Jeden Abend beendete der Prophet Mohammed das Ramadan-Fasten mit einer Dattel, heißt es in der Überlieferung. Wenn am Montag der islamische Fastenmonat beginnt, werden Musliminnen und Muslime auf der ganzen Welt seinem Brauch folgen, bevor sie das Iftar, das Mahl des Fastenbrechens beginnen. Süßes hat Tradition im Ramadan. Die Aussicht auf typische Köstlichkeiten wie die Namura - honiggetränkten arabischen Grießkuchen -, den syrischen Milchpudding Mhalayeh oder das maghrebinische Spritzgebäck Zlabia erleichtert Gläubigen den strengen Verzicht auf Essen und Trinken zwischen der Morgendämmerung und Sonnenuntergang.
Weit weg von Mekka und Damaskus verbreitet sich derweil ein neuer Brauch: „Unsere Ramadankalender mit Naschwaren für Kinder sind ein Volltreffer", sagt Adrian Balbegi, Gründer des Dortmunder Unternehmens Sugargang, das Süßigkeiten aus der ganzen Welt vertreibt, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Angefangen haben wir vor zwei Jahren mit 2.000 Stück, in diesem Jahr haben wir schon 6.000."
Die Idee für den Kassenschlager sei ihm im Kundenchat mit muslimischen Kindern gekommen, die sich eine Art islamischen Adventskalender wünschten, berichtet Balbegi. Das Prinzip ist das gleiche wie beim weihnachtlichen Vorbild, nur dass die Ramadan-Variante 30 statt 24 Türchen bereithält, eines für jeden Abend des heiligen Monats. Dahinter warten Weingummi ohne Gelatine vom Schwein, Knabberzeug - und natürlich Schokodatteln. Alles Halal.
Doch nicht alle finden die süße Geschäftsidee gut. Im Internet erhalte er immer wieder negative Reaktionen von Muslimen, die ihm das Nachahmen christlicher Bräuche vorwerfen, sagt Balbegi. Obendrein wirkt das Design der Kalender wenig fromm, auf denen zwei Kids im Comic-Look den kleinen Kunden zuwinken. Trotzdem, so der Geschäftsmann mit halbiranischen Wurzeln: „Inzwischen haben wir bereits eine Anfrage aus Dubai."
Als „bid'a", Neuerung, bezeichnet die islamische Theologie Erfindungen, die sich nicht auf den Koran oder die Tradition des Propheten, die „sunna" zurückführen lassen. Viele gelten als haram, also verboten, andere als gut oder unerheblich. In der islamischen Glaubenspraxis gab es sie immer. Minarette entstanden in Anlehnung an syrische Kirchtürme und die islamische Gebetskette misbaha stammt aus dem hinduistischen Indien, genau wie der christliche Rosenkranz.
Selbst salafistische Youtube-Prediger treibt der Ramadankalender um. Aber die Lehrmeinungen gehen auseinander. Einige beurteilen den Pappkalender gelassen, weil er die islamischen Glaubensinhalte ja nicht in Frage stelle. Andere, die Allahs Willen ganz genau kennen, sehen rot wegen der Parallele zum „ungläubigen" Weihnachten. Kritisiert wird auch, dass der fromme Sinn des Ramadan durch Kommerzialisierung vernebelt werde. Balbegi meint: „Es ist ja niemand gezwungen, einen Ramadankalender zu kaufen und seinen Kindern eine Freude zu machen."
Die Fastenpflicht gilt für muslimische Jugendliche ab etwa 14 Jahren - nicht mehr so ganz das Alter für „Adventskalender". In vielen muslimischen Familien beginnen Kinder aber schon früher, zumindest tageweise auf Essen und Trinken zu verzichten. Pädagogen sehen das kritisch. Aber auch für Kinder, die noch nicht fasten, ist der Ramadan eine besondere, festliche Zeit. Am Schluss folgt das dreitägige „Zuckerfest", in diesem Jahr ab dem 10. April, die wichtigste islamische Freudenzeit nach dem Opferfest zum Abschluss der Wallfahrt nach Mekka.
Ramadankalender gibt es inzwischen in vielen Varianten, Preislagen und von etlichen Herstellern. Mit dem arabischen Schriftzug „Ramadan Mubarak" – „Gesegneter Ramadan" - oder orientalischen Bildmotiven stehen sie mittlerweile in vielen deutschen Supermarktketten im Regal. Auch Kalender mit Fächern zum Selberbefüllen verkaufen sich offenbar gut. In türkischen oder arabischen Geschäften sucht man sie dagegen stichprobenhalber meist noch vergeblich.
Von Christoph Schmidt
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