In der Nacht des Hochfestes der Geburt Johannes' des Täufers lodern vielerorts in Teilen Österreichs, in Süddeutschland und Mitteldeutschland auf Bergen so genannte Johannisfeuer. Das Fest der Geburt Johannes' des Täufers geht dem der Geburt Jesu sechs Monate voraus. Wie das Weihnachtsfest nahe bei der Wintersonnenwende liegt und in der Feier der Geburt Jesu sein Erscheinen als neue Sonne gefeiert wird, so verbindet sich mit der Sommersonnenwende das Geburtsfest des Vorläufers Johannes. „Er muss wachsen, ich aber abnehmen", sagt er von sich selbst, und so wird nach seinem Fest auch das Licht der Sonne schwächer.
Bei der Feier des Johannestages greift die Kirche seit dem Mittelalter alte Sonnwendbräuche auf und deutet sie christlich. Ursprünglich ist das Fest mit Reinigungs- und Fruchtbarkeitsriten verbunden. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts werden die Johannisfeuer, von Südtirol ausgehend, vor allem in Tirol durch Herz-Jesu-Feuer am Samstag oder Sonntag nach dem Herz-Jesu-Fest abgelöst. Sie erinnern an das Herz-Jesu-Gelöbnis von 1796 und an die Signalfeuer der Tiroler Freiheitskriege um Andreas Hofer.
Die Johannis- und Herz-Jesu-Feuer sind ein besonders schönes Beispiel dafür, wie ein ursprünglich heidnischer Brauch zunächst verchristlicht wurde und in einem weiteren Schritt aufgrund regionaler Ereignisse noch einmal eine ganz neue Deutung erhielt. Sie sind ein Lehrstück, wie religiöses Brauchtum unter veränderten Umständen in der Form bewahrt und gleichzeitig Mittel einer neuen Frömmigkeitsrichtung werden kann.
Eduard Nagel