kolumbarien“, „Sportbauten“, „Büro und Verwaltungsgebäude“, „Wohngebäude“, „Kindergärten“ und „Mischnutzung“ präsentiert. Hervorzuheben ist, dass stets Daten, manchmal sogar Kosten und auch Abbildungen des ursprünglichen sowie des neuen Zustands zu finden sind. Kurze erläuternde Texte geben Aufschluss über den ehemaligen Bestand, die Umnutzung, den Städtebau und weitere Besonderheiten. Diese Auflistung ist faktenorientiert. Die Beispiele sind teils erfreulich lebendig – etwa bei Kindergärten –, aber auch eher kühl, etwa bei Büro- oder Wohneinbauten. Immerhin erfährt man, dass die Mönchengladbacher Kletterkirche nur für 25 Jahre verpachtet ist und anschließend wieder rückgebaut werden kann. Beim neuen Typus Kirche (Thomas Erne definiert diese Räume als „hybride Formen“), die sich für „unterschiedliche Funktionen der Daseinsweitung“ öffnen, werden hingegen zu jeder vorgestellten Kirche auch die Menschen gezeigt, die die neuen, zusätzlichen Nutzungen begleiten.
Beide Bände zeigen auf, wie man mit Kirchengebäuden umgehen kann. In Thüringen spürt man das Interesse an der Weiterentwicklung, der Öffnung der Räume für neue Ideen. Hier setzen sich die Bewohner für den Erhalt ihrer Kirchengebäude ein. Bei den Beispielen aus NRW hingegen blicken die Autorinnen und Autoren auf Lösungen zurück, die unter dem Druck der Bistümer und Landeskirchen nach den Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit angegangen werden konnten.
Dr. Walter Zahner, Regensburg