„Vorübergehend geschlossen" – so fasst der Eintrag, den die Suchmaschine ausspuckt, eine Tragödie zusammen: von Missbrauch, gebrochenem Vertrauen und Kirchenpolitik. Ob die Skupnost Loyola (Loyola-Gemeinschaft) tatsächlich nur „vorübergehend" geschlossen bleibt, könnte demnächst der Papst entscheiden. Derzeit ist der Gründer der katholischen Gemeinschaft, der slowenische Priester und international bekannte Mosaikkünstler Marko Rupnik, mit schweren Missbrauchsvorwürfen ehemaliger Ordensfrauen konfrontiert. Sie werfen ihm vor, sie sich unter Ausnutzung seiner Autorität sexuell gefügig gemacht zu haben (vgl. HK, März 2023, 35-39).
Was sexuellen Missbrauch betreffe, bilde Slowenien keine Ausnahme, sagt die Religionswissenschaftlerin Nadja Furlan-Stante. Sie kritisiert einen fehlenden Aufklärungswillen. Die katholische Kirche in Slowenien etwa sähe das Thema „lieber in Luft aufgelöst", als dass sie offen darüber spricht. Während man in Deutschland inzwischen mit einem systematischen Ansatz auf Missbrauchsvorwürfe eingehe, sieht Furlan-Stante für Kirche und Justiz in Slowenien reichlich Aufholbedarf.
Dabei schwelt das Thema schon seit Jahren. 2013 bekam eine heute Erwachsene von einem Gericht 80.000 Euro zugesprochen, nachdem sie als Minderjährige von dem slowenischen Priester Karl J. missbraucht wurde. Beobachter sprachen damals von einem Präzedenzfall: Erstmals wurde die katholische Kirche im Land als Arbeitgeberin für die Taten eines Geistlichen zur Verantwortung gezogen. J. war bereits 2007, also vor der Urteilsverkündung, gestorben. Insgesamt wurden ihm 16 Vergehen an Minderjährigen angelastet. Der Missbrauchsfall bleibt bis heute einer der wenigen in Slowenien, die in einem langen Prozess aufgearbeitet wurden.
Kürzlich sorgte die nationale Bischofskonferenz dann mit einer Ankündigung für Aufsehen: Gleich drei neue Expertenkommissionen zum Thema nahmen im März ihre Arbeit auf. Sie sollen historische Fälle untersuchen und Präventionsmaßnahmen ergreifen, um Kinder und vulnerable Gruppen besser zu schützen. Allerdings herrscht Zweifel über ihre Unabhängigkeit. Denn die Experten - Juristen, Ärzte, Historiker - stehen selbst im Dienst der Kirche.
„Die aktuelle Zusammensetzung der Kommission schafft mehr Fragen als Antworten", kritisiert Furlan-Stante. „Es wäre nötig, unabhängige Experten aus den Bereichen Recht, Medizin und Psychologie aufzunehmen, ebenso Vertreter von Opfer-Initiativen." Zumindest ein Viertel der Kommissionsmitglieder sollten von außen kommen, fordert die Wissenschaftlerin; dann wäre es eine starke Willensbekundung zu Aufarbeitung und Prävention – „und nicht bloß eine weitere Arbeitsgruppe, durch die man ein Häkchen auf einer Liste machen kann." Von der Bischofskonferenz hieß es allerdings, man sei prinzipiell offen für außenstehende Experten.
Dass nun so starke Bewegung in die Missbrauchsdebatte kommt, führt Furlan-Stante auf den Fall Rupnik zurück. Nachdem er von den Jesuiten ausgeschlossen worden war, nahm das Bistum Koper ihn als Priester in seinen Zuständigkeitsbereich auf. Moralisch sei diese sogenannte Inkardination nicht zu rechtfertigen, kritisiert Forscherin Furlan-Stante. Sie vermutet eine kirchenpolitische Motivation hinter der Aufnahme des einflussreichen Priesters. "Der Kreis um Rupnik ist sehr stark geworden. Papst Franziskus hat ihm in der Vergangenheit aufmerksamer zugehört als einigen Bischöfen und anderen Kirchenführern Sloweniens."
Möglicherweise gibt es nun eine Wende. Überraschend hatte Franziskus im Oktober erneute Untersuchungen im Fall Rupnik sowie die Auflösung seiner Gemeinschaft angeordnet. In Rom erhoben frühere Ordensfrauen im Februar erneut schwere Vorwürfe gegen den 69-jährigen Slowenen. Etwa soll er seine Übergriffe durch religiöse Motive wie die Heilige Dreifaltigkeit gerechtfertigt und die Ordensschwestern geistlich manipuliert haben.
Furlan-Stante begrüßt zwar, dass das Thema Missbrauch endlich die verdiente Aufmerksamkeit erhalte. Jedoch sei der Fall Rupnik nur die Spitze eines Eisberges. Sie plädiert auch für einen globaleren Blick auf die Debatte; auch bislang unbeachtete Gruppen wie Minderjährige oder Missbrauchsopfer in Afrika hätten mehr Gehör verdient. Die Expertin: „Ich hoffe, dass Papst Franziskus unparteiisch agiert, persönliche Sympathien außen vor lässt, und auch in Zukunft objektiv handelt, um in Rupniks und anderen Fällen etwas voranzubringen."
Von Markus Schönherr
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