Schon Kaiser Konstantin befand, dass der Sonntagsarbeit ein Riegel vorgeschoben werden müsse. 321 trat ein entsprechendes Verbot in Anlehnung an die biblische Sabbatruhe in Kraft. Der Gedanke dahinter: Auch Knechten und Sklaven sollte es möglich sein, an den sonntäglichen Gottesdiensten teilzunehmen. Doch erst während der Industrialisierung weitete sich der Blick. Es ging nicht mehr nur um die Ausübung sonntäglicher religiöser Pflichten, sondern auch um den Schutz der Arbeitnehmer.
Bis heute verfechten beiden großen Kirchen in Deutschland die im Grundgesetz garantierte Sonntagsruhe. Denn die wird von verschiedenen Seiten immer wieder angefragt. Neben der Debatte, möglicherweise das Verbot der Sonntagsarbeit zu lockern, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auch Fragen ums Feiertagsrecht zugespitzt.
Denn Juden und Muslime können sich zwar oftmals an den hohen Feiertagen ihrer Religion von Schule und Arbeit befreien lassen – eigene gesetzliche Feiertage, die für die ganze Bevölkerung gelten, gibt es allerdings nicht. Am muslimischen Zuckerfest etwa, dem Abschluss des Fastenmonats Ramadan, oder am jüdischen Tag der Versöhnung, Jom Kippur, geht der übliche Alltag in Deutschland seinen Gang.
Die aktuelle Regelung geht nicht allen weit genug. Für viel Wirbel sorgte 2017 eine Aussage des damaligen Bundesinnenministers Thomas de Maiziere (CDU). Er sei bereit, über die mögliche Einführung eines muslimischen Feiertags zu reden, sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung. Die Emotionen in Kirche, Politik und Gesellschaft kochten hoch. TV-Legende Thomas Gottschalk kommentierte das Geschehen mit einem Tweet. Und de Maiziere ruderte zurück und fühlte sich falsch verstanden.
Nun gewinnt die Debatte wieder an Fahrt, wenngleich deutlich weniger öffentlichkeitswirksam als vor sechs Jahren. Grund ist ein Vorstoß des Berliner Tikvah-Instituts. Die Einrichtung, die sich den Kampf gegen Antisemitismus auf die Fahne geschrieben hat, veröffentlichte kürzlich einen Vorschlag für eine Änderung des nordrhein-westfälischen Feiertagsrechts.
Das Papier sieht unter anderem vor, dass bekenntniszugehörige Schülerinnen und Schüler an jüdischen Feiertagen und am Schabbat auch ohne Antrag freibekommen, Studierende Ersatztermine für Prüfungen erhalten und Beschäftigte unbezahlt der Arbeit fernbleiben dürfen. Koschere Lebensmittelläden sollen sonntags öffnen dürfen als Ausgleich dafür, dass sie am Samstag, dem jüdischen Ruhetag, die Türen geschlossen lassen.
Die Religionsfreiheit schütze zwar die jüdische Religionsausübung, schreiben die Experten weiter. Sie kritisieren sodann, dass sich die Feiertagsgesetze der Länder überwiegend nach einem christlichen Feiertagsverständnis richteten. Konkret schlagen sie vor, auch der Schabbat – der jüdische Ruhetag, der von Freitagabend bis Samstagabend dauert – solle einem Schutz unterliegen.
Auf Grundlage des Papiers diskutierten vor wenigen Wochen nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete von CDU, Grüne, FDP und SPD in Räumen der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Einig waren sich alle, dass jüdische Feiertage mehr Beachtung finden müssten. Am weitesten ging jedoch Sven Wolf (SPD), der die Frage aufwarf, ob es nicht auch einen gesetzlichen Feiertag für ein jüdisches Fest geben sollte.
Rein theoretisch wäre das in NRW möglich – denn die Feiertagsregelung ist Sache der Länder. Lediglich die Sonntagsruhe ist im bundeseinheitlichen Arbeitszeitgesetz festgeschrieben und der Tag der Deutschen Einheit bundesweit geregelt. Ein Großteil der Feiertage sind dennoch in allen Ländern einheitlich, dazu zählen etwa die Weihnachtstage, Neujahr, Karfreitag und Ostermontag sowie der Tag der Arbeit (1. Mai).
Besonderheiten gibt es jedoch auch immer wieder: In Bayern ist nur in Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung Mariä Himmelfahrt (15. August) ein gesetzlicher Feiertag. Hier wird in den kommenden Jahren der genaue Blick lohnen - denn auch im katholischsten aller Bundesländer brechen die Katholiken weg. Lag ihr Anteil an der Bevölkerung 2021 mit gut 6 Millionen noch bei 45,7 Prozent, sank ihre Zahl im vergangenen Jahr durch Austritte auf nur noch 5,8 Millionen.
Die bayerische Regelung zum 15. August gefällt dem Deutschen Gewerkschaftsbund in Mittelfranken nicht, worauf die "Herder Korrespondenz" jüngst verwies. Der DGB plädierte kürzlich dafür, den Feiertag für ganz Bayern einheitlich zu gestalten – eine unterschiedliche Behandlung auf Basis der Religionszugehörigkeit sei in Zeiten von immer mehr nicht-christlichen Menschen nicht mehr zeitgemäß.
Ob aus einem Rückgang des christlichen Bevölkerungsanteils notwendigerweise ein christlicher Feiertag für alle resultieren sollte, sei einmal dahingestellt. Dennoch trifft die Anfrage einen Nerv: Die einst religionsbezogenen Feiertage haben sich vielerorts längst von ihrem Ursprung fortbewegt und sind zu eher kulturellen Größen geworden. Das belegen nicht zuletzt jährliche Umfragen und Statistiken, die das Wissen zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Co. genau wie den Kirchgang an diesen Tagen abfragen.
Die Debatte um muslimische Feiertage wird wohl ebenfalls weitergehen – nicht zuletzt deshalb, weil sie auch innerhalb der Religionsgemeinschaft umstritten sind. In Bremen, Hamburg und Berlin sind manche muslimischen Feiertage wie das Opferfest zwar den christlichen im Sinne eines religiösen Feiertags gleichgestellt. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Einwohner dieser Länder an den Tagen frei haben. Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat im Sommer mit den Islamverbänden Verhandlungen zu einem Grundlagenvertrag aufgenommen. Welche Regelungen dort zur Feiertagspraxis gefunden werden, ist derzeit offen.
Dass auch christliche Feiertage nicht in Stein gemeißelt sind, zeigt der Blick aufs Nachbarland Österreich. Dort wurde 2019 der Karfreitag als gesetzlicher Feiertag für Protestanten und Alt-Katholiken keine 65 Jahre nach seiner Einführung wieder abgeschafft. In Deutschland musste 1995 der Buß- und Bettag als gesetzlicher freier Tag weichen – als Beitrag zur Finanzierung der Pflegeversicherung.
Von Annika Schmitz
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