Themenhefte verschiedener Fachzeitschriften
mit Titeln wie „Kirchen
neu nutzen“ (Die Denkmalpflege
2/2023), „Commons“ (kunst und kirche
4/2023, mit vier Beiträgen zu Kirche,
Diakonie und neuen Nutzungen) oder „Zwischen
Last und Gewinn – Immobilien“ (Gemeinde
creativ 1–2/2024) machen deutlich,
dass Fragen der Umnutzung von Kirchengebäuden
derzeit im Trend liegen. Gleich
drei Bücher, die im Herbst bzw. Winter
2023 erschienen sind, befassen sich ebenso
damit:
Zwischen sakral und profan
Hanna Weber: Zwischen sakral und profan. Umnutzung von Kirchen der Nachkriegsmoderne, Weimar: Bauhaus-Universitätsverlag 2023; 328 S.; 42,00 €; ISBN 978-3- 95773-307-8
Die Kunst- und Architekturhistorikerin
Hanna Weber promovierte mit ihrer Arbeit
„Zwischen sakral und profan“ an der Bauhaus-
Universität in Weimar. Die Stärke
des Buches liegt in der ausführlichen Präsentation
von vier katholischen Kirchenbauten
(S. 42–167), die in ein Verlagshaus
(St. Bonifatius, Münster), eine Galerie (St.
Agnes, Berlin), einen Kindergarten (St. Sebastian,
Münster) und eine Wohnanlage
(St. Elisabeth, Freiburg i. Br.) umgebaut
wurden. Ein weiteres Beispiel widmet sich
der evangelischen Kapernaumkirche in
Hamburg, die über den Verkauf an einen
Investor schließlich zur Al-Nour-Moschee transformiert wurde (S. 168–199). Es handelt
sich bei diesen Beispielen ausnahmslos
um Nachkriegskirchen (S. 26–41 u.
200–206). Deren ursprüngliche Nutzung
hätte von der Autorin etwas besser dargestellt
sein können – die Distanz, mit der das
alles beschrieben wird, liegt womöglich
auch daran, dass die benutzte Literatur
aus liturgiewissenschaftlicher Sicht erg.nzungsbedürftig
erscheint. Gleichwohl
wird deutlich, dass die konkreten Beispiele
ob ihrer guten Kommunikation während
bzw. auch nach der Umgestaltung allesamt
auf eine gewisse Zustimmung stoßen. Die
Verfasserin verhehlt zudem nicht, dass
es immer auch, teils sogar heftige, Ablehnung
angesichts der neuen Nutzung
der ehemaligen Kirchengebäude gegeben
habe.
Die größten Eingriffe erlebte St. Elisabeth
in Freiburg. Die Erstellung der Wohnanlage
mit 42 Einheiten scheint zwar ein
rentables Unternehmen gewesen zu sein,
da wegen der Belichtung der Wohnungen
aber mehrere Wände deutliche Einschnitte
verkraften mussten und auch ein zweistöckiger
Dachaufbau erfolgte, scheint vom
ursprünglichen Bau, einer Betonkirche des
Architekten Rainer Disse, nur mehr wenig
übrig geblieben zu sein.
Wenn man etwas kritisieren wollte,
dann vielleicht, dass die Verfasserin letztlich
nur Beispiele vorstellt, die angesichts
des Verkaufs stets komplett neue Nutzungen
der ehemaligen Kirchengebäude
darstellen. Hier wären Teilumnutzungen
oder auch Beispiele aus dem ländlichen
Raum interessante Ergänzungen
zum Umgang mit den Kirchenräumen
gewesen.
Der Band ist durchgehend gut bebildert
(131 historische Fotos, aktuelle Aufnahmen,
Pläne etc.), hat ein ausführliches
Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 221–
241) und dokumentiert elf Gespräche
mit beteiligten Architekten und Nutzern
(S. 242–325).
Diakonische
Kirchen(um)nutzung
Kerstin Menzel/Alexander Deeg (Hg.): Diakonische Kirchen(um)nutzung (Sakralraumtransformationen 2), Münster: Aschendorff Verlag 2023; 245 S.; 44,00 €; ISBN 978-3-402-21263-9
Der jüngste Band der TRANSARA-Reihe
(www.transara.de) widmet sich dem Thema
„Diakonische Kirchen(um)nutzung“.
Es sei gleich vorweggeschickt, dass bei
allen überzeugenden Beispielen auch kritische
Stimmen (Tobias Braune-Krickau,
S. 229–242) eigens zu Wort kommen. Historisch
gesehen sind Fragen der Diakonie,
etwa Armenfürsorge und Hospitäler (Julia
Mandry, S. 33–48), in kirchliche Gebäude
und deren Nutzung involviert. Die „implizite
diakonische Dimension von Kirchenräumen“
thematisieren dann gleich
fünf Beiträge, wobei hier auf Christine
Siegl, „Weniger ist anders – Dorfkirchen
als diakonischer Raum“ (S. 113–126), sowie
Albert Gerhards’ Ausführungen zu
„Liturgie und Diakonie – ein schwieriges
Geschwisterpaar“ (127–141) ausdrücklich
hingewiesen sei.
Die beiden Herausgeber
Kerstin Menzel und Alexander Deeg zeigen
mit Co-Autorin Uta Karstein an zwei
Beispielen, der Philippuskirche in Leipzig-Lindenau und den umliegenden Gebäuden
sowie den Entwürfen für die Martinskirche
in Apolda, welch interessante
Formen diakonischer Nutzung kirchlicher
Räume bzw. von deren Gebäudeensembles
denkbar bzw. vorstellbar sind. Der
ganze Band ist ein durchweg gelungenes
Beispiel von Austausch und offener
Diskussion eines wichtigen (Zukunfts-)Themas.
Was Steine erzählen
Florian Bock/Stefan Böntert (Hg.): Was Steine erzählen. Diskurse und Debatten um Profanierung und Umnutzung von Kirchen (Kirche in Zeiten der Veränderung 15), Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2023; 156 S.; 20,00 €; ISBN 978-3-451-34168-7
Die Relevanz unserer Fragestellung zeigt
nicht zuletzt die Tatsache, dass inzwischen
auch ein Band der Reihe „Kirche in
Zeiten der Veränderung“ vorliegt, der sich
den „Diskurse(n) und Debatten um Profanierung
und Umnutzung von Kirchen“
(Untertitel) widmet. Einer ausführlichen
Einleitung der beiden Herausgeber Florian
Bock und Stefan Böntert (S. 7–17) folgen
acht lesenswerte Aufsätze.
Eigens erwähnt
seien Maximilian Gigls Beitrag zum
Abriss von St. Ludgerus in Ennigerloh, der
gut kommuniziert dennoch zu teils heftigen
Gegenreaktionen von Seiten der einheimischen
Bevölkerung führte (S. 23–38);
Katrin Bauer, die das neue Forschungsfeld
privater Fotoalben in Bezug auf Kirchengebäude
eröffnet (S. 52–67); Birgit Jeggle-Merz, die die Entwicklung von St. Josef mit
angrenzendem Pfarrzentrum in Luzern
zum Quartierszentrum MaiHof darstellt
(S. 71–84), und Thomas Terbruck („Die
Situation im Bistum Essen. Ein Arbeitsbericht“,
S. 119–134), der die Verfahrensschritte
auf Bistumsebene wiedergibt und
Vorteile und Chancen wie auch Nachteile
einzelner Elemente daraus deutlich benennt.
Das sollten die Verantwortlichen
anderer Bistümer wie Landeskirchen
nicht nur zur Kenntnis, sondern sich
da und dort am besten auch zu Herzen
nehmen.
Fazit
Mit Blick auf die viel zu großen Immobilienbestände
der beiden großen Kirchen wird
uns das Thema Kirchen(um)nutzung in
den kommenden Jahren weiter begleiten.
In vielen Gebieten Mittel-, vor allem aber
Süddeutschlands stehen die beschriebenen Vorgänge teils erst noch am Anfang. Allein
schon von daher wären die Lektüre dieser
Bände und daran anschließende weiterführende
Diskussionen ein wichtiger Beitrag
zur künftigen Entwicklung unserer Kirche
wie ihrer Gebäude.
Dr. Walter Zahner, Regensburg