Erste Maiandachten lassen sich im Mittelalter feststellen. Offensichtlich wollte die Kirche damit heidnische Maifeiern römischen und germanischen Ursprungs „verchristlichen". Ab dem 17. Jahrhundert werden mehr und mehr Gebete zur Gottesmutter Maria im Mai üblich, bis im 19. Jahrhundert die tägliche Marienandacht fester Brauch ist. Papst Paul VI. widmet am 1. Mai 1965 der besonderen Verehrung Marias im Mai eine eigene Enzyklika mit dem Titel „Mense Maio" - „Im Monat Mai". Darin schreibt er, es sei „eine teure Gewohnheit Unserer Vorgänge, diesen Marienmonat zu wählen, um dass christliche Volk zu öffentlichem Gebet einzuladen, sooft die Nöte der Kirche oder eine drohende Weltgefahr dies verlangten". Während in den darauf folgenden Jahrzehnten im Zuge eines allgemeinen Trends, der traditionelle Frömmigkeitsformen wenig schätzte, die Maiandachten stark zurückgingen, wird heute diese Form wieder neu entdeckt.
Ihre Sinnenfreudigkeit - reicher Blumenschmuck und viele Kerzen vor einem Marienbild, gemütvolle Lieder, eventuell verbunden mit einer Anbetung vor dem Allerheiligsten und sakramentalem Segen - und ihr inniger Charakter - Maria, die uns als Mensch nahesteht, die Möglichkeit, private Anliegen im Gebet vor Gott zu tragen - sprechen heute die Menschen wieder mehr an. Die Maiandacht war in der Vergangenheit vielerorts ein gemeinsames Gebet von Gruppen von Gläubigen, etwa in einer Kapelle, auch ohne Priester oder Diakon als Leiter. Das kommt der heutigen Situation entgegen und macht diese Form neu attraktiv.
Eduard Nagel