Ein Krimi aus der Wirklichkeit
Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem 20. Juli 1944 macht Manfred Lütz eine außergewöhnliche Entdeckung: Er findet die Autobiografie seines Großonkels Paulus van Husen. Was er darin liest, zieht ihn sofort in seinen Bann. Der bis dahin unbekannte Bericht eines Zeitzeugen, den es immer wieder an die Brennpunkte der Geschichte des 20. Jahrhunderts verschlagen hatte, ist von großer historischer Bedeutung und glänzend geschrieben.
Nichts deutete darauf hin, dass Paulus van Husen einmal zum Verschwörer werden würde. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte er unter anderem in Oxford und Genf noch ein unbeschwertes Studentenleben geführt, Sarah Bernardt auf der Bühne erlebt, das mondäne Strandleben auf Borkum genossen. Doch mit dem Ersten Weltkrieg, nimmt sein Leben eine erste Wendung. In einem Husarenstück eilt seine Elitedivision 1918 der Regierung Ebert in Berlin zu Hilfe. Als Mitglied der deutsch-polnischen Gemischten Kommission erlebt er beim Völkerbund in Genf Gustav Stresemann.
Mit den Nazis gerät er sofort aneinander. Wie er Goebbels und Keitel begegnet und dem eiskalten SS-Mörder Heydrich Auge in Auge widersteht, beschreibt er packend. Als Mitglied des Kreisauer Kreises hat er einen entscheidenden Moment mit dem Hitler-Attentäter Stauffenberg und am Ende überlebt er nur mit viel Glück. Nach dem Krieg wird er von Adenauer umworben und beschließt seine Karriere als erster Verfassungsgerichtspräsident Nordrhein-Westfalens.
Wie Paulus van Husen »dem Löwen auf den Schwanz tritt« und dann doch entwischt, das zu verfolgen, ist spannend wie ein Krimi.
In seiner Einleitung lässt Manfred Lütz nicht nur den Menschen Paulus van Husen noch einmal lebendig werden, er verweist auch auf die hohe Aktualität der abenteuerlichen Lebensgeschichte eines Mannes, der sich erhobenen Hauptes der Barbarei entgegenstellte.
Manfred Lütz im Interview
Wer ist Paulus van Husen, dessen Erinnerungen Sie in „Als der Wagen nicht kam“ veröffentlichen?
Ein unglaublich spannender Mann mit einer Lebensgeschichte wie ein Krimi: Er beschreibt höchst unterhaltsam und witzig sein Aufwachsen in der Kaiserzeit, nach dem Ersten Weltkrieg reitet er als Husar in wichtiger Mission zu Pferde in Berlin Charlottenburg ein, gerät in die internationale Diplomatie, wird Richter am preußischen Oberverwaltungsgericht, trifft persönlich die großen Nazis, obwohl er längst im Widerstand ist, wird schließlich Mitverschwörer beim Attentat auf Hitler, entgeht nur knapp dem Tod und wird am Ende der erste Verfassungsgerichtspräsident Nordrhein-Westfalens.
Wie ist dieser außergewöhnliche Lebensbericht in Ihre Hände gelangt?
Paulus van Husen war mein Großonkel. Ich habe ihn zwar leider nie persönlich kennengelernt, aber ich wurde sein Erbe und fand am Boden eines Schrankes seine bis dahin unbekannte Autobiographie.
Das Buch wird als „Krimi aus der Wirklichkeit“ beworben – was ist damit gemeint?
Ich habe alle erzählten Teile zusammengestellt, habe das dann abends begonnen korrekturzulesen und konnte einfach nicht mehr aufhören, so spannend und glänzend geschrieben ist das. Der bekannte Historiker Michael Stürmer hat bei der Vorstellung der Buches in der Berliner Bundespressekonferenz dasselbe gesagt: „Ich konnte das Buch gar nicht zumachen ...“
Abgesehen von ihrem hohen Spannungsgehalt - warum sind die Erinnerungen des Paulus van Husen für den heutigen Leser noch von Interesse?
Es ist historisch von hohem Interesse. Vieles, was er da erzählt, dafür gibt es nur ihn als Zeugen, zum Beispiel, als er dabei ist, wie Stauffenberg den Oberst Meichsner zu überreden versucht, das Attentat zu übernehmen – und der sich weigert. Stauffenberg und Meichsner sind nach dem 20. Juli 1944 ermordet worden.
Kann jemand wie Paulus van Husen für uns heute ein Vorbild sein?
Das Buch ist deswegen so aktuell, weil wir heute wieder Menschen brauchen, die den Mut haben, sich gegen Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit einzusetzen, gegen menschenverachtende Trends, die heute wieder zunehmen, damit nicht die Trumps, die Dieter Bohlens und Heidi Klums die Atmosphäre einer Gesellschaft bestimmen, für die nur Erfolg, Geld und der Größe-Sein eine Rolle spielen, so dass die Würde des Menschen, jedes Menschen, auf der Strecke bleibt.