Unter Italiens politischen Parteien ist seit den Olympischen Spielen von Paris eine Debatte über ein vereinfachtes Einbürgerungsrecht entbrannt. Auslöser ist der Goldmedaillen-Erfolg der italienischen Volleyballerinnen, zu dem unter anderem die als Tochter nigerianischer Einwanderer in Italien geborene Paola Egonu entscheidend beigetragen hat.
Egonu ist schon seit längerem eine Symbolfigur für die Debatte um die Rechte von Zuwanderern und um Rassismus in Italien geworden. Roberto Vannacci, Europa-Abgeordneter der Partei Lega, hat ihr öffentlich ihr „Italienischsein" („Italianita") abgesprochen, die linksliberale Zeitung „La Repubblica" kürte sie hingegen zur „Frau des Jahres". Ein Wandgemälde der Künstlerin Laika mit dem Titel „Italianita", das Egonu mit ihrer Goldmedaille beim Spiel zeigt, wurde unlängst beschädigt: Unbekannte übersprühten die schwarze Haut der Sportlerin mit rosa Farbe.
Die linke Oppositionsführerin Elly Schlein erklärte nach dem Erfolg der Volleyballerinnen umgehend, ihre Partei setze sich für ein Bürgerrecht gemäß dem Geburtsort ein. „Für uns ist jeder Mensch, der in Italien geboren wird oder aufwächst eine Italienerin oder ein Italiener und wir werden uns für eine entsprechende Gesetzesänderung einsetzen", so ihr Versprechen.
Einbürgerung in Italien bisher schwierig
Dieses Recht wird nach der lateinischen Juristen-Terminologie als „ius soli" (Recht des Geburtslandes) bezeichnet. Bislang gilt in Italien ein Einbürgerungsgesetz aus dem Jahr 1992, das dem früheren deutschen Recht ähnelt und vom „ius sanguinis" (Recht der blutsmäßigen Abstammung) ausgeht: Wer in Italien geboren ist und lebt, aber nicht von Italienern abstammt, kann erst mit Erlangung der Volljährigkeit die italienische Staatsangehörigkeit beantragen und muss dann noch eine Reihe von Bedingungen erfüllen.
Das Gesetz hat dazu geführt, dass trotz einer hohen Zuwanderungsquote relativ wenige Eingewanderte in der ersten oder zweiten Generation zu Italienern werden. Das hat Auswirkungen auf Italiens Arbeitsmarkt, der angesichts konstant niedriger Geburtenraten nach neuen Arbeitskräften verlangt.
Ein Gesetzesvorstoß für eine Erleichterung wurde in der vergangenen Legislaturperiode nur von der Abgeordnetenkammer, nicht aber vom Senat gebilligt. Er sah vor, dass Menschen, die in Italien geboren wurden oder als Kind unter zwölf Jahren ins Land kamen, die Staatsbürgerschaft erlangen können, wenn sie mindestens fünf Jahre lang in Italien die Schule besucht haben. Politiker erfanden hierfür den lateinischen Begriff „ius scholae" (Recht aufgrund des Schulbesuchs).
Forza Italia überraschend für Reform
Überraschend hat sich nun die liberale Komponente der Mitte-rechts-Regierung, die Forza Italia unter ihrem Vorsitzenden Antonio Tajani, für das „ius scholae" ausgesprochen, um Einbürgerungen zu erleichtern. Der römischen Zeitung "Il Messaggero" sagte Tajani, er sehe dafür das antike Rom als Vorbild. „Römischer Bürger zu werden war damals ein Traum von Millionen, und das Gesetz regelte diesen Traum. Die große Öffnung, ohne Begriffe von Ethnie oder Rasse, und zugleich äußerste Strenge bei der Einhaltung von Regeln, sind das, was eine Nation wettbewerbsfähig macht."
Und so zeichnet sich erstmals seit dem Erdrutschsieg der Mitte-rechts-Koalition unter Giorgia Meloni im September 2022 die Möglichkeit ab, dass die Dreiparteienkoalition der Ministerpräsidentin in einer wichtigen Frage getrennte Wege gehen könnte. Vertreter der linken Oppositionsparteien, darunter der ehemalige Ministerpräsident Mario Conte, erklärten bereits öffentlich, dass sie das „ius scholae" als einen möglichen Kompromiss zur Modernisierung des Einwanderungsrechts sehen.
Würde ein entsprechender Gesetzesvorschlag erneut ins Parlament gebracht, könnte er mit den Stimmen der Oppositionsparteien sowie denen von Forza Italia in beiden Kammern eine Mehrheit finden. Die Abgeordneten und Senatoren der beiden rechten Regierungsparteien Fratelli d'Italia und Lega allein könnten das dann nicht verhindern.
Von Ludwig Ring-Eifel
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