Chaos in Haiti immer unberechenbarer Kriminelle kontrollieren das Land

Das bettelarme Karibikland Haiti kommt nicht zur Ruhe. Die ausufernde Bandengewalt sorgt für katastrophale Lebensbedingungen. Nun ist auch noch der Ministerpräsident verschollen - der Tod seines Vorgängers weiter ungeklärt.

Flagge Haiti
© Pixabay

Inmitten der jüngsten Ausschreitungen und Gewalt auf Haiti ist Ministerpräsident Ariel Henry verschwunden. Kenias Regierung versicherte, der Politiker sei am Wochenende nach einem Besuch in dem afrikanischen Land abgeflogen. Wohin, das weiß allerdings derzeit niemand so genau. In Kenia wollte sich Henry angeblich über die Fortschritte bei der Zusammenstellung einer internationalen Polizeimission informieren.

Die wäre dringend notwendig, um sein Land zu befrieden. Erst am Wochenende kam es erneut zu schweren Ausschreitungen. Bewaffnete Banden, die längst einen Großteil des Landes kontrollieren, stürmten mindestens ein Gefängnis und befreiten Hunderte Häftlinge. Das dürfte die ohnehin gefährliche Lage im Land noch unkontrollierbarer machen. Besonders Mädchen und Frauen leiden unter der Gewalt, es kommt immer wieder zu Vergewaltigungen und Misshandlungen durch die Banden.

Vor allem rund um den Flughafen in der Hauptstadt Port-au-Prince nahm laut Beobachtern die Zahl von Schießereien zu. Offenbar wollen die mächtigen Banden verhindern, dass Ministerpräsident Henry dort wieder landen kann. Das Nachbarland Dominikanische Republik hat bereits alle Flüge nach Haiti gestrichen, weil die Lage unkontrollierbar sei. Zudem berief Präsident Luis Abinader den nationalen Sicherheitsrat ein, um sich „für das Chaos in Haiti" zu wappnen, wie es aus der Dominikanischen Republik heißt. Das Land verfolgt angesichts der aktuellen Vorkommnisse eine rigorose Grenzpolitik samt Bau einer Grenzmauer.

Die weitere Eskalation begann in der vergangenen Woche, nachdem der Premierminister der Bahamas, Philip Davis, während des Karibik-Gipfels (Caricom) in Guyana erklärte, Henry habe zugesagt, bis zum 31. August 2025 Wahlen abzuhalten. In Haiti fordern allerdings zahlreiche Bewegungen dessen sofortigen Rücktritt.

Die katholischen Bischöfe in Haiti hatten jüngst von einer der schwersten Krisen des Landes berichtet. Haiti stehe unter der Herrschaft skrupelloser Banden, die Angst und Schrecken verbreiteten und Hunderte Familien in Trauer versetzten: „Seit vier Jahren erlebt unser Land eine der längsten und tödlichsten sozio-politischen und sicherheitspolitischen Krisen seiner Geschichte. Das ganze Volk, das ganze Land, ist zutiefst betroffen. Der Staat hat die Kontrolle über das Staatsgebiet verloren", so die Bischöfe. Die Bevölkerung sei der „gnadenlosen Gewalt der Banden und ihrer Verbündeten" ausgeliefert.

Die humanitäre Krise in Haiti hat zuletzt immer größere Ausmaße erreicht. Das Land leidet laut UN-Angaben unter einer noch nie dagewesenen Nahrungsmittelknappheit. Fast die Hälfte der Bevölkerung, etwa 4,9 Millionen Menschen, habe nicht genug zu essen, um gesund zu überleben. Haiti gilt ohnehin als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Es wurde in den vergangenen Jahren von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen erschüttert, zuletzt kam eine Cholera-Welle hinzu, die Hunderte Tote forderte.

Neben der Hungersnot leidet Haiti unter einer außer Kontrolle geratenen innenpolitischen Krise. Im Juli 2021 wurde Staatspräsident Jovenel Moise von bislang unbekannten Tätern ermordet, Neuwahlen sind seit Jahren ausgesetzt. Die politischen Kräfte gelten als hoffnungslos zerstritten. Das Nachbarland Dominikanische Republik hatte als Folge eines diplomatischen Streits sowie wegen anhaltender Migrationsprobleme schon früher wiederholt die Grenze geschlossen. Die Vereinten Nationen wollen eine internationale Sicherheitsmission nach Haiti schicken, kommen bei dem Vorhaben aber nicht wirklich voran.

Von Tobias Käufer
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