ArgentinienDiese Wahl ist für die Kirche eine Zäsur

Der Papst, der Erzbischof, die Armenpriester - sie alle warnten vor einer Wahl von Javier Milei in Argentinien. Trotzdem gewann der libertäre Ökonom. Nun muss das Verhältnis gekittet werden. Einer tat bereits den ersten Schritt.

Straße in Buenos Aires
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Die Erleichterung war Javier Milei anzusehen. Mitten in einem Interview mit der liberalkonservativen Zeitung „La Nacion" bekam der künftige Präsident Argentiniens die Nachricht, dass der Papst gerade anrufe. Also nahm sich der libertäre Ökonom die Zeit für ein Telefongespräch mit jenem Landsmann, den er in der Vergangenheit auch mal als Repräsentanten des Bösen bezeichnet hatte. Franziskus, so kritisierte Milei, habe die Linksautokratien Lateinamerikas nie verurteilt, also unterstütze er sie. Der Papst sei ein Sozialist. Und Sozialismus ist das, was Milei nach eigenen Angaben als den Feind der Menschheit identifiziert hat.

Der Anruf des so Gescholtenen am Dienstag hat zweierlei gezeigt. Franziskus beweist die Größe, auf jemanden zuzugehen, der ihn zuvor in die Ecke gestellt hat, und er befreit Milei gleichzeitig aus der für ihn unangenehmen Position, einen der populärsten Argentinier attackiert zu haben. Sichtbar erleichtert nahm Milei die Versöhnungsinitiative des Papstes an. Nun steht einem Besuch im kommenden Jahr nichts mehr im Wege. Mileis Gegnerschaft zu Franziskus mag während des Wahlkampfes Schlagzeilen produzieren, für ihn als Präsident ist eine Feindschaft zum Papst aus dem eigenen Land ein Image-Problem.

Deutlich schwieriger wird es für die katholische Kirche im Land, auf den neuen Präsidenten zuzugehen. Der Papst („Rattenfänger"), der Erzbischof (wie „Öl und Wasser"), die Armenpriester („Gefahr für die Demokratie") warnten vor einer Wahl Mileis und dem Bündnis der Libertären mit den Konservativen. Vor der Stichwahl lenkte die konservative Zeitung „Clarin" den Blick auf diesen besonderen Aspekt des Wahlkampfs und kommentierte: „Die Religionen waren so stark in den Wahlkampf eingebunden wie seit 1983 nicht mehr."

Doch in der Wahlkabine entschieden sich knapp zwei Drittel der Argentinier für einen Kurswechsel und gegen die Wahlempfehlung der Kirche. Für eine schmerzhafte Radialkur bestehend aus Privatisierungen, Deregulierungen und Entbürokratisierungen. Und damit auch ein Stück weit Ungewissheit. Milei sagte in dieser Woche: Es werden sechs sehr harte Monate kommen. Am deutlichsten war die Diskrepanz zwischen den in Buenos Aires sehr populären Armenpriestern und dem Milei-Lager. Dass aber auch in der armen Provinz Buenos Aires fast die Hälfte der Menschen für Milei stimmten, dürfte Padre Jose di Paola und all den anderen zu denken geben.

Mit seinem Anruf ebnete Franziskus nicht nur Milei den Weg zurück zu einer Beziehung auf Augenhöhe mit der Kirche, sondern auch den Armenpriestern. Die hatten angekündigt, sich so lange nicht mit Milei treffen zu wollen, bis sich dieser beim Papst entschuldigt habe. Nun hat der Papst von sich aus den ersten Schritt getan. Franziskus habe ihm gesagt, er bräuchte „Mut und Weisheit" für die Aufgabe. Man werde ihn mit allen Ehren als Staatsmann, aber auch als spirituelles Oberhaupt der Argentinier empfangen, sagte Milei mit einer nun auch offiziell ausgesprochenen Einladung. Die Armenpriester hatten noch gesagt, der Papst komme nicht, wenn Milei gewinnt.

Tatsächlich ist diese Wahl auch eine Zäsur: Noch nie hat sich die Kirche in Argentinien so eindeutig gegen einen Kandidaten und das libertär-konservative Bündnis ausgesprochen wie in diesem Jahr. Wenn aber trotzdem fast 60 Prozent den Stimmzettel dort ankreuzen, wo es die Kirche nicht will, dann hinterlässt das Narben. Eben diese knapp zwei Drittel werden sich fragen: Haben wir als libertär-konservative Menschen noch eine Heimat in einer nach links ausgerichteten Kirche? Die Antwort lieferte ausgerechnet Milei. Ein Papstbesuch könne helfen, ein derart gespaltenes Land zu befrieden. Und schob hinterher: „Argentinien ist ein katholisches Land." 

Javier Milei folgt auf Präsident Alberto Fernandez. Aufgrund fehlender Rückendeckung durch das regierende linksperonistische Lager und einer erfolglosen Amtszeit hatte er auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Das zweitgrößte Land Südamerikas wird derzeit von Jahresinflation von 143 Prozent und einer Armutsrate von rund 40 Prozent erschüttert. Offizieller Amtsantritt Javiers ist am 10. Dezember.

VonTobias Käufer
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