Wer sich dem Klosterkomplex Arnstein in Obernhof, nicht weit von Limburg hoch über der Lahn gelegen, nähert, wird von dem prachtvollen, schon von Weitem sichtbaren Bau beeindruckt sein. Im Juni 2019 begann ein neuer Abschnitt in der Klostergeschichte, denn nun bezog eine griechisch-orthodoxe Schwesterngemeinschaft das Kloster. Seitdem heißt es "Heiliges Kloster Dionysios Trikkis & Stagon" und ist als "Verein zur Förderung orthodoxen Mönchtums in Deutschland" beim Amtsgericht Montabaur eingetragen. Die Schwesternschaft in Arnstein steht unter Leitung der Äbtissin (Gerontissa) Diodora, die 1964 als Charlotte Stapenhorst in Göttingen geboren und durch das Buch "Meine Freundin, die Nonne" von Ilka Piepgras in Deutschland bekannt wurde und die 2017 auch die griechische Staatsangehörigkeit erhalten hat.
Das von ihr geführte Kloster gehört zur geistlichen Gemeinschaft des griechischen Starzen Archimandrit Dionysios (Georgios Kalambokas), geboren 1950 in Trikala. Er hat ein internationales Netzwerk von Anhängern aufgebaut, das monastische Niederlassungen in Griechenland und anderen Ländern umfasst und ihn als geistlichen Vater verehrt, denn - wie es einmal eine seiner Äbtissinen, Archontia, formulierte: "Er ist die Person, auf deren Gesicht wir Jesus Christus gesehen haben".
So scheint auf den ersten Blick für das Kloster Arnstein wie für die Orthodoxie in Deutschland eine neue segensreiche Zeit gekommen zu sein - wenn es da nicht einige Unklarheiten gäbe. Anzumerken ist nämlich leider, dass Archimandrit Dionysios eine alles andere als unumstrittene Gestalt ist, die über die Zeit zu mehreren griechischen Jurisdiktionen gehörte: So legte er Entlassungsurkunden des Jerusalemer Patriarchen Diodoros vom 26.3.1996 und des damaligen Metropoliten von Theben und Levadia, Hieronymos Liapis (heute Erzbischof von Athen und ganz Griechenland), vom 15.9.2003 vor. Dionysios lebte dann zwar weiterhin in Griechenland, fand aber 2019 Aufnahme in die Metropolie von Kamerun und Westafrika unter Metropolit Gregorios Stergiou des Alexandrinischen Patriarchats.
Mehr noch: Ein griechisches Kirchengericht erster Instanz verhängte eine siebeneinhalbjährige Suspension, der Prozess kletterte von einer Justizstufe zur anderen empor, bis im Juni 2022 das Oberste Kirchengericht in Athen eine endgültige Laisierung wegen kanonischem Ungehorsam verhängte. Abt Dionysios konnte unter Berufung auf seine schwere Erkrankung eine Aussetzung dieses harten Urteils erwirken; das Ökumenische Patriarchat hat diese Annullierung promulgiert. Unbestreitbar ist wohl, dass der Archimandrit immer wieder Probleme mit der zuständigen bischöflichen Jurisdiktion hatte - und ebenso auch seine Gefolgschaft.
Er beschränkte sich keineswegs auf eine Arbeit in Griechenland, sondern gilt nach deren Aussagen als Gründer und geistlicher Vater von 21 monastischen Kommunitäten (7 in Griechenland, 3 in Amerika, 2 in Kamerun, weitere in Europa). Ein Teil der Gemeinschaften unterstand wohl eine Zeitlang der Georgischen Kirche; ihnen wurde aber von Katholikos Ilja II. (angeblich auf Forderung von Patriarch Bartholomaios bei der Synaxis in Chambésy) schon am 10. Oktober 2016 die kanonische Entlassung erteilt (zumindest den Klöstern in Norwegen und Island). Sie zelebrierten aber weiterhin auf einem georgischen Antimins und waren laut ihrem Briefbogen ein "Patriarchales Stavropegiales Kloster" der Georgischen Kirche. In Europa gehören zu diesem Netzwerk laut eigenen Angaben mehrere zum Teil historische Klosteranlagen. Offensichtlich verfügt die Gemeinschaft über Sponsoren beziehungsweise erhebliche finanzielle Mittel, die es ihr ermöglichen, auch bedeutende Baulichkeiten wie das Kloster in Arnstein in Deutschland und das in Beinwil in der Schweiz anzumieten, zu restaurieren und in einem beeindruckend guten Zustand zu unterhalten.
Die Nonnen, die jetzt Arnstein besiedeln, fanden, als es vor einigen Jahren auch für sie Probleme mit dem zuständigen Ortsbischof Timotheos Anthis in Griechenland gab, durch Vermittlung des inzwischen verstorbenen Metropoliten Amfilohije von Montenegro zuerst kurzfristig Aufnahme in einem Kloster in Nordserbien und dann durch den damaligen Diözesanadministrator Bischof Andrej Čilerdžić von Österreich und Italien in Deutschland im serbischen Zentrum in Himmelsthür, also relativ nahe der Heimat ihrer Vorsteherin. Als die serbische Kirche 2018 einen neuen regulären Diözesanbischof für Deutschland ernannte, Sergije Karanović - inzwischen Diözesanbischof von Bihać and Petrovac, zeigte dieser aber kein Interesse, die Nonnen weiter dort wirken zu lassen, so zumindest deren Narrativ. Es gab aber wohl schon damals auch Probleme mit der Einpassung in die Diözese. Daraufhin hätten sie sich Metropolit Isaak Barakat unterstellt, was die Antiochenische Metropolie im März 2019 auch offiziell bekanntgab. Dieser habe sie aber nur vorerst für ein Jahr aufgenommen - und lehnte zudem ab, dem Starzen Dionysios besondere Rechte in Bezug auf die von den Nonnen geforderte exklusive geistliche Führung durch ihn einzuräumen und dies auch öffentlich zu bekunden. So sei aus der zitierten Ankündigung vom Metropoliten jeder Hinweis auf Dionisios gestrichen worden, was kanonisch völlig normal war, für die Schwestern aber unerlässlich gewesen sei.
Daher fühlte man sich auch dort bald nicht mehr willkommen und suchte wieder nach einer neuen Jurisdiktion, die bereit gewesen wäre, die besondere Bindung der Nonnen an Dionysios und dessen alleinige geistliche Führung zu akzeptieren. Dies galt und gilt offensichtlich nicht nur für das Kloster Arnstein und die Nonnen in Deutschland, sondern für die ganze internationale Föderation der Klöster der Gemeinschaft, wobei man am liebsten für die Klöster den Status von Stauropigien anstrebte, also eine wirkliche Unterstellung unter die Ortsbischöfe vermeiden wollte. Unter diesen Bedingungen war kein Bischof in Deutschland bereit, die Gemeinschaft aufzunehmen, nachdem er sich kundig gemacht hatte. Zumindest blieben Kontaktnahmen zu einigen von ihnen letztlich erfolglos. Auch der Versuch einer Übernahme durch das auch in Deutschland vertretene Erzbistum der Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa unter Metropolit Jean Renneteau von Dubna noch 1922 erwies sich als kurzlebig.
Das Problem war dabei immer wieder nicht das monastische Leben der Nonnen an sich, die ihre Gottesdienste vor allem in Griechisch und Deutsch feiern, sondern deren ausschließliche spirituelle Anbindung an ihren Starzen Dionysios - und dieser ist nun einmal problematisch. Sein Werk wurde in Griechenland wie auch im Ausland vielfach kritisiert und in etlichen Presseartikeln negativ behandelt, wobei einige ihm einen rechtsgerichtete Autoritarismus vorwerfen, der zu einer Reihe von Skandalen im Zusammenhang mit Betrug und Grausamkeit gegenüber den in den Klöstern dieser Gemeinschaft lebenden Kindern geführt habe.
Inwieweit diese Anschuldigungen begründet sind oder auch teilweise auf skandalorientiertem Journalismus beruhen, ist kaum hinreichend zu beurteilen, aber das seriöse, für seine gut dokumentierten Analysen bekannte russische Informartions- und Konsultativ-Zentrum für Religionsstudien "Heilige Märtyrer Irenäus von Lyon" unter der Leitung von A.L. Dvorkin, das sich intensiv mit "neuen religiösen Bewegungen, Sekten und Kulturen" beschäftigt, stuft immerhin die Gemeinschaften um Dionysios als nahezu "orthodoxe Sekte" und den Gründer als "Neoguru" oder "Pseudostarzen" ein.
Wie dem auch sei: Jedenfalls hat das Kloster Arnstein schon seit Jahren keine ordentliche und länger bestehende kanonische Anbindung an eine orthodoxe Jurisdiktion und gehört zu keiner orthodoxen Diözese in Deutschland - und vermeidet übrigens auch in all seinen Ankündigungen, Interviews etc. jeden Hinweis auf eine Zugehörigkeit. Es ist daher auch unklar, von welchem Bischof die Kleriker, die von Zeit zu Zeit im Kloster amtieren, die Weihen empfangen haben beziehungsweise zu welchem Bistum sie selbst jetzt gehören. Da bleiben viele Fragen offen.
Von Nikolaj Thon
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