Ob sie töten oder nicht, wir gehen auf die Straße", verkündete der südafrikanische Oppositionspolitiker Julius Malema am Wochenende. Selbst mehr als 3000 Soldaten, die Staatspräsident Cyril Ramaphosa zum Schutz von Regierungsgebäuden und Zivilisten mobilmachte, konnten seine ausgerufene "Revolution" kaum aufhalten: Die Unterstützer sollten das Land "lahmlegen", um ein Zeichen gegen Kriminalität und Stromkrise zu setzen und Ramaphosa zum Rücktritt zu zwingen. Das gelang Südafrikas zweitstärkster Oppositionspartei, den Wirtschaftlichen Freiheitskämpfern (EFF), am Montag zumindest teilweise.
In der Hauptstadt Pretoria zogen Tausende rot gekleidete Demonstranten mit Plakaten durch das Regierungsviertel. Auch in Johannesburg, Kapstadt und Durban kam es zu Protesten. Einige Geschäfte blieben aus Angst vor Ausschreitungen geschlossen. Polizeiminister Bheki Cele bestätigte am Morgen die nächtliche Festnahme von 87 Demonstranten: "Die meisten wurden aufgegriffen, als sie Feuer legten, Straßen blockierten und Leute abhalten wollten, zur Arbeit zu gehen." Eine Metzgerei und das Haus eines Polit-Aktivisten im Township Soweto wurden Berichten zufolge mit Benzinbomben beworfen. Busunternehmen stellten vorübergehend den Betrieb ein.
Obwohl der angekündigte landesweite "Shutdown" ausblieb, Banken, Flughäfen und der Großteil des Handels den Betrieb fortführten, gibt es am Kap schon länger keinen Alltag mehr: Seit Monaten kommt es in Südafrika täglich zu Stromausfällen. Sie tragen zum Unmut in der Gesellschaft bei, die laut Weltbank die höchsten Einkommensunterschiede der Welt verzeichnet und unter einem Anstieg von Gewaltverbrechen, Arbeitslosigkeit und Armut leidet.
In Südafrikas Politik schlägt sich die soziale Ungleichheit schon länger nieder: 2014 schaffte es die neu gegründete EFF auf Anhieb als drittstärkste Kraft ins Parlament. Seither mischen die Linkspopulisten die Politik des Landes auf. Bei Straßenprotesten setzten ihre Fußsoldaten bislang auf brennende Barrikaden und Steine, während ihre Parlamentsabgeordneten - in roten Overalls und Gummistiefeln - regelmäßig die Tagesordnung mit Schrei-Tiraden lahmlegten.
Südafrikas Kirchenrat sieht in den Demonstrationen "ein weiteres Anzeichen für den sozialen und politischen Zerfall unserer gespaltenen Gesellschaft". 29 Jahre nach dem Ende der Apartheid fehlten der Nation weiter gemeinsame Identität und Werte. Um Populisten nicht das Feld zu überlassen, müssten die Südafrikaner nach "nationaler Einheit streben".
Auch in Kenia äußerten Kirchenführer am Wochenende "tiefe Sorge" über die Rückkehr politischer Spannungen. "Kenias Bürger haben schon mit zu vielen Problemen zu kämpfen; mit Dürre, Hunger und hohen Lebenskosten. Wir sollten versuchen, sie zu lösen, statt mit Gewalt zu verschlimmern", appellierten Kenias katholische Bischöfe. Doch ihr Ruf blieb ungehört.
Landesweit folgten Kenianer am Montag dem Aufruf von Oppositionsführer Raila Odinga zu Protesten. Mit Trillerpfeifen und Kochtöpfen als Trommeln fluteten sie die Straßen von Nairobi. In der Hauptstadt gab es Zusammenstöße zwischen Steine werfenden Demonstranten und Polizei. Sicherheitskräfte feuerten mit Tränengas und Wasserwerfern. Berichten zufolge wurde mindestens ein Mensch angeschossen, ein Oppositionspolitiker verhaftet. Viele Geschäfte blieben geschlossen.
Im September hatte Odinga eine Wahlniederlage gegen den damaligen Vizepräsidenten William Ruto einstecken müssen. Ihm wirft er vor, eine "illegitime" Regierung zu führen, die nichts gegen Teuerungen und die stärkste Dürre seit mehr als 40 Jahren unternehme. Odinga will ab sofort jeden Montag Massenproteste befeuern.
Kenias Bischöfe erinnerten am Wochenende an den Wunsch, den Papst Franziskus im Februar bei seiner Reise in den Südsudan und in die Demokratische Republik Kongo geäußert hatte: eine "andere Art der Führung" in Afrika. "Einer Führung", so Kenias Kirchenführer, die "im Dialog und mit gewaltfreien Mitteln Lösungen für unsere Probleme findet". Damit hat der Papst "zu uns allen gesprochen".
Von Markus Schönherr
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