Der Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) hat in seiner letzten Sitzung der Aufnahme der deutschen Baptisten im "Bund Evangelisch-freikirchlichen Gemeinden", der Lutherischen Kirche in Nigeria, der presbyterialen Kirche Zentralafrikas und der internationalen Apostolischen Pfingstkirche zugestimmt. Der Generalsekretär des Bundes der deutschen Baptisten, Pastor Christoph Stiba, sagte zum Abschluss dieser Entwicklung: "Ich freue mich, dass mit dem Beschluss ein mehrjähriger Prozess nun mit Erfolg gekrönt wird."
Zahlreiche nationale Bünde von Baptistengemeinden in den Nachbarländern, mit denen die deutschen Baptisten in der "Europäischen Baptistischen Föderation" aktiv zusammenarbeiten, gehören längst dem ÖRK an. Auch die Baptisten in Deutschland sind ökumenisch engagiert. Sie waren 1948 eine der sechs Gründungskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) und haben ihre Offenheit zur Zusammenarbeit mit Christen anderer Kirchen schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch ihr hohes Engagement in der von London ausgehenden internationalen Evangelical Alliance gezeigt.
1926 waren sie eine der vier Mitbegründer der ersten verbindlichen zwischenkirchlichen Gemeinschaft in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen. Sie sind Mitglied in der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Die Frage, warum es bis zum Entschluss, sich dem ÖRK anzuschließen, so lange gedauert hat, ist berechtigt.
Im Hintergrund standen Probleme, die politisch in der Zeit des NS-Staates ausgelöst waren. Der frühere Bund der "Bund der Baptistengemeinden" hat in der Wirren Zeit des Nationalsozialismus zunächst den losen Verband der pentekostal orientierten Elim-Gemeinden schützend unter seine Flügel genommen.
Warum so spät im ÖRK?
Später folgte der bedrohte "Bund freikirchlicher Christen". 1942 änderten die Baptisten wegen der aufgenommenen Gemeinde ihre Selbstbezeichnung von "Bund Deutscher Baptistengemeinden" in "Bund Evangelisch-freikirchlicher Gemeinden". Der Zusammenschluss mit konservativ ausgerichteten Gemeinden beeinflusste längerfristig die Gemeinschaft autonomer Gemeinden. Für sie war es schwer, besonders im Blick auf eine Mitgliedschaft im ÖRK zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen, der von den Gemeinden getragen wurde. Man ließ sich von frommen Parolen beeinflussen, die behaupteten, der ÖRK würde eine Weltkirche organisieren und das könne ihre Unabhängigkeit antasten, was ihrem Prinzip der autonomen Einzelgemeinden völlig entgegenstand. Man fürchtete eine drohende Fremdbestimmung.
Manche freikirchlichen Christen waren auch zurückhaltend, weil die Ökumene natürlicherweise mit einem Zusammenwirken ihrer Gemeinden mit den Landeskirchen verbunden war, unter denen sie zeitweise zu leiden gehabt haben. Dies erklärt, warum in der jüngsten Vergangenheit die innerbaptistische Vorbereitung, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen, außerordentlich intensiv war. Die heutige Einschätzung der Rolle des ÖRK hat sich durch dessen Wirksamkeit anders dargestellt, als es zurzeit vor dessen Gründung weltweit durch die Ökumene-Kritiker außerordentlich aktiv dargestellt wurde.
Folgen scheint es im Zuge der Vorbereitung zur Beantragung der ÖRK-Mitglied auch gehabt zu haben, dass eine Anzahl jener Gemeinden, die das Schutzdach der damals schon als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Baptisten gesucht haben, sich inzwischen wieder getrennt haben. Trotzdem waren in die Antragstellung, wie es bei der Struktur eines Bundes in jeder Hinsicht autonomer Gemeinden notwendig ist, alle örtlichen Gremien so nachhaltig in einen Informationsfluss einbezogen, dass die Versammlung der Vertreter aller Gemeinden den Beschluss zur Mitgliedschaft im ÖRK problemlos fassen konnte.
Neue Erfahrungen aus deutscher Sicht
Es traf sich zufällig, dass im ÖRK-Zentralausschuss, dem höchsten Leitungsgremium des ÖRK, an dessen Sitzung schon seit Jahren auch Abgesandte der römisch-katholischen Kirche teilnehmen, erstmals der neugewählte Vorsitzende Bischof Heinrich Bedford-Strohm aus Deutschland die Leitung hatte. Im Rahmen dieser Sitzung kam er lebhafter in einen konkreteren Kontakt mit jenen Kirchen, die in Deutschland als die "kleinen Kirchen" bezeichnet und weniger im Blick der kirchlichen Öffentlichkeit stehen. Immerhin bilden in den Vereinigten Staaten von Amerika die Baptisten die größte protestantische Denomination.
Dazu kam, dass in Genf auch die methodistische Bischöfin Sally Dyck, die in ihrer Kirche Ökumene-Beauftragte des Bischofsrates ist, zur Vorsitzenden des gerade in der Ökumene wichtigen "Ausschusses für Konsens und Zusammenarbeit" berufen wurde. Sie ist eine Vertreterin aus einer Kirche des World Methodist Council (Weltbunds Methodistischer Kirchen), der weltweit etwa 80 Millionen Mitglieder ausweist, was zum Lutherische Weltbund mit seinen 78 Millionen nur einen kleinen Unterschied macht, der sich im ÖRK anders darstellt, als in den europäischen Staaten.
Die vier neu aufgenommenen Kirchen stehen zunächst bis zur nächsten Zentralausschuss-Sitzung 2025 satzungsgemäß in einer Zeit eines "Interims", in welcher sich ihre ökumenische Offenheit bewähren soll. Diese überschaubare Zeit einer Mitgliedschaft unter Vorbehalt schränkt aber eine Mitarbeit in den Gremien des ÖRK nicht ein.
Von Karl Heinz Voigt
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