Griechenland vom Ende der Bronzezeit bis 500 v. Chr.
Nach dem Zusammenbruch der kretischen Palastkultur um 1800 v. Chr. übernahmen die Mykener die Rolle der Minoer als führende ägäische Macht. Den orientalischen Staaten waren sie ebenbürtige Partner, was ihr Platz im Netz der internationalen Geschenkdiplomatie zeigte.
Allerdings erforderten die geophysikalischen Bedingungen Griechenlands – im Unterschied zu den Flusstälerkulturen Ägyptens und Mesopotamiens – keine komplexe zentrale gesellschaftliche und administrative Organisation für die Bearbeitung des Bodens, sondern begünstigten im Gegenteil regionale und lokale Entwicklungen. Die Landwirtschaft blieb vielerorts wegen der beschränkten Arbeitskräfteressourcen (Kleinfamilie und maximal einige Sklaven) im Rahmen des Oikos (Hausgemeinschaft) eine Subsistenzwirtschaft. Bereits die eindrucksvolle ökonomische und politische Organisation in der Bronzezeit hatte lokalen und polyzentrischen Charakter. Die Rückbildung der mykenischen Staatlichkeit ab dem 12. Jahrhundert v. Chr. und die damit verbundene Abflachung der Hierarchien in den Dark Ages (dem »Dunklen Zeitalter«), für das keine Schriftquellen vorliegen, verliehen dem Neubeginn seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. einen ausgesprochen partikularen Zug. Gleichzeitig begünstigten Vielgestaltigkeit, maritime Netzwerke zum Vorderen Orient und Verbindungen zu den eigenen Tochterstädten (Apoikien) eine dynamische, von Anpassung und Konkurrenz gekennzeichnete Entwicklung. Dazu kam eine weitere, nicht unerhebliche Grundbedingung für die Geschichte bis um 500 v. Chr.: Griechenland blieb von äußeren Angriffen verschont. Nach dieser formativen Phase blieb griechische Geschichte immer die Geschichte einzelner Städte (poleis), Stämme und (später) föderaler Bundesstaaten, deren Beziehungen untereinander strukturell unfriedlich waren. Für die Ethnizität, die Sprache, die politischen und religiösen Grundstrukturen und die allen Griechen gemeinsamen Vorstellungen und Praktiken bildete die archaische Zeit (800 v. Chr. – 500 v. Chr.) die formative Epoche.
Die griechische Kolonisation des Mittelmeeres
Seit der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. wurden im der gesamten Mittelmeerwelt und im Schwarzmeergebiet viele griechische Siedlungen mit urbanem Charakter gegründet. Diese Apoikien (Tochterstädte) erweiterten den Lebens-, Erfahrungs- und Wirtschaftsraum der Hellenen beträchtlich. Neben dem Schwarzmeergebiet lagen die Siedlungsschwerpunkte in Sizilien und Unteritalien. Die Expansion war nicht allein einer Überbevölkerung in der Heimat geschuldet, vielmehr wurden gezielt die aus einer erhöhten Mobilität resultierenden Kenntnisse umgesetzt. Die ersten Siedlungsbewegungen wurden von heterogenen Gruppen getragen – von Händlern, Handwerkern oder Krieger-Adligen – die sich in bereits bestehende Siedlungen eingliederten. Den neu geschaffenen Kommunikationswegen folgten dann größere Gruppen, bis – manchmal erst mit der dritten oder vierten Generation – auch Landnahme und Ackerbau das Ziel der Siedler war. Modell für diese Expansion war möglicherweise die Ausdehnung der Phöniker im westlichen Mittelmeer und der Etrusker in Italien. Die im Laufe des 7. Jahrhunderts v. Chr. gegründeten Tochterstädte waren das Ergebnis genauer Planung und guter Vorbereitung, zumal das benötigte Territorium in dieser Phase zumeist gewaltsam okkupiert werden musste. Innere Konfl ikte waren häufig die Ursache für die Gründung einer Tochterstadt. Die Initiative zu einem Unternehmen ging zunächst meist von einem einzelnen Aristokraten aus, der in späteren Gründungslegenden als »Beauftragter« der Heimatgemeinde oder als durch einen Orakelspruch inspiriert geschildert wird. Als Mutterstadt konnte die Heimatgemeinde des »Gründers« gelten, die Gemeinde, aus der die meisten Siedler stammten oder auch die Stadt, von der aus die Siedler aufbrachen. Mit dieser Mutterstadt verbanden die Apoikien starke kultische Beziehungen. Allerdings standen die Apoikien nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Mutterstädten. Lediglich Korinth und im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. Athen versuchten, Tochterstädte machtpolitisch an sich zu binden. Das notwendige Zusammenwirken zunächst weniger, dann aber von immer mehr Griechen in einer fremden Umgebung führte zur Ausbildung neuer Identitäten. Es wurde möglich, sich nicht nur als Bewohner seiner Heimatstadt zu sehen, sondern als Mitglied überregionaler Kultgemeinschaften oder überhaupt als Mitglied eines durch gemeinsame Traditionen und Überlieferungen verbundenen Kulturkreises. Durch die Erfahrungen der verbindenden Aspekte der hellenischen Kultur in einer fremden Umwelt machten sich die Hellenen sich selbst und ihrer Umwelt erkennbar. Dazu gehörten vor allem der Bezug auf Delphi, die anderen Heiligtümer sowie ein starker Wille zur Gestaltung und Ordnung.
Die Ausbildung der Polis als Staat
Die am Ende der Dark Ages wiedergewonnene agrarische Sesshaftigkeit auf dauerhaftem Landbesitz und die Praxis der bäuerlichen Solidarität waren wichtige Voraussetzungen für die Entstehung der Polis als Gebiets- und Personenverband. Die Summe der Oikoi wuchs durch gemeinsame Anstrengungen zur Verteidigung gegen räuberische Überfälle und zur aggressiven Erweiterung der eigenen Lebensgrundlagen zusammen. Diesen Prozess verstärkte im 7. Jahrhundert v. Chr. die Weiterentwicklung der bereits in der Ilias Homers erkennbaren kollektiven Kampfesweise zur Phalanx (»Walze«) aus tief gestaffelten Reihen von Hopliten (»Schwerbewaffneten«). Neben den adligen Kriegsherrn mit seiner Gefolgschaft trat so auf Dauer eine von Gleichwertigkeit und Solidarität geprägte Formation. Innergemeindliche Integration und zwischengemeindliche Konkurrenz – deren Ausmaß allerdings nicht überschätzt werden darf und die regional sehr verschieden war – wurden durch das Anwachsen der Bevölkerung ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. verstärkt. Die ersten größeren Konflikte, die sich z. T. aus Raubzügen adliger Gruppen zu Kriegen zwischen Staaten entwickelten, gab es zwischen Sparta und Messenien sowie zwischen Chalkis und Eretria auf Euboia im 7. Jahrhundert v. Chr., und zwischen Athen und Megara um den Besitz von Salamis um die Wende vom 7. zum 6. Jahrhundert v. Chr. Die Stadtstaaten bildeten Netzwerke, deren Glieder miteinander konkurrierten und voneinander lernten.
Das Achaimenidenreich
Die Ethnogenese der das indogermanische (indoarische) Altpersisch sprechenden Perser ist nicht mit letzter Sicherheit zu klären. Fest steht aber, dass sich ihr politischer und kultureller Aufstieg in einer maßgeblich elamisch bestimmten Umgebung vollzog, in der es zu vielfältigen Formen des Kulturtransfers kam. Aus der berühmten Zylinderinschrift Kyros’ II. (559–530 v. Chr.) aus Babylon erfahren wir, dass vor ihm sein Vater Kambyses I. (Kambudschija), sein Großvater Kyros (Kurasch) und der Ahnherr Teispes (Tschischpisch) als »König von Anschan« Teile Südwestirans kontrollierten. Die Kyroslinie ist damit als die Linie der Teispiden richtig benannt. Dagegen liegen die Anfänge der Linie Dareios’ I. (522–486), des nach einem Ahnherrn Hachamanisch genannten Clans der Achaimeniden, trotz der genealogischen Information in Dareios’ Inschrift aus Bisutun und in Herodots Historien, im Dunkeln. Für eine medische Oberhoheit über die Persis (Fars) von 559 v. Chr. spricht, entgegen Herodots diesbezüglichem Hinweis, nichts.
Nach dem Mord an seinem Vorgänger Gaumata im Jahre 522 v. Chr. wurde Dareios zum König Persiens bestimmt und gründete die Dynastie der Achaimeniden. Das riesige Reich teilte er in Satrapien auf, deren Statthaltern (Satrapen) bedeutende Entscheidungs- und Verwaltungsvollmachten zugestanden wurden. Den Satrapien war ein bestimmtes Tributsoll auferlegt, von dem ein Teil in der Provinz verblieb, der andere an den Großkönig ging. Den Kern des stehenden Heeres bildeten die Iraner, aber auch alle anderen Völker waren zur Heeresfolge verpflichtet, wobei Griechen die Flotte bemannten. Die Achaimeniden trieben den Ausbau des Straßenwesens in ihrem Reich voran und verbesserten so die militärische, die Kommunikations- und Handelsinfrastruktur. Unter Dareios wurde auch – unter Nutzung assyrischer, babylonischer und griechischer Vorbilder – mit dem Bau der beiden wichtigsten achaimenidischen Residenzen begonnen, zunächst Susa, dann Persepolis. In den besetzten Gebieten des Riesenreiches blieben die alten Landessprachen Verwaltungssprachen, jedoch war das Aramäische die Kanzlei- und überregionale Verständigungssprache. Die Achaimeniden schufen so eine tragfähige Reichsstruktur, in der sich zentralistische Herrschervollmachten und lokale Autonomie ergänzten und integrierend auf die verschiedenen Völker des Großreichs wirken konnten.
Die Perserkriege
Im Jahre 499 v. Chr. brach unter den griechischen Städten der kleinasiatischen Mittelmeerküste ein Aufstand gegen die persische Herrschaft aus, in den auch Athen und Eretria Truppen entsandten. Die Aufstandsbewegung scheiterte und es gelang der persischen Zentralregierung, Ionien wieder zu stabilisieren und die kleinasiatischen Griechenstädte an sich zu binden.
Im Jahre 491 v. Chr. forderte Dareios I. dann durch Gesandte in Griechenland die Unterwerfung. Die meisten Städte kamen der Forderung nach, in Athen und Sparta wurden die Gesandten jedoch getötet. Die im Folgejahr durchgeführte Strafexpedition gegen Eretria und Athen scheiterte in der Schlacht von Marathon. Xerxes I., Sohn und Nachfolger des Dareios I., brach im Jahr 480 v. Chr. mit einem Heer nach Griechenland auf. Ziel war die Unterwerfung der perserfeindlichen Griechen, die sich unter der Führung Spartas in einem Verteidigungsbündnis zusammenschlossen. Nachdem das persische Heer die Stellung des spartanischen Königs Leonidas an den Thermopylen durchbrochen hatte, verwüstete es Attika, dessen Bevölkerung evakuiert worden war. In der Seeschlacht von Salamis unterlag die persische Flotte den griechischen Verbänden, worauf sich das Heer zurückziehen muss. Im Folgejahr wurden die in Griechenland verbliebenen persischen Truppen bei Plataiai vernichtend geschlagen. Dieser Sieg über die Perser leitete eine Phase offensiven Vorgehens der Griechen gegen das Perserreich ein, deren Ergebnis die Gründung des Delisch-Attischen Seebundes unter Führung Athens war. Vor allem die Aktionen der Flotte in Kleinasien markierten den Übergang vom Abwehr- zum Angriffskrieg gegen die Perser, das seine Pläne einer Unterwerfung Griechenlands aufgeben musste.
Der Delisch-Attische Seebund
Nach der Abwehr des persischen Feldzuges unter Dareios I. stieg Athen endgültig zu einer Sparta ebenbürtigen Großmacht auf. Besonders der Beitrag der attischen Flotte zum Sieg über die Perser stärkte das athenische Selbstbewusstsein. Unzufriedenheit mit dem spartanischen Oberbefehl führte im Jahr 477 v. Chr. zur Entstehung des Delisch-Attischen Seebundes mit dem Zweck, den Krieg gegen Persien energisch weiterzuführen. Athen schloss mit den jeweiligen Bündnispartnern Einzelverträge, wobei sich die Mitglieder entscheiden konnten, ob sie sich mit Schiffen und Truppen an den Aktionen des Seebundes beteiligten, oder diese Leistungen durch Geldzahlungen ablösten. Zwar hatte jeder Bündnispartner eine Stimme auf der Bundesversammlung, doch stellte allein Athen die Strategen und beanspruchte die Führungsrolle. Neben dem Kampf gegen die Perser nutzte Athen den Seebund zum Ausbau der eigenen Stellung in der Ägäis und der Kontrolle der Meerengen ins Schwarze Meer. Zur Kontrolle und Disziplinierung der Bündnispartner übte Athen immer unverhohleneren Druck aus: Mit Flottenpräsenz, athenischen Aufsichtsbeamten, Unterstützung der athenfreundlichen Gruppen bei den Bundesmitgliedern und der Anlage athenischer Bürgerkolonien wurden aus Partnern Untergebene. Mit einem durch den Kampf gegen die Perser enorm gesteigerten Selbstbewusstsein und der Macht des Delisch-Attischen Seebundes im Rücken stieg Athen nun während der 50 Jahre zwischen Perserkriegen und Peloponnesischem Krieg (»Pentekontaëtie«) zur kulturell und politisch führenden Macht Griechenlands auf und wurde damit zum Rivalen der Vormachtstellung Spartas. Dieser neuartige Dualismus löste eine bündnispolitische und militärische Eskalation aus. Andere Staaten richteten ihre Politik an den beiden Großen aus und zogen umgekehrt die Großmächte in ihre regionalen Konflikte mit hinein.
Der Peloponnesische Krieg
Die Gelder, die in die Bundeskasse des Delisch-Attischen Seebundes flossen, wurden neben den eigentlichen militärischen Ausgaben zum Ausbau Athens verwandt. Der so entstehende Dualismus zwischen Athen und Sparta führte zu einer bündnispolitischen Eskalation in Griechenland, indem andere Stadtstaaten ihre Politik an den beiden Großen und der Gesamtsituation ausrichteten.
In den annähernd »50 Jahren« (Pentekontaetie) zwischen der Schlacht von Plataiai 479 v. Chr. und dem Beginn des Peloponnesischen Krieges 431 v. Chr. labilisierte sich die Situation auch dadurch, dass der Gegensatz zwischen Sparta und Athen immer stärker auch in die inneren Auseinandersetzungen der griechischen Poleis hineinwirkte. Auslöser für den Peloponnesischen Krieg zwischen dem athenischen und spartanischen Bündnissystem waren schließlich Konflikte um Korkyra, Poteidaia und Megara, an denen Athen beteiligt war. In Athen nahm Perikles den Krieg in Kauf, um Sparta als Unterstützer von Austrittsbestrebungen innerhalb des Attischen Seebundes auszuschalten. Seine defensive Strategie der Preisgabe Attikas zugunsten von Flottenoperationen scheiterte nicht zuletzt am Ausbruch von Seuchen im belagerten Athen. Großangelegte Operationen unter Alkibiades in Sizilien scheiterten katastrophal, und so konnten die inzwischen mit den Persern verbündeten Spartaner Athen im Jahr 404 v. Chr. zu einer praktisch bedingungslosen Kapitulation zwingen. Der Krieg hatte für die griechische Poliswelt tief greifende Folgen – insbesondere auch militärischer Natur. Der Krieg selbst wurde durch den Peloponnesischen Krieg grundlegend modernisiert. Die Kriegsführung wurde flexibler, der schwer gepanzerten Hoplitenphalanx erwuchs durch gemischte Verbände aus leicht Bewaffneten ein bedrohlicher Gegner. Zudem hatte der Peloponnesische Krieg große Zahlen von Soldaten produziert, die kaum mehr in ein ziviles Leben einzugliedern waren und ein jederzeit für jeden mobilisierbares Reservoir an Söldnern bildeten. Neben Sparta, Athen, Korinth, Theben und anderen griechischen Poleis interessierte sich nun auch wieder das Perserreich für dieses Potenzial, mit dessen Hilfe man dort den Dauerzwist unter den griechischen Bruderstaaten anzuheizen und für seine Zwecke zu instrumentalisieren gedachte.
Athen und Attika
Athen war nach Sparta mit rund 2500 km2 der zweitgrößte Polisstaat im griechischen Mutterland. Ursprünglich war das Polisgebiet in vier Stammesphylen aufgeteilt, welche die Organisationsgrundlage für das militärische Aufgebot der Stadt darstellten. Zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. erarbeitete Solon eine Rechtsordnung, mit der die Gesellschaft der athenischen Polis auf eine neue Grundlage gestellt wurde. Im Jahr 546/45 errang Peisistratos endgültig die Tyrannis, die Alleinherrschaft über Athen. Durch die Herrschaft der Peisistratiden wurde die Macht des Adels beschränkt, Bauern und Stadtbevölkerung profitierten von populären Regierungsmaßnahmen. Athen wurde nicht zuletzt durch die öffentlichen Bauten und die Einrichtung von Zentralkulten in jener Zeit als Zentrum Attikas gestärkt. Allerdings wurde Sparta als peloponnesische Vormacht immer wieder in die inneren Auseinandersetzungen Athens verwickelt. Dagegen regte sich in der Bevölkerung Widerstand, den Kleisthenes im Jahr 508/07 für seine Reformen ausnutzen konnte. Er vergrößerte die Anzahl der Verwaltungseinheiten (Phylen) auf zehn, wodurch das System der vier Stammesphylen mit ihren alten Loyalitäten und Abhängigkeiten durchbrochen wurde. Attika wurde in die drei Bereiche Stadt, Land und Küste aufgeteilt. Das Kernstück der kleisthenischen Reform war der von den Phylen beschickte Rat der 500, wodurch ganz Attika im Rat Athens vertreten war. Mit dieser Reform war die Grundlage für die athenische Demokratie geschaffen, die sich allerdings im Jahr 506 erst gegen eine durch Sparta geführte Intervention durchsetzen musste. Dann wurde die erste Bürgerkolonie gegründet.
Der Aufstieg Makedoniens unter Philipp II.
Die Anfänge des makedonischen Aufstiegs lagen in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr., und ironischerweise waren es gerade die Perser gewesen, die den entscheidenden Anstoß dazu gegeben hatten.
Bis 513 v. Chr. hatte König Amyntas I. zunächst versucht, Makedoniens Beziehungen zu den griechischen Staaten zu verstärken. So bot er dem aus Athen vertriebenen Tyrannen Peisistratos (607–528) das zuvor eroberte Anthemus auf der Chalkidike an. Als aber 512 v. Chr. der Perserkönig Dareios I. (521–486) im Rahmen seiner Westoffensive die Unterwerfung Makedoniens forderte, gab Amyntas I. angesichts seiner eigenen Schwäche nach. In der Folgezeit bemühte sich sein Nachfolger Alexander I. zwar um Vermittlung zwischen den Persern und den Griechen, musste aber dennoch im Jahre 480 v. Chr. beim Zug des Perserkönigs Xerxes I. (486–465) Heeresfolge gegen die griechische Eidgenossenschaft leisten. Als Dank für diese Dienste erweiterte Xerxes auf dem Rückzug nach der Niederlage von Salamis 479 v. Chr. Makedonien um ein großes Gebiet zwischen den Flüssen Axios und Strymon. Die neue Machtstellung erlaubte Alexander die Hegemonie über die obermakedonischen Fürstentümer. Er baute Pella zur Hauptstadt aus und stärkte seine Armee durch die Einführung der Phalanx. Nach dem endgültigen Abzug der Perser bemühte er sich besonders um gute Beziehungen zu den Griechen. Im Peloponnesischen Krieg gelang es dem neuen Makedonenherrscher Perdikkas II., durch eine geschickte Schaukelpolitik zwischen Athen und Sparta die makedonischen Interessen zu wahren. In der Folgezeit modernisierte er die makedonische Gesellschaft und richtete sie an den griechischen Vorbildern aus. Nach ihm kam es zu zahlreichen Thronwirren und wechselnden Bündnissen mit griechischen Staaten, bevor nach dem Tode Perdikkas III. im Jahre 359 v. Chr. dessen Bruder Philipp auf den Thron kam. Philipp II. von Makedonien konnte seine Macht gegen starke innere Widerstände zunächst behaupten und schließlich festigen und ausbauen konnte.
Der Peloponnesische Krieg hatte durch sein Ausgreifen auf weite Teile Griechenlands in bis dahin weniger organisierten Gebieten Modernisierungsprozesse in Gang gesetzt. Besonders in Boiotien, Arkadien, Thessalien und Makedonien gelang die staatliche Verdichtung, die durch neue politische Formen wie den Bundesstaat oder die Monarchie die älteren Poleis mitunter in den Schatten stellen konnte. Durch die vergrößerte Anzahl handlungsfähiger Akteure wurden die konventionellen Ziele griechischer Politik (Hegemonie, Autonomie und Frieden) zunehmend unerreichbar. Die Verhältnisse destabilisierten sich zunehmend, weshalb sogar die Idee des »Allgemeinen Friedens« als Mittel der Machtpolitik eingesetzt wurde, indem man die Ausdehnung eines solchen Friedens durch gewaltsame Intervention versuchte. Es war daher kein Wunder, dass der erste tragfähige »Allgemeine Friede« der von Philipp II. durch Krieg gegründete Korinthische Bund des Jahres 337 v. Chr. war, in dem die Hegemonie Makedoniens über Hellas festgeschrieben wurde. Der Bund erklärte Persien den Krieg und übertrug Philipp II. als dem »bevollmächtigten Strategen« die Kriegführung. Doch zum geplanten Angriff auf die Perser kam es wegen Philipps Ermordung im Jahre 336 v. Chr. nicht mehr.
Die Welt Alexanders des Großen
Nach der Ermordung Philipps II. von Makedonien im Jahr 336 v. Chr. trat dessen Sohn Alexander seine Nachfolge als König Makedoniens und Hegemon von Hellas an.
Er war auf seine Position gut vorbereitet worden. Zunächst von seiner Mutter Olympias erzogen, erhielt er die entscheidende geistige Ausbildung durch Aristoteles. Daneben war er von seinem Vater Philipp frühzeitig an Staatsgeschäften und Feldzügen beteiligt worden. Nachdem er seine Herrschaft durch Niederschlagung von Revolten und die Eroberung und Zerstörung Thebens gesichert hatte, eröffnete er im Jahre 334 v. Chr. den Persienfeldzug. Neben dem Krieg gegen Persien marschierte Alexander der Große auch nach Ägypten, wo er begeistert empfangen wurde und als Nachfolger der Pharaonen Alexandria gründete. Nach dem endgültigen Sieg über die Truppen des persischen Großkönigs Dareios III. bei Gaugamela und dessen Ermordung im Jahre 330 v. Chr. stilisierte er sich als dessen Nachfolger. Alexander übernahm gegen eine starke makedonische Opposition das persische Hofzeremoniell und führte seinen Feldzug über Hindukusch und den Indus zurück nach Babylon. Bevor Alexander der Große weitere Pläne verwirklichen konnte, starb er dort im Jahr 323 v. Chr. Mit ihm verlor das Riesenreich den charismatischen Herrscher, auf den es zugeschnitten war – für eine Fortsetzung der Gesamtherrschaft gab es keinen geeigneten Nachfolger. Die makedonischen Hauptleute Alexanders versuchten, sich eigene Machtbereiche zu sichern, und so bildeten sich von 323–301 v. Chr. in Kämpfen mit wechselnden Koalitionen die Teilreiche der Alexandernachfolger (Diadochen) heraus, deren bedeutendste die des Seleukos und des Ptolemaios werden sollten.
Die hellenistische Staatenwelt im 3. Jahrhundert v. Chr.
Hellenismus als politisch-historischer Begriff umfasst die Geschichte des Alexanderreichs nach Alexanders Tod (323 v. Chr.) bis zu dem Zeitpunkt, da dessen Nachfolgestaaten dem Römischen Reich einverleibt wurden.
Die ältere kulturhistorische Bedeutung des Wortes meint die Ausbreitung griechischer Kultur und ihre Vermischung mit anderen Kulturen (im Osten wie im Westen), ein Prozess, den Alexander der Große und seine Nachfolger wesentlich förderten, dessen Beginn und Ende aber nicht eindeutig festliegen. Im Osten wurde die dünne Schicht der makedonisch-griechischen Eroberer und Einwanderer Träger der politischen und kulturellen Entwicklung. Dank ihr wirkte die kurze Zeit der Zugehörigkeit zum Alexanderreich in dessen höchst verschiedenartigen Teilgebieten nach und überlagerte die Eigentraditionen dauerhaft, womit man von einem »hellenistischen System« sprechen kann.
Politisch wurde die hellenistische Zeit in erster Linie von den aus den Kämpfen der Diadochen hervorgegangenen drei Monarchien der Antigoniden in Makedonien, Seleukiden in Asien und Ptolemaier in Ägypten, Südsyrien, der Cyrenaika, in Nordafrika sowie auf Zypern bestimmt. Das Verhältnis der drei Staaten prägten – je nach äußeren Bedingungen, militärischen Möglichkeiten und persönlichen Entscheidungen der Monarchen oder ihrer Freunde – bald hegemoniale Zielvorstellungen, bald Gleichgewichtspolitik. Stets suchte man Bündnisse mit den kleineren griechischen Staaten des Mutterlandes, der Inseln und Kleinasiens. Auch dynastische Hochzeiten waren politische Mittel. Die hellenistische Staatenwelt wurde vielfältiger, als in Kleinasien im 3. Jahrhundert v. Chr. neue Staaten auf seleukidischem Boden entstanden: Pergamon, Bithynien, Galatien, Kappadokien und Pontos. Seleukiden und Ptolemaier verbanden Herrschaftsformen der Achaimeniden bzw. Pharaonen, äußerlich am Zeremoniell und an der königlichen Tracht abzulesen, mit Elementen des makedonischen Königtums. So erhielten sich Gemeinsamkeiten mit den Antigoniden, die ihrerseits von der Entwicklung im Osten beeinflusst wurden. Einheit und Staatlichkeit des Herrschaftsgebiets beruhten auf der Person des Königs, der als das »lebendige Gesetz« absolut regierte. Die Legitimität seiner Herrschaft leitete sich ursprünglich aus dem Recht des »speererworbenen Landes« ab, für Makedonien auch außerhalb seiner Stammlande.
Kultur und Wissenschaft im Hellenismus
Der Hof einer hellenistischen Hauptstadt war zugleich das Zentrum der Herrschaft. Dort versammelte der König den Kronrat (Synedrion), dem als seine offiziellen »Freunde« hohe Offiziere und Beamte angehörten. Der Rat hatte keine fest umrissene Funktion, prägte dennoch politische Entscheidungen oft mit. Als Besitzer des Landes kraft Eroberungsrecht entlohnte der König nach Gutdünken den Adel mit Gütern, wies den Soldaten Ackerland zu und siedelte Kolonisten in den neu gegründeten Städten an. Zwar behielt er die Oberhoheit am Boden und konnte Schenkungen rückgängig machen, aber sie verringerten mit der Zeit das verfügbare Königsland. Trotzdem stellte dieses das größte Wirtschaftspotenzial des Landes dar, dessen Erträge zusammen mit Zöllen, Geldsteuern und Naturalabgaben in die königlichen Kassen flossen. Großen Gewinn zog der Monarch auch aus dem Handel, dessen staatliche Lenkung in Ägypten am weitesten ging (Monopole auf Öl und Wein, im Manufaktur-, Bank- und Transportwesen). Neue Häfen wurden angelegt; die Seleukiden pflegten und erweiterten das alte persische Straßennetz. Die Handelsbeziehungen reichten vom Westrand des Mittelmeers bis nach Indien und China.
Im Streben nach Prestigeerwerb entdeckten hellenistische Herrscher (vor allem die Ptolemaier) den ideologischen Nutzen der Wissenschaft. Den wissenschaftlichen Aufschwung trugen anfangs die Philosophenschulen. Überragend war der Einfluss des Aristoteles (384–322 v. Chr.), der mit seinem universalen Interesse die empirische Methode etablierte. Methodisches Schlüsselfach wurde die Mathematik, deren Beweisverfahren andere Disziplinen prägte. Euklid (365–310 v. Chr.) machte die Geometrie zur Leitwissenschaft, Archimedes (285–212 v. Chr.) wandte Mathematik und Physik zum Bau von Kriegsmaschinen an. Apollonios von Perge (260–190 v. Chr.) entwickelte die Lehre von den Kegelschnitten. Die Astronomie nahm babylonisches Wissen auf; Aristarchos von Samos (310–230 v. Chr.) entwarf ein heliozentrisches Modell des Sonnensystems, Hipparchos (194–120 v. Chr.) begründete die Trigonometrie und entdeckte die Präzession der Erdachse (Richtungsänderung der Achse während des Umlaufs um die Sonne). Gehirn, Organe und Nervensysteme von Tieren und Menschen wurden untersucht und erforscht, und die Medizin wurde allmählich zum »Massenfach« mit guten Berufsaussichten.
Die hellenistische Staatenwelt bis zum 2. Jahrhundert v. Chr.
Im 2. Jahrhundert v. Chr. drang Rom als weitere Großmacht in den griechisch-hellenistischen Raum des östlichen Mittelmeeres vor. In Griechenland selbst war Makedonien unter der Dynastie der Antigoniden zur Vormacht aufgestiegen.
Die Etablierung der Dynastie war Antigonos (II.) Gonatas (319–239 v. Chr.) im Jahr 272 v. Chr. gelungen. Im Jahre 221 v. Chr. kam Phi lipp V. (238–179 v. Chr.) auf den makedonischen Thron. Durch ein Bündnis mit Hannibal im Jahre 215 v. Chr. bezog er Stellung gegen Rom, das einem gegen Makedonien gerichteten Bündnis aus Elis, Messenien, Sparta und Attalos I. von Pergamon beitrat. Da Rom aufgrund seiner Erschöpfung im 2. Punischen Krieg jedoch keine Truppen entsenden konnte, blieb das antimakedonische Bündnis in seinem Bestreben, die makedonische Hegemonie einzudämmen, erfolglos. Allerdings hatte sich Rom damit auf eine Politik festgelegt, die gegen die Interessen der makedonischen Krone gerichtet war und es zugleich in die Zwistigkeiten der hellenistischen Reiche hineinzog. Im 3. Makedonischen Krieg von 171–168 v. Chr. gelang schließlich dem römischen Heerführer Lucius Aemilius Paullus die Niederwerfung König Perseus’. Nach einem Aufstand wurde Makedonien im Jahr 148 v. Chr. römische Provinz. Die kleinasiatischen Mittelmächte mussten zwischen den hellenistischen Großmächten lavieren, zu denen sich Rom gesellt hatte, was neue Bündnismöglichkeiten eröffnete. Zwar konnten Bündnisse mit Rom gegen die Expansionspolitik des Seleukidenreiches unter Antiochos III. (243–187 v. Chr.) helfen und die Unabhängigkeit sichern, doch begaben sich die kleinasiatischen Staaten damit in eine Abhängigkeit von Rom, die sich nicht immer auszahlte und etwa Pergamon auf den Rang eines römischen Klientelkönigreiches reduzierte. Das römische Verhältnis zu Antiochos III. war gespannt, weil dieser den 2. Makedonischen Krieg genutzt hatte, um seine Macht in Kleinasien auszubauen. Zudem hatte er den flüchtigen Hannibal aufgenommen und demonstrativ geehrt. 192 v. Chr. kam es zum Krieg zwischen Rom und dem Seleukidenreich, der im Jahr 188 v. Chr. mit der Niederlage Antiochos III. und dem Frieden von Apameia endete. Antiochos wurde bis zum Taurusgebirge zurückgedrängt, eine Eroberungen an die griechischen und kleinasiatischen Bundesgenossen Roms verteilt. Damit wurde Rom Garantiemacht der politischen Ordnung im östlichen Mittelmeer. Dass Attalos III. von Pergamon im Jahre 133 v. Chr. sein Reich an Rom vererbte, war in dieser Situation wohl nur eine Anerkennung der faktischen Situation. Damit ging das hellenistische Zeitalter in der Staatenwelt, in politischer Hinsicht, zu Ende und wich dem römischen Zeitalter. Geistig-kulturell wirkte der Hellenismus allerdings noch lange weiter. So war die Welt noch jahrhundertelang vom Hellenismus durchdrungen.
Das nördliche Kleinasien war von Alexander dem Großen nicht erobert worden. In Bithynien, Paphlagonien, Pontos und in Kappadokien herrschten auch während der Diadochenzeit starke Unabhängigkeitsbestrebungen. Aus dem Adel dieser Regionen gingen im 3. Jahrhundert v. Chr. einheimische Monarchien hervor. Daneben bildeten sich auch in Pergamon und Galatien Herrschaften neuer Mächte. Diese »Mittelmächte « traten neben die hellenistischen Großmächte und die kleinen griechischen Stadtstaaten an der kleinasiatischen Küste. Die Küstenstädte im Süden und Südwesten standen unter ägyptischem Einfluss und damit zwischen den Interessen der Ptolemäer und der Seleukiden. Die neuen Monarchien waren die kräftigsten Förderer des Hellenismus, der während des 3. und des 2. Jahrhunderts v. Chr. in unterschiedlicher Intensität nach Osten vordrang. Durch Bündnisse mit Rhodos und Attalos von Pergamon wurde schließlich Rom zu Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. in die Auseinandersetzungen zwischen den Mächten in der Region gezogen. Durch den Sieg über Makedoniens König Philipp V. im Jahre 197 v. Chr. avancierte es zur Garantiemacht des griechischen Status Quo. Damit geriet Rom in Gegensatz zum Seleukidenreich, das unter Antiochos III. seine Macht im Osten wieder bis an Indus und Hindukusch vorgeschoben hatte. Im Westen operierte Antiochos III. einerseits gegen das ptolemäische Ägypten, andererseits versuchte er, den seleukidischen Einfl uss auf die neuen Mittelmächte Kleinasiens auszudehnen. Nach dem Tod Attalos’ I. von Pergamon rückte er in pergamenische Positionen ein. Dies und Antiochos’ Vorrücken in Griechenland führte letztlich zum Krieg mit Rom. Antiochos III. verlor im Jahre 188 v. Chr. seine Gewinne in Kleinasien bis zum Taurusgebirge mit dem Frieden von Apameia wieder. Pergamon hatte sich zwar der Bedrohung durch das Seleukidenreich entledigt, war gleichzeitig aber in römische Abhängigkeit geraten. So war es nur folgerichtig, dass Attalos III., als er 133 v. Chr. kinderlos starb, sein Reich Pergamon an Rom vererbte. Weniger stabil sollte sich Roms Beziehung zu Pontos entwickeln. Dessen König Mithradates V. unterstützte die Römer im dritten Punischen Krieg und vergrößerte mit deren Billigung sein Reich um Kappadokien und Paphlagonien. Gegen die Expansionspolitik seines seit 120 v. Chr. regierenden Nachfolgers Mithradates VI. führte Rom dann ab 88 v. Chr. drei verlustreiche Kriege.
Quelle: DER GROSSE PLOETZ ATLAS ZUR WELTGESCHICHTE, 2009, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht