Wilhelm der Eroberer - Englands Schicksal 1066
(Zeitschriftenausgabe)
G/Geschichte 9/2016
- Verlag Herder
- 1. Auflage 2016
- Bestellnummer: Z920096
Der Begriff »splendid isolation« (»großartige Abgeschiedenheit «) stammt zwar aus dem 19. Jahrhundert, doch die Idee war alles andere als neu. Bereits Anfang des 15. Jahrhunderts forderte »Das Büchlein der englischen Politik« Heinrich IV. dazu auf, das Meer zu beherrschen und den Menschen auf dem Kontinent zu misstrauen: Die Franzosen wären sowieso Englands Erbfeinde, die Venezianer trickreiche Betrüger, die Lombarden elende Wucherer und die Flamen allesamt ungehobelte Bauern, die beim maßlosen Biertrinken »unter den Tisch pissen«.
Dabei war England nach 1066 auf das Engste mit den Menschen jenseits des Kanals verbunden. Trug das Land vorher stark skandinavische Züge, schuf Wilhelm ein mitteleuropäisches England. Mit ihm kam eine Kultur auf die Insel, die von der Architektur bis zur Literatur französisch geprägt war. Jahrhundertelang standen Englands Könige mit einem Bein auf dem Kontinent. Der Name der englischen Fußballlegende Paul Gascoigne erinnert daran, dass Bordeaux und Teile der Gascogne erst 1453 für die französische Krone zurückerobert wurden.
Als dann 1558 mit Calais der letzte englische Vorposten auf dem Festland kapitulieren musste, hatte sich der Gezeitenwechsel im Kanal endgültig vollzogen: Was einst als Wasserstraße verband, trennte nun als nasser Schutzwall. Und an der gegenüberliegenden Küste lauerte oft der Feind auf seine Chance zur Invasion. Aber im Gegensatz zu Wilhelm sollten Napoleon und Hitler mit ihren Plänen zur Eroberung Englands scheitern. Winston Churchill charakterisierte seine Landleute als »Inselrasse« – der Brexit hat ihn bestätigt.