Eine Tagung der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung, der Katholischen Akademie Berlin und der Freiburger Herder-Korrespondenz, die Anfang der Woche in Berlin stattfand, verdeutlichte, was dabei für die Kirchen auf dem Spiel steht. "Glaube und Geld - Perspektiven für die Kirchenfinanzierung" lautete der Titel. Und die Perspektiven schauen düster aus.
Denn die Projektion der Kirchensteuer für 2060, die David Gutmann, von der Katholischen Hochschule Freiburg, und Fabian Peters, Steuerexperte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, vortrugen, fiel noch dramatischer aus, als die Freiburger Studie zur Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer von 2019. Ging diese noch von einer Halbierung der Mitglieder wie Steuererträge aus, so befürchteten beiden Experten einen Rückgang auf bis zu einem Drittel.
Als zweite Säule der Kirchenfinanzierung machen die Staatsleistungen mit 600 Millionen Euro im Jahr zwar nur einen kleineren Teil der Kirchenfinanzen aus. Doch die Projektionen zeigen bei nur noch 18,7 Millionen Kirchenmitgliedern, dass künftig jeder Euro zählt. "Das muss alle erschrecken", so Markus Reif, Finanzdirektor der Erzdiözese München und Freising. "Dann kann ich das Abwicklungsprogramm auf den Tisch legen", so Reif. Für eine Trendwende müsse deshalb künftig für die Kirchensteuer geworben werden. Das entscheidende Argument ist für ihn der "solidarische Charakter" der Abgabe.
Alternativen zur Kirchensteuer tun sich nach Ansicht des Leipziger Rechtswissenschaftlers Arnd Uhle jedenfalls nicht auf. Kein System der Kirchenfinanzierung sei ähnlich ertragreich wie das deutsche. Das gelte auch für das oft genannte italienische Modell einer von allen eingezogenen Mandatssteuer, ganz zu schweigen von einer Umstellung auf Spenden. Nicht ansatzweise könnten diese die derzeitigen Beträge erreichen. Außerdem würde es keine wirkliche Verlässlichkeit ermöglichen.
Allerdings war bei der Tagung auch das deutsche Modell nicht unumstritten. Mehrere Redner erinnerten an die Freiburger Rede von Papst Benedikt XVI. Nach Uhles Worten lehnte Benedikt die Kirchensteuer nicht grundsätzlich ab. Ihn störte die Verkoppelung von Kirchenzugehörigkeit und Zahlung. Der frühere Chef des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, erinnerte daran, dass auch jene, die den Kontakt zur Kirche verloren oder bewusst aufgegeben hätten, "Subjekte der Seelsorge und des kirchlichen Lebens" seien. Uhle sprach sich deshalb für eine "atmende" Form der Kirchensteuer aus, oder mögliche individuelle Zweckbindungen.
Als Voraussetzung für eine weitere Akzeptanz der Kirchensteuer wurde immer wieder die Stichworte "Plausibilisierung" und Transparenz genannt. Die Freiburger Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer, sah vor allem in caritativen Werken das menschliche Gesicht der Kirchen in der Öffentlichkeit. Mit Kitas, Schulen, Krankenhäusern oder Sozialstationen übernehme sie zugleich staatliche Aufgaben der Daseinsvorsorge. Die würden zwar refinanziert, aber nur teilweise. So zahlten die Kirchen bis zu einem Drittel aus eigenen Steuermitteln; bestimmten Dienste sogar vollständig.
Sternberg verlangte aus binnenkirchlicher Sicht auch einen anderen Umgang mit den Finanzen. Erst seit 1950 sei die Abgabe nicht mehr direkt an die Pfarreien sondern die Diözesen gegangen. Die Bistümer hätten sich dadurch zu "monströsen Verwaltungsapparaten" entwickelt, die mit "zentralistischen Plänen und Verordnungen" die Subsidiarität in der katholischen Kirche abwürgten.
Am lebhaftesten wurde die Tagung beim Thema Staatsleistungen. Diese sind vor allem Entschädigungen für Enteignungen im Jahre 1803 und garantierten die wirtschaftliche Grundlage der Kirchen. Eine von der Weimarer Verfassung übernommene grundrechtliche Forderung nach Ablösung ist allerdings trotz mehrerer Anläufe bislang gescheitert. Derzeit sind Bund, Länder und Kirchen dazu im Gespräch.
Die Ampelkoalition will noch in dieser Legislatur ein sogenanntes Grundsätzegesetz vorlegen. Es soll den Rahmen für Ländergesetze vorgeben; denn die Umsetzung liegt bei den Landesregierungen, die die Zahlung zu leisten haben. Während die Kirchen sich mehr oder weniger offen zeigen, signalisierten die Ministerpräsidenten unlängst Ablehnung. Die Summen sind erheblich und öffentlich noch weniger darstellbar als die bisherigen Leistungen.
Jörg Antoine, Finanzexperte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, monierte allerdings, im politischen Diskurs würden oft juristisch nicht haltbare Thesen vorgebracht. Etwa die einer Aufhebung der Leistungen, da inzwischen angeblich genug gezahlt worden sei. Kirsten Straus, Direktorin des Zentralbereichs "Ressourcen" im Bistum Trier, verglich dieses Argument mit der Vorstellung, dass langfristige Mietzahlungen hochgerechnet zur Inbesitznahme der Wohnung berechtigten.
Ein wesentlicher politischer Streitpunkt ist die Frage, ob es zu einer äquivalenten oder einer angemessenen Ablösung kommt. Ein Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken aus der vergangenen Regierungszeit sah das 18,6-fache der derzeitigen Zahlung vor – wobei die laufenden Zahlungen bis zur endgültigen Ablösung fortzuzahlen sind. Für Antoine wäre dies das absolute "Minimum." Eine ganz andere Rechnung machte Straus auf.
Sie beschränkte sich bei der Frage einer fairen Ablösung zunächst rein auf eine finanzwirtschaftliche Sicht. Danach geht es um die Frage, welches Vermögen nötig ist, um die bisherige Zahlungsreihe fortzusetzen. Bei einem historisch plausiblen Realzins von einem Prozent wäre demnach ein Faktor 100, bei zwei Prozent der Faktor 50 nötig. Allerdings stellte sie derartige Forderungen nicht, zumal von derartig hohen Anlagesummen vor allem der Kapitalmarkt profitieren würde. Die Trierer Bistumsvertreterin sprach sich vor diesem Hintergrund aber dafür aus, andere Regelungen zu finden, um die Zahlungen zu verstetigen.
Denn bei Einsparungen müsste die Kirche nolens volens wohl auch das zur Disposition stellen, was sie an Daseinsvorsorge im Dienste des Staates leistet, also Kitas, Schulen oder Krankenhäuser. Das wiederum kann aber kaum im Interesse der ohnehin klammen Länder liegen, die die Vorsorge übernehmen müssten. Eine möglicherweise zweckgebundene Verstetigung der Leistungen läge damit in beiderseitigem Interesse.
Und nach den Worten des Berliner Rechtswissenschaftlers Hans Hofmann könnte eine Verstetigung juristisch auch als Ablösung bewertet werden, sofern sich der Gesetzgeber darauf einigt. Damit aber liegt der Ball wieder im politischen Feld.
Von Christoph Scholz
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