Als Papst Franziskus mit seinem Apostolischen Schreiben Aperuit illis (2019) erstmals 2020 den Sonntag des Wortes Gottes einführte (3. Sonntag im Jahreskreis; in Deutschland: letzter Sonntag im Januar), machte er selbst einige Gestaltungsvorschläge. Er sprach von der Möglichkeit, die Heilige Schrift während der Eucharistiefeier zu inthronisieren; die Homilie sollte an diesem Tag besonders den Dienst am Wort des Herrn herausstellen; die Bischöfe könnten zum Lektorat beauftragen, wobei diejenigen, die das Wort Gottes verkünden, angemessen ausgebildet werden sollen – so wie es bei den außerordentlichen Kommunionspender/innen bereits der Fall ist.
Freilich wird man zu Recht einwenden können: Brauchen wir denn noch einen neuen, weiteren Themensonntag? Und sind diese Vorschläge tatsächlich geeignet, in besonderer Weise einen eigenen Sonntag des Wortes Gottes zu begehen? Hier ist auf eine Aussage aus dem Apostolischen Schreiben selbst hinzuweisen: „Der der Bibel gewidmete Tag soll nicht ‚einmal im Jahr‘, sondern einmal für das ganze Jahr stattfinden“ (Nr. 8). Es geht also nicht darum, einmal im Jahr die Bedeutung des Wortes Gottes hervorzuheben, vielmehr soll einmal aufleuchten oder bewusster werden, was eigentlich für das ganze Jahr und auch für jede Eucharistiefeier gelten sollte. Konkret heißt dies, dass einige Elemente am Sonntag des Wortes Gottes besondere Akzente setzen können, aber dass andere Elemente durchaus stilbildend in jeder sonntäglichen Eucharistiefeier sein sollten.
Ein besonderer Akzent könnte darin bestehen, dass die Homilie unter Bezug auf die von der Leseordnung vorgesehenen Texte die Theologie und den performativen Charakter des „Wortes des lebendigen Gottes“ verdeutlicht und dessen sakramentale Dimension thematisiert, wie sie sich in der Feier der Liturgie entfaltet. Des weiteren wäre der Sonntag des Wortes Gottes tatsächlich eine Gelegenheit, die neuen Lektoren in der sonntäglichen Eucharistiefeier in ihren liturgischen Dienst einzuführen.
Zugleich lädt der Sonntag des Wortes Gottes dazu ein, andere Elemente in den Blick zu nehmen, die Teil der Feierkultur einer jeden sonntäglichen Eucharistiefeier sein sollten. Drei Elemente seien hier angesprochen: das liturgische Buch zur Verkündigung des Wortes Gottes, der Umgang mit diesem liturgischen Buch und der Ort der Verkündigung.
- Zunächst sollte man ein angemessenes Lektionar bzw. Evangeliar verwenden – und zwar die Neuausgaben mit der neuen Einheitsübersetzung. Beachtung verdient das Lektionar/Evangeliar vor allem, weil ein eigenes Buch mit den Schriftlesungen für die Gottesdienstfeiern keine Selbstverständlichkeit ist. So war es bis zur Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils über Jahrhunderte üblich, die Lesungen im Messbuch abzudrucken. Die bewusste Entscheidung für ein eigenständiges Buch für die Schriftlesungen setzt ein Zeichen: Es wird deutlich, dass die Gottesdienstfeier, auch die Messfeier, nicht allein Sache des Priesters ist. Denn ansonsten würde es tatsächlich genügen, alle Texte, also Gebete und Lesungen, in „seinem“ liturgischen Buch, dem Messbuch, abzudrucken. Doch Träger des Gottesdienstes sind nach heutigem Verständnis im Sinne des Konzils alle zur Feier versammelten Gläubigen, die den Leib Christi bilden. Das findet u. a. in den ausdifferenzierten liturgischen Rollen und Diensten seinen Ausdruck. Vor allem das Lektionar macht das anschaulich: Es ist das Buch für den liturgischen Dienst des Lektors bzw. der Lektorin.
- Damit sich die Bedeutung des Wortes Gottes auch im Vollzug, also im Mitfeiern, erschließen kann, muss im Gottesdienst auch in einer Weise mit diesem liturgischen Buch umgegangen werden, die dies zum Ausdruck bringt. Es ist sinnvoll, das Lektionar oder Evangeliar beim Einzug mitzuführen. Die Verkündigung kann durch Kerzenträger begleitet werden, oder am Ambo kann eine feststehende Kerze brennen; beides ist Hinweis auf Christus, das Licht der Welt, das uns in der Frohen Botschaft aufscheint. Weihrauch ist geeignet, um die Verehrung des Wortes Gottes zum Ausdruck zu bringen. Und nach der Verkündigung sollte das Lektionar bzw. Evangeliar nicht einfach auf einer Ablage unter dem Ambo verschwinden, sondern es wäre ein sprechendes Zeichen, wenn das Buch aufgeschlagen im Blickfeld der Gemeinde abgelegt werden kann – im Sinne von: Die Botschaft steht im Raum. Und am Ende des Gottesdienstes sollte beim Auszug das Lektionar bzw. Evangeliar nicht wieder ausziehen, weil Christus nun nicht einfach die Gottesdienstversammlung verlässt, sondern von den Gläubigen in ihren Herzen und durch ihre Taten in die Welt getragen werden soll.
Dies ist letztlich der entscheidende Aspekt: dass Christus als Wort des lebendigen Gottes in den Herzen der Gläubigen ankommen will. Daher muss man unbeschadet der eben vorgetragenen Anregungen zugleich festhalten, dass die eigentliche Wertschätzung, die durch die vorgeschlagenen Vollzüge zum Ausdruck kommt, nicht dem Buch an sich gilt, sondern Christus, in dem sich Gott uns mitteilt. Insofern ist die Verkündigung des Wortes Gottes der entscheidende Vollzug; das liturgische Buch hingegen ist „nur“ ein verweisendes Zeichen.
- Damit kommt der Ort der Schriftverkündigung in den Blick: der Ambo. In gewisser Weise ist er das Pendant zum Altar. Ähnlich wie der Altar der Tisch des Brotes ist, ist am Ambo den Gläubigen der „Tisch des Gotteswortes“ (SC 51) bereitet. Denn in den Lesungen spricht Gott selbst zu seinem Volk und offenbart sein Heilshandeln. Mehr noch: Christus selbst ist es, der in seinem Wort inmitten der Gläubigen gegenwärtig ist (vgl. AEM 33). Aus der damit gegebenen Würde des Wortes Gottes ergibt sich, dass die Verkündigung dieses Wortes eines besonderen Ortes in der Kirche bedarf. Dass es einen solchen Ort gibt, ist nicht beliebig, sondern ein Ambo ist unbedingt notwendig. Um der Zeichenhaftigkeit willen kann es nur einen Ort der Verkündigung des Wortes Gottes geben, also nur einen Ambo. Die Bedeutung des Wortes Gottes erfordert zudem, dass der Ambo feststehend und ein nicht disponibler Bestandteil des Kirchenraumes ist. Disponibel sollte der Ambo auch nicht hinsichtlich seiner Nutzung sein: Als Tisch des Wortes Gottes sollte er in erster Linie der Verkündigung des Wortes Gottes und dessen Auslegung vorbehalten bleiben und nicht als Lesepult oder als Ort für alle möglichen Ansagen missbraucht werden. Selbstredend ist, dass der Ort des Ambos in optischer und akustischer Hinsicht eine gute Kommunikation ermöglichen muss