Insgesamt 36 Jahre sind seit der Herausgabe der zweiten Auflage des deutschsprachigen Messbuchs vergangen. Auf eine Neuausgabe wird auch nach zwei abgebrochenen Revisionsvorhaben weiterhin gewartet. Nun sollen die Arbeiten für das zentrale liturgische Buch für die Feier der Eucharistie neu angegangen werden.
Nachdem die Bischofskonferenzen und konferenzfreien Erzbischöfe des deutschen Sprachgebietes im vorletzten Jahr den Beschluss gefasst haben, die Arbeit am Messbuch neu anzugehen, fand am 3. und 4. Juli 2024 im Maternushaus in Köln die Auftaktveranstaltung zur Revision des Messbuchs für das deutsche Sprachgebiet statt. Die Tagung wurde durch Weihbischof Dr. Anton Leichtfried aus St. Pölten eröffnet. Er ist Mitglied des Präsidiums der „Konferenz Liturgie der Kirche im deutschen Sprachgebiet“ (KLD), die die Erarbeitung eines revidierten Messbuchs verantwortet. Leichtfried betonte einerseits die große Bedeutung des Messbuchs als das liturgische Buch für die Feier der Eucharistie. Andererseits müsse angesichts von Krisen in Kirche und Welt der Realität ins Auge geblickt werden, dass es auch nur das Messbuch sei, das es in einer praktikablen, zielführenden Weise zu einer revidierten Fassung zu bringen gelte.
Aller guten Dinge sind drei?
Prof. Dr. Martin Klöckener (Fribourg) führte in die Revision des deutschsprachigen Messbuchs ein und präsentierte die Kontexte, Ziele und Vorgehensweisen des Projekts. Zunächst verwies er auf die beiden Revisionsprojekte der letzten Jahrzehnte, die aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeschlossen werden konnten.
Bei der Messbuchrevision durch die „Internationale Arbeitsgemeinschaft der Liturgischen Kommissionen im deutschen Sprachgebiet“ (IAG) von 1988 bis 2000 waren weitreichende Überarbeitungen und Ergänzungen für das landessprachliche Messbuch beabsichtigt. Dieses erste Projekt musste letztendlich wegen der angekündigten neuen Übersetzerinstruktion und der erwarteten Editio typica tertia des Missale Romanum abgebrochen werden, ohne dass eine Neuausgabe des deutschen Messbuchs herausgegeben werden konnte. Das zweite Revisionsprojekt stand unter dem Vorzeichen der Übersetzerinstruktion Liturgiam authenticam (LA) aus dem Jahr 2001. Durchgeführt wurden die Revisionsarbeiten ab 2004/2005 durch die bischöfliche Kommission Ecclesia celebrans in enger Zusammenarbeit mit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. In den folgenden Jahren formierte sich zunehmend Widerstand gegen die von LA vorgegebene wörtliche Übersetzung. Als ein Höhepunkt dieser Entwicklung ist die weitreichende Kritik am 2009 veröffentlichten Begräbnis-Rituale zu sehen. Schließlich verweigerten die Bischöfe der deutschsprachigen (Erz-)Diözesen im Jahr 2013 die Approbation der erarbeiteten Neufassung für das Messbuch und beendeten damit auch das zweite Revisionsprojekt vorzeitig.
Das nun startende dritte Revisionsprojekt steht unter anderen Rahmenbedingungen als das zweite. Mit Magnum principium (MP) ordnete Papst Franziskus im Jahr 2017 die Vorgaben zur Übersetzung liturgischer Texte neu, wonach den Bischofskonferenzen wieder eine größere eigenständige Rolle bei der Übersetzung zukommt (vgl. Gd 21/2017, S. 169–171). Ein erneuertes deutschsprachiges Messbuch herauszugeben, hatte mit den Jahren keinesfalls an Dringlichkeit verloren. Immerhin sind die Bischofskonferenzen angehalten, das Missale Romanum als Modellbuch für den römischen Ritus in seiner Editio typica tertia von 2002/2008 mit allen Neuerungen in die Landessprachen zu übersetzen.
Projekt in drei Teilschritten
Wegen der schwierigen Vorgeschichte wird die nun geplante Messbuchrevision weniger tiefgreifend und weniger umfangreich sein als bei den beiden Projekten zuvor. Da ein realistischer Abschluss des Projekts erreicht werden soll, wird es in drei aufeinanderfolgende Teilschritte untergliedert:
- Zunächst werden die neuen Texte des Missale Romanum 2002/2008 übersetzt. Außerdem werden – erstmals für das deutsche Sprachgebiet – Perikopenorationen nach dem Vorbild anderer volkssprachiger Messbücher erstellt.
- Erst nach einer Erprobungsphase und der Gutheißung der neu übersetzten und der neu geschaffenen Texte durch die Bischöfe der deutschsprachigen Diözesen werden in einem zweiten Teilschritt die im jetzigen deutschsprachigen Messbuch enthaltenen Texte, bei denen es erforderlich scheint, einer Revision unterzogen. Für diese zweite Phase ist eine Rückmeldemöglichkeit mit konkreten Verbesserungsvorschlägen zu einem bestehenden Text aus der pastoralen Praxis vorgesehen; dazu wird zu gegebener Zeit eingeladen.
- In einem letzten Teilschritt werden alle erarbeiteten Inhalte, darunter auch die Eigentexte und Eigenriten des deutschen Sprachraums, miteinander verzahnt und gegebenenfalls notwendiges weiteres Eigengut ergänzt.
Für die anstehenden Aufgaben der verschiedenen Projektphasen wurden neben einer Projektleitung vier Arbeitsgruppen mit je sechs bis sieben Mitgliedern sowohl aus der Liturgiewissenschaft, der Kirchenmusik und der Exegese als auch aus der pastoralen Praxis zusammengestellt. Bei Bedarf werden weitere Fachleute wie Germanisten herangezogen. Der Abschluss der Erarbeitungsphase ist für Ende 2028 anvisiert. Approbation, römische Konfirmierung, Redaktionsarbeiten und die Drucklegung werden danach noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
Liturgische Übersetzungsarbeit damals und heute
Im Anschluss gewährte Thomas Kohler (Augsburg) einen Einblick in die Erarbeitung des Messbuchs von 1975. Er betonte, in welch kurzer Zeit die volkssprachigen liturgischen Bücher nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erarbeitet wurden. Kohler beleuchtete die verschiedenen Träger der damaligen Messbucharbeit. Neben der Übersetzergruppe waren auch die Liturgiekommissionen der Bistümer stark eingebunden. Die Öffentlichkeit wurde maßgeblich über die Zeitschrift Gottesdienst, insbesondere durch die Kommunikation der Rückmeldemöglichkeiten, mit einbezogen. Prof. Dr. Alexander Zerfaß (Salzburg) beleuchtete das Konzept der liturgischen Übersetzungsarbeit gemäß den aktuellen kirchlichen Bestimmungen. Mit einer Synopse der Übersetzerinstruktionen Comme le prévoit (CLP) aus dem Jahr 1969 und LA von 2001 sowie des Motu proprio MP aus dem Jahr 2017 stellte er die konträre Positionierung von CLP und LA und schließlich die Entwicklung hin zu MP dar, bei dem eine Rückbesinnung auf die dynamische Äquivalenz festzustellen ist.
Zerfaß hob die entscheidende Wendung in MP hervor, den Aussage-Gehalt, also den Sinn des Originaltextes, getreu und angemessen wiederzugeben (dynamische Äquivalenz), anstatt sich nur an der treuen Wiedergabe der Aussage-Form zu orientieren (wörtliche Äquivalenz). Eine getreue und angemessene Übersetzung (vgl. c. 838 § 3/CIC 1983) ist in einer dreifachen Treue zu erreichen: in der Treue zum Originaltext, zur Zielsprache und zu den Adressaten des liturgischen Textes.
Die Lyrikerin und Trägerin des Ingeborg- Bachmann-Preises Nora Gomringer brachte mit ihrem Vortrag „Man sieht’s – Poesie, Humor & Liturgie in meiner Arbeit“ eine humoristische Perspektive in die Diskussion ein. Anhand einiger Beispiele aus ihrem bisherigen poetischen Schaffen veranschaulichte sie die Macht der Sprache und des Rezitierens. Sie beschrieb die Tätigkeit des Übersetzens mit der eines Fährmanns. Übersetzungen stellen immer eine kontextbezogene Neubewertung des Ursprungstextes dar. Mit Blick auf die Rezipienten einer Übersetzung veranschaulichte Gomringer, wie schwierig es ist, verschiedene Zielgruppen gleichermaßen zu erreichen.
Prof. Dr. Werner Michler (Salzburg) behandelte verschiedene Übersetzungstheorien aus der Perspektive eines Germanisten. Beginnend mit Friedrich Schleiermachers Übersetzungstheorie zeigte er in historischer Abfolge die unterschiedlichen Herangehensweisen bei Übersetzungen auf. Während die formale Äquivalenz ihren Fokus auf den Ausgangstext legt, ist die dynamische Äquivalenz auf den Zieltext ausgerichtet. Ob nun eher das Wort oder der Sinn im Fokus steht, drückt sich maßgeblich in der Art des Übersetzens aus (Domestication gegenüber einer Foreignization). Übersetzen ist immer soziokulturelle Handlung und bewegt sich zwischen den beiden Polen des Verfremdens oder Glättens eines Ursprungstextes. Am Beispiel des englischsprachigen Messbuchs für die US-amerikanischen Diözesen (2011) legte Michler dar, wie die Reaktionen der Rezipienten ausfallen können, wenn bei der Übersetzung zu stark an der Form des Ursprungstextes festgehalten wird und dieser in der Zielsprache damit nur noch schwer verständlich ist.
Prof. Dr. Rudolf Pacik (Salzburg) ging auf die liturgische Kantillation ein und erläuterte die Kriterien für eine adäquate Rezitation liturgischer Texte. Da Kantillation mehr Deklamation als Gesang ist, sei primär die Eigenart des Textes zu beachten. Kantillationsmodelle müssten daher genügend flexibel sein, sodass nur wenige Anpassungen an den Text erforderlich seien. Als Kriterien für gut singbare liturgische Texte in deutscher Sprache nannte Pacik eine möglichst schlichte Sprache mit kurzen Formulierungen, nicht mehr als vier unbetonte Silben am Ende einer Sinneinheit und keine zu häufige Hauptbetonung am Schluss. Der Einbezug der Kirchenmusik in den anstehende Arbeitsprozess solle gewährleisten, rhythmisch brauchbare Texte für die Messfeiern im deutschen Sprachgebiet zu erhalten.
Perikopenorationen als Chance
Prof. Dr. Marco Benini (Trier) sprach über die Perikopenorationen, wie sie in einigen teilkirchlichen Messbüchern als Auswahlelemente vorzufinden sind (italienisches und flämisches Messbuch) oder nur zur Erprobung vorliegen (Oraisons nouvelles 1987, ICEL-Collects 1999). Auch die Gestalt der deutschsprachigen Perikopenorationen aus dem Werkbuch „Wort-Gottes- Feier“ von 2004 wurde in dem vergleichenden Überblick herangezogen. Benini unterstützt das Vorhaben der Erarbeitung von Perikopenorationen für die Sonntage im Jahreskreis und präsentierte einen Entwurf für Leitlinien zur Gestaltung von Perikopenorationen. Die Schaffung von ansprechenden Perikopenorationen sei eine pastoralliturgische Chance, neben einer moderaten Revision der bestehenden Texte auch etwas Innovatives für die Neuauflage des deutschsprachigen Messbuchs aufzunehmen.
Im Anschluss an die Vorträge setzten sich die Mitglieder der jeweiligen AGs zusammen und analysierten in einer ersten Arbeitsphase ausgewählte liturgische Texte mit Übersetzungsvergleichen. Die Tagung schloss mit einer Auswertung der Gruppenarbeit im Plenum und einer Schlussdiskussion.
Die Auftaktveranstaltung bot einen umfassenden Einblick in die Herausforderungen und Chancen der Revision des Messbuchs für das deutsche Sprachgebiet und gab wichtige Impulse für die weiteren Arbeiten.
Sehr treffend gab Martin Klöckener für die bevorstehenden Arbeiten mit auf den Weg: „Die Kirchenkrise wird durch ein neues Messbuch zwar nicht gelöst, jedoch darf sie durch das neue Messbuch auch nicht verschärft werden.“