Kinder sollen besser vor Missbrauch geschützt und die Aufarbeitung von Missbrauch verbessert werden. Hierzu hat die Bundesregierung am Mittwoch einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Lob für die geplanten Änderungen kam unter anderem von den katholischen Bischöfen in Deutschland. Die Betroffenen-Initiative Eckiger Tisch zeigte sich verhaltener.
Künftig soll das Amt der Missbrauchsbeauftragten dauerhaft gesichert und aufgewertet werden. Dazu gehört ein regelmäßiger Bericht zum Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, Prävention, Unterstützungsangebote sowie Forschung und Aufarbeitung. Auch will die Regierung einen Arbeitsstab sowie den Betroffenenrat und die unabhängige Aufarbeitungskommission gesetzlich verankern. Weiter sollen Betroffene Akteneinsicht bei den Jugendämtern erhalten. Der Bund will darüber hinaus ein Beratungssystem für Betroffene einrichten.
Paus: Zu viele Kinder von Missbrauch betroffen
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, jeden Tag seien in Deutschland noch immer viel zu viele Kinder von sexuellem Missbrauch betroffen. Laut Kriminalstatistik der Polizei seien es im vergangenen Jahr an jedem Tag im Schnitt 50 Kinder gewesen. Sexueller Missbrauch passiere vor allem im nahen Umfeld - in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Freizeit. Hier brauche es mehr Prävention.
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, sprach von einem besonderen Tag. Das wichtigste politische Instrument des neuen Gesetzes sei die Berichtspflicht ihres Amtes gegenüber Parlament und Bundesregierung. Diese stelle sicher, dass das Thema Missbrauch "in seiner ressortübergreifenden Bedeutung tatsächlich im politischen Handeln verankert ist". Ebenfalls wichtig sei, dass das Dunkelfeld der bislang nicht erfassten Taten erforscht und erhellt werden solle. Claus bezeichnete auch den bei ihr angesiedelten Betroffenenrat und die ebenfalls bei ihr angedockte Aufarbeitungskommission als elementare Säulen.
Aufarbeitungskommission sieht "Meilenstein"
Die aktuelle Aufarbeitungskommission begrüßte den Gesetzentwurf als „Meilenstein". Die Kommission werde mit der Pflicht, regelmäßig über den Fortschritt der gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitung zu berichten, „zur konstruktiven Mahnerin und Impulsgeberin für Politik und Zivilgesellschaft". Allerdings müsse die ehrenamtlich arbeitende Kommission finanziell und personell besser ausgestattet werden.
Nötig sei auch, die Rechte Betroffener weiter zu stärken. „Keine Institution in Staat und Gesellschaft darf sich der Aufarbeitung verweigern", erklärte die Kommission. Das Akteneinsichtsrecht dürfe nicht nur für die Kinder- und Jugendhilfe gelten, sondern müsse auch andere Bereiche wie Schule, Sport und Kirchen einbeziehen. Der aktuelle Betroffenenrat erklärte, das Gesetz sei "ein erster Schritt".
Dialogbereite Bischöfe
Der Aachener Bischof Helmut Dieser lobte im Namen der Deutschen Bischofskonferenz die neu geplanten dauerhaften Standards im Kampf gegen sexuellen Missbrauch – „insbesondere im Bereich der Enttabuisierung, der Aufarbeitung und der Prävention". Die Bischöfe blieben im guten Austausch und Dialog mit den staatlichen Aufarbeitungsstellen. „Prävention und Aufarbeitung von Kindesmissbrauch in unseren eigenen Reihen haben nach wie vor höchste Priorität", so Dieser.
Matthias Katsch, Sprecher der Initiative Eckiger Tisch, die Betroffene sexualisierter Gewalt im Kontext der katholischen Kirche vertritt, hofft indes, dass im parlamentarischen Verfahren noch weitere Verbesserungen für Betroffene erwirkt werden können. „Dies gilt insbesondere für den Bereich der institutionellen Aufarbeitung und im Hinblick auf den katholischen Missbrauchsskandal", so Katsch. Das betreffe etwa die Befugnisse der Aufarbeitungskommission. Auch erwarte die Initiative weitere Impulse zur Entschädigung Betroffener.
Von Alexander Riedel und Anna Mertens
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