AustralienKontroverse Debatte um Aborigines in der Verfassung

In Australien nimmt die kontroverse Diskussion zur Aufnahme der Ureinwohner in die Verfassung Fahrt auf. Im Juni wird das Parlament die gesetzliche Grundlage für eine Volksabstimmung schaffen, in der die Australier später Ja oder Nein zu der "Voice to Parliament" sagen sollen. Immer deutlicher melden sich auch Religionen zu Wort.

Der Berg Uluru in Australien
© Pixabay

Im Wahlkampf 2022 versprach der damalige Oppositionsführer und heutige Premierminister Anthony Albanese die vollständige Umsetzung der "Uluru-Erklärung aus dem Herzen". Die Volksabstimmung über die Frage, ob eine indigene Stimme im Parlament in der Verfassung verankert wird, soll der erste Schritt auf dem langen Weg zur Umsetzung dieser Erklärung sein.

Die "Uluru-Erklärung aus dem Herzen" wurde am 26. Mai 2017 von Delegierten der "Nationalen Verfassungsversammlung" der australischen Ureinwohner am heiligen Berg Uluru - früher als Ayers Rock bekannt - veröffentlicht. Kernforderung sind eine "First Nations Voice" in der australischen Verfassung, eine Wahrheitskommission zur Aufarbeitung der Unterdrückung der Ureinwohner seit der Ankunft der weißen Kolonialherren sowie "Makarrata".

Das Wort aus der Sprache des Aborigine-Volkes der Yolngu bedeutet "Vertrag". "Das ist der Höhepunkt unserer Agenda. Es spiegelt unsere Bestrebungen nach einer fairen und ehrlichen Beziehung zur Regierung und einer besseren Zukunft für unsere Kinder auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Selbstbestimmung wider", heißt es auf der Webseite ulurustatement.org.

Die im Herbst zur Abstimmung gestellte "Voice to Parliament" soll ein in der Verfassung verankertes Gremium von Ureinwohnern sein, das Parlament und Regierung beraten soll. Die geplante Volksabstimmung und die Uluru-Erklärung haben in Australien glühende Befürworter und vehemente Gegner - auch unter den Ureinwohnern. Die katholische Kirche, lange Teil des Systems der Unterdrückung der Ureinwohner, setzt sich inzwischen für die Rechte der Aborigines ein. Zur Volksabstimmung aber hält sich die Bischofskonferenz aber noch bedeckt. Auf ihrer Vollversammlung im Mai appellierte sie an die Gläubigen, die Uluru-Erklärung zu lesen und zu diskutieren.

Der "Nationale Rat der australischen Imame" (ANIC) hingegen rief die Imame im ganzen Land auf, sich für die "Voice" einzusetzen. ANIC-Sprecher Bilal Rauf begründete die Unterstützung der Muslime mit der Bedeutung, die der Islam der Gerechtigkeit beimesse.

In einem Beitrag für den Sender ABC führten die Muslime Halim Rane, Professor für Islamstudien, die Muslima und Kulturwissenschaftlerin Debbie Bargallie vom Volk der Kamilaroi und Wonnaruat sowie der muslimische Ureinwohner und Sozial- und Kulturwissenschaftler Troy Meston religiöse, kulturelle und historische Gründe für die Unterstützung an.

"Die Beziehung zwischen indigenen Australiern sowie dem Islam und den Muslimen reicht Jahrhunderte vor der britischen Kolonialisierung zurück. Yolngu und andere indigene Völker im Norden Australiens trieben Handel und pflegten einen kulturellen Austausch mit Makassanern aus Indonesien", schrieben sie in ihren ABC-Stück. In Kultur, Mythologie und Religion der Yolngu und anderen Aboriginal-Völkern im Norden Australiens gebe es viele Bezüge zum Islam.

Im 19. Jahrhundert, so die drei Muslime, heirateten zudem afghanische Kameltreiber wie auch muslimische Inder Aborigine-Frauen. Die Inder waren als Gastarbeiter ins Land gekommen, während Kamele samt Treibern aus Afghanistan importiert wurden, weil die Wüstentiere vor dem Bau der Eisenbahn durch das Outback bestens für den Transport von Waren quer durch die endlosen Halbwüsten down under geeignet waren.

"Viele indigene Australier verbinden sich heute wieder mit ihrem muslimischen Erbe", heißt es in dem Artikel. Der Islam sei heute die einzige Religion, die unter indigenen Australiern zunimmt. Andere Religionen hingegen blieben laut Volkszählungsdaten von 2021 unverändert oder gingen zurück.

Als reflektierte Stimme in der mittlerweile kontroversen Debatte legt Celeste Liddle im Jesuitenmagazin Eureka Street unter der Überschrift "Stimmen jenseits von Ja und Nein" dar, weshalb sie noch nicht weiß, wie sie in dem Referendum abstimmen wird. Es sei "eine nationale Schande", dass "wir als Ureinwohner dieses Landes nie in der Verfassung anerkannt wurden", schreibt die Autorin und Gewerkschafterin vom Volk der Arrernte. Und fügt hinzu: "Doch als jemand, die sich seit langem in indigenen Bewegungen engagiert, bin ich nicht überzeugt."

Über die Jahre habe sie viele staatliche indigene Körperschaften erlebt, die "alle von einer Regierung nach der anderen zerrissen wurden". Daher sei sie sich nicht sicher, ob es einen Unterschied mache, wenn eine solche in die Verfassung aufgenommen wird.

Noch ist völlig offen, wie die "Voice to Parliament" umgesetzt wird, sollte sich bei dem Referendum eine Mehrheit dafür aussprechen. Es liegt bei Regierung und Parlament, nach dem Referendum Struktur der "Voice" zu bestimmen. Klar hingegen ist schon, dass die Vertretung der Aborigines kein Vetorecht haben wird, sollten Regierung und Parlament deren Beschlüssen nicht folgen. Offen ist zudem, ob und wann die Politik das Projekt der "Makarrata", also eines grundlegenden Vertrags, in Angriff nehmen wird.

"Für mich hat die harte Arbeit, echte Gleichheit in diesem Land zu erreichen und einen gesunden Weg nach vorne zu ebnen, gerade erst begonnen, unabhängig davon, wie das Referendum ausgehen wird und unabhängig davon, wofür ich mich letztlich entscheide", schreibt Liddle. Und sie fügt hinzu: "Ich hoffe wirklich, dass Australien diese Gelegenheit für Veränderung und Dialog nicht völlig zunichte macht, wie es so oft in der Vergangenheit der Fall war."

Von Michael Lenz
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