IsraelIsraelische Minister kritisieren Urteil zu Justizreform

Israels Oberstes Gericht hat einen wichtigen Eckpfeiler der Justizreform gekippt. Die Reaktionen auf das Urteil reichen von Vorwürfen bis zu Erleichterung. Gegner wie Befürworter befürchten eine Spaltung in Kriegszeiten.

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Mitglieder der israelischen Regierungskoalition haben dem Obersten Gericht des Landes rechtswidriges und unverantwortliches Handeln vorgeworfen. Sie kritisierten die Entscheidung der Richter von Montagabend, einen Eckpfeiler der Justizreform zu kippen, wie israelische Medien berichteten. Die Richter hatten die im Juli vom Parlament verabschiedete Aufhebung der Angemessenheitsklausel für ungültig erklärt, die die Machtbefugnisse des Gerichts deutlich einschränken sollte.

Justizminister Jariv Levin warf den Richtern laut Berichten vor, „alle Befugnisse in ihre Hände zu nehmen, die in einer Demokratie zwischen den drei Regierungszweigen aufgeteilt sein sollten". Er bezeichnete das Urteil als beispiellos in der demokratischen Welt und erklärte, es werde die Regierung nicht aufhalten. Kritik übte Levin auch an dem Zeitpunkt des Urteils. Das Gericht zeige „das Gegenteil von dem Geist der Einheit, der in diesen Tagen für den Erfolg unserer Soldaten an der Front erforderlich ist".

Die Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte laut Medien, die Entscheidung des Gerichts stehe „dem Willen des Volkes zur Einheit entgegen, insbesondere in Kriegszeiten". Auch die ultraorthodoxe Schas-Partei sieht das Präzedenzurteil als problematisch an. Es höhle den Grundsatz der Gewaltenteilung weiter aus, beschädige die Stellung des Parlaments und schwäche das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Rechtssystem.

Finanzminister Bezalel Smotrich, Vorsitzender der rechtsextremen Partei „Religiöser Zionismus", warf dem Gericht unverantwortliches Handeln gegenüber der Gesellschaft vor „zu einer Zeit, in der wir alle an der Front und zu Hause für den Sieg vereint sind". Das Urteil sei „extrem, spaltend und ohne Autorität". Der Minister für nationale Sicherheit, der Rechtsradikale Itamar Ben-Gvir, sprach von einem „gefährlichen und antidemokratischen Ereignis" ohne Rechtsgrundlage, das die Kriegsanstrengungen des Landes untergrabe.

Kriegskabinettsmitglied Benny Gantz mahnte am Montagabend auf der Plattform X, es sei nicht die Zeit für politische Auseinandersetzungen. Das Urteil der obersten Richter müsse respektiert werden. Nach dem Krieg gelte es, mit breiter Zustimmung ein Gesetz zu erlassen, welches auch den Status der Grundgesetze verankern werde. Der Staat Israel hat bisher keine endgültige Verfassung.

Oppositionsführer Jair Lapid begrüßte das Urteil auf X als „einzige Entscheidung, die [das Gericht] unter diesen Bedingungen treffen konnte". Gleichzeitig machte er den durch die Justizreform ausgelösten innerisraelischen Konflikt mitverantwortlich für das „Desaster vom 7. Oktober", als Terroristen der Hamas aus dem Gazastreifen nach Israel eindrangen und rund 1.200 Menschen ermordeten sowie rund 240 Menschen entführten (vgl. HK, Dezember 2023, 28-30).

Begrüßt wurde das Urteil auch von der „Bewegung für Regierungsqualität in Israel", die zu den Hauptpetenten gegen das Gesetz gehörte. Es sei ein „enormer öffentlicher Sieg für diejenigen, die die Demokratie suchen".

In einem beispiellosen Schritt hatten alle 15 Richter des Obersten Gerichts an der Entscheidung mitgewirkt. Das Urteil fiel mit einer knappen Mehrheit von acht zu sieben Stimmen. Gleichzeitig urteilten zwölf der 15 Richter, dass das Gericht unter bestimmten Umständen das Recht habe, Grundgesetze aufzuheben, wenn sie die wesentlichen Merkmale Israels als jüdischen und demokratischen Staat untergraben. Anders als etwa Deutschland hat Israel keine Verfassung. Diese soll sich aus Grundgesetzen konstituieren, die im Parlament einzeln verabschiedet werden. Änderungen daran können in der Regel mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.

Von Andrea Krogmann
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