Zu Ihrer Frage gibt es gute Argumente nach beiden Seiten.
Von der Liturgie her gesehen spricht Vieles für die Praxis, die Ihr früherer Pfarrer eingeführt hat: Alle, die einen liturgischen Dienst versehen, tragen ein liturgisches Gewand, ziehen mit dem Zelebranten ein und bleiben während des ganzen Gottesdienstes im Chorraum. So sieht es auch das Messbuch vor.
Allerdings war bei der Abfassung des Messbuchs zunächst an die „instituierten" Lektoren gedacht. Das Lektorat war zu der Zeit noch eine „niedere Weihe". Zwar wurden dann die „Niederen Weihen" abgeschafft und der Dienst der Akolythen und Lektoren zu reinen Laiendiensten erklärt, aber zugleich auf Männer beschränkt. Darum werden bis heute de facto nur die Weihekandidaten für das Diakonen- und Priesteramt damit beauftragt („instituiert").
Als nun der Vorlesedienst als eigener Laiendienst ohne Beauftragung aufkam, gab es das Problem, dass Frauen den Altarraum nicht betreten durften. Weil aber Frauen nicht ausgeschlossen sein sollten, hieß es zunächst, sie sollten diesen Dienst „an einem geeigneten Ort außerhalb des Altarraumes" ausüben. Das aber wurde als Diskriminierung empfunden und flächendeckend abgelehnt. Ein liturgisches Gewand für diesen Dienst kam für Frauen schon darum nicht in Frage, weil selbst die Ministrantengewänder im Grunde Klerikergewänder waren.
Anstatt einen neuen liturgischen Ort für den Vorlesedienst der Frauen zu schaffen, fand man die Lösung, dass Lektorinnen und Lektoren nur zum Dienst selbst aus der Bank an den Ambo treten und danach wieder dorthin zurückkehren.
Schnell entdeckte man in dieser Praxis auch eine durchaus überzeugende Symbolik: Es ist Aufgabe eines jeden Christen, nicht nur als Ersatz für nicht vorhandene Kleriker, seinen Schwestern und Brüdern - selbst den Amtsträgern bis hin zu Priester und Bischof - das Wort Gottes vorzulesen, zu verkünden und zu bezeugen. In diesem Sinn stellt sich der Lektorendienst noch deutlicher als echter Laiendienst dar, wenn die betreffenden Frauen oder Männer dazu aus der Gemeinde heraustreten und danach wieder dorthin zurückkehren, zumal ihr Dienst - anders als der des Diakons oder der Ministrant/innen - nicht die Feier als Ganze, sondern dieses einzige Element betrifft.
Gerade wenn die Lektor/innen auch die Anliegen des Allgemeinen Gebets vortragen, kommt im Heraustreten aus der Gemeinde noch einmal zum Ausdruck, dass diese Bitten ein originäres Gebet der Gemeinde sind.
Nicht zu vergessen ist schließlich, dass selbst bei Papstgottesdiensten, die in den letzten Jahrzehnten das Fernsehen übertragen hat, der Lektorendienst in der Regel ohne liturgisches Gewand ausgeübt wurde.
Es gibt also keine so eindeutige Antwort, wie die Dokumente zunächst vermuten lassen. Das Gespräch darüber kann bewusst machen, welch hohe Würde gerade im Lektorendienst liegt.
Eduard Nagel