Den Jahrestag eines Ursprungsereignisses zu feiern gehört zu den ältesten Formen von Kult. Das gilt vom Geburtstag eines Menschen ebenso wie vom Weihetag eines Tempels. Bei den christlichen Kirchen steht zunächst mehr das Fest des Patrons im Vordergrund; später wird das Jahrgedächtnis mehr im Sinne des alttestamentlichen Tempelweihefestes verstanden. Die älteste Schilderung eines Weihefestes einer Kirche ist die der Pilgerin Ätheria, die um 400 vom Weihefest der Auferstehungs- und Martyriumskirche in Jerusalem am 13. September berichtet. Der Brauch verbreitete sich im 5. Jahrhundert auch in Rom und im übrigen Westen. In manchen Fällen, in denen eine Kirche einem bestimmten Heiligen geweiht wurde, wurde das Datum der Weihe zugleich der Termin seines Gedächtnisses (z. B. Michael).
Von besonderer Bedeutung in der Diözese ist das Weihefest der Kathedrale, das in allen Pfarreien als Eigenfest der Diözese begangen wird. Der Weihetag der einzelnen Kirchen wird, wo er bekannt wird, an dem betreffenden Tag als Hochfest begangen. Für die Kirchen, deren Weihtag nicht bekannt ist, wird in jeder Diözese ein gemeinsames Jahrgedächtnis festgesetzt. Weil Kirchweihfeste echte Volksfeste mit allen Begleiterscheinungen waren, wurden seit dem 16. Jahrhundert in Kirchenprovinzen gemeinsame Termine festgesetzt, damit das Volk nicht mehrfach Gelegenheit zur Teilnahme hatte. Auf dem Land ist Kirmes, Kirta, Kirbe, Kilbe usw. bis heute ein Anlass, bei dem die Bewohner eines Ortes und darüber hinaus so zahlreich zusammenströmen wie sonst nie.
Eduard Nagel