Vielgestaltige VersöhnungLiturgische Formen von Umkehr, Buße und Vergebung

Sünde, Schuld, Umkehr, Buße, Vergebung - vor 40 Jahren dachten katholische Christen bei diesen Worten unmittelbar an Beichte. Inzwischen aber hört man von Seelsorgern Klagen über den Niedergang des Bußsakraments. Die Erfahrung, dass beim Weltjugendtag viele junge Menschen zur Beichte gingen, weckte zwar ein wenig Hoffnung auf einen neuen Frühling dieses Sakraments, doch Konsequenzen in Gemeinden sind kaum zu bemerken.

Ist also der Gedanke an Umkehr und gottesdienstliche Versöhnung verschwunden? - Zumindest in der Liturgie ist er allgegenwärtig.

Sünde und Vergebung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Liturgie. Sie sind unlösbar mit dem zentralen Ereignis unseres Glaubens verbunden: Gottes Sohn ist Mensch geworden, um uns Menschen zu erlösen - aus allen unheilvollen Verstrickungen: Sünde, bewusste Schuld, unverschuldete Vergehen, Angst usw. Wo immer in unseren Gottesdiensten der Gedanke an das Kreuz, den Tod und die Auferstehung Jesus in Wort und Zeichen ausgedrückt wird, klingt das Motiv der Vergebung mit.

Eigene liturgische Feiern zur Sündenvergebung

  • Die grundlegende Feier von Sündenvergebung ist die Eucharistie. In ihr wird Jesu Heilstat, sein Kreuzestod und seine Auferstehung, wahrhaft gegenwärtig. Je stärker sich die Teilnehmenden auf seine Hingabe einlassen, desto freier werden sie von dem, was sie von Gott trennt, desto echter wird ihr Lobpreis in der Feier und desto inniger ihre Verbindung mit ihrem Herrn im Alltag, desto größer ihre gelebte Gottes- und Nächstenliebe.
  • Um Eucharistie feiern zu können, müssen Menschen Mitglied der Gemeinschaft der Christen sein. Dies werden sie durch die Taufe. Wenngleich bei uns die Säuglingstaufe der praktische Normalfall ist, das theologische Modell ist die Erwachsenentaufe. Auf sie bereitet man sich vor, indem man Jesus und seine Lehre kennen lernt und sich abwendet von allem, was an falsche Götter oder an irdischen Tand bindet. Die Zeit der Vorbereitung, der Katechumenat, ist eine Zeit der Umkehr und Hinkehr zu Gott und wird begleitet von eigenen Stärkungsriten. Die Taufe ist das Bad, in dem alle Schuld abgewaschen wird.
  • Das Sakrament der Buße entstand, als in den Anfängen des Christentums das geschah, was Christen ihrem Selbstverständnis nach nie hätte passieren dürfen: Glaubensabfall, Mord, Unzucht, also Dinge, die einen Menschen von der Gemeinschaft mit Gott und der Kirche trennen. Es wurden Diskussionen geführt, ob solche Menschen überhaupt noch einmal in die Gemeinschaft aufgenommen werden können. Das Ergebnis lautete: ja. Einmal, als zweite Rettungsplanke, soll ihnen diese Chance gegeben werden, wenn sie vorher - mitunter Jahre lang - durch einen neuen Lebenswandel, durch Fasten, tätige Buße und Nächstenliebe beweisen, wie Ernst es ihnen war. Dabei wurden sie vom fürbittenden Gebet der Gemeinde begleitet. Entsprechend feierlich und öffentlich war dann auch die Wiederaufnahme, in der Regel vor der Osterfeier, ein Fest der Wiederherstellung der Taufgnade und der Versöhnung mit der kirchlichen Gemeinschaft.
  • In den ersten Jahrhunderten war das Bußwesen der Kirche geprägt von der lang vorbereiteten, öffentlichen Feier der Wiederaufnahme in die Gemeinschaft (vgl. pgd 4/06).

Entwicklung des Bußsakraments

Mönche aus Irland und Schottland führten dann ein neues Bußwesen ein, in dem es „Bußtarife" gab: Listen, in denen genau festgelegt war, für welche Sünden wie lange in welcher Form Buße zu leisten war. Mehr und mehr verlor die Feier der Versöhnung ihren öffentlich-kirchlichen Charakter. Nicht mehr die Gemeinschaft nahm Anteil an dem, was der bekehrungswillige Sünder zu tun hatte und was mit ihm geschah, sondern nur der Priester als Repräsentant der Kirche, und zwar in richterlicher Funktion.

  • Von hier aus entwickelte sich die Beichte: als Geschehen zwischen Beichtendem und Priester, von der Besinnung bis zur Absolution verdichtet in einem kurzen Akt, ein fast privates Ereignis. Seine Öffentlichkeit besteht nur noch in der Tatsache, dass es stattfindet - ohne weitere Anteilnahme der Gemeinde.

Weitere liturgische Feiern zur Sündenvergebung

  • Weil aber die Sünde des Einzelnen der ganzen christlichen Gemeinschaft schadet und weil die kirchliche Gemeinschaft Interesse am geistlichen Wohl ihrer Glieder hat, wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die „Gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit Bekenntnis und Lossprechung der Einzelnen" als Gottesdienstform geschaffen: In einem Wortgottesdienst bereiten sich alle gemeinsam auf die Beichte vor, gehen dann zu Bekenntnis und Lossprechung einzeln zum Priester und vereinen danach als Versöhnte ihren Dank und ihre Freude im gemeinsamen Abschluss.
  • Ausdrücklich von Sündenvergebung ist auch bei der Krankensalbung die Rede. Durch sie bekommt der schwer kranke Mensch, der sich innerlich von seiner Sünde distanziert und Gott zugewandt hat, die Vergebung zugesprochen.
  • In eigenen Bußgottesdiensten ohne sakramentale Absolution bereiten sich viele Gläubige auf die höchsten Feste des Kirchenjahres, Ostern und Weihnachten, sowie auf Allerheiligen und Allerseelen vor. In der Feier eines Bußgottesdienstes bekennen sie sich voreinander als Sünder und erfahren ihr Versagen sowie die Vergebung als etwas, was sie nicht nur persönlich, sondern auch als Gemeinschaft angeht. Im Friedengruß sprechen sie sich gegenseitig Versöhnung zu.
  • Vereinzelt, aber in zunehmendem Maß entdecken Gläubige und Gemeinden den Prozess-Charakter des Bußsakraments neu und gehen - z.B. in der Fastenzeit - einen gemeinsamen Weg (vgl. pgd 3/06).

Sündenvergebung und Liturgie

Der Gedanke an Sünde und Vergebung zieht sich durch fast alle Gottesdienstfeiern: in vielen Gesängen, im Bußakt der Messfeier, in Tagesgebeten und vielen Schriftlesungen sowie im Zentrum der Eucharistiefeier: „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden." Es lohnt sich, einmal aufmerksam darauf zu hören.

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