Katholische Würdenträger verleihen seit Monaten öffentlich ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die im Oktober im Vatikan anberaumte Weltbischofssynode echte Reformen in Gang setzen werde. Aber ist dieser Optimismus berechtigt? Hubert Wolf und Andreas Holzem, die beiden renommiertesten deutschen katholischen Kirchenhistoriker, zeichnen in KNA-Interviews ein anderes Bild.
Ihre Skepsis beruht auf den rechtlichen Möglichkeiten, die eine Synode hat – und die sind höchst begrenzt. Wolf sieht das Treffen als "reines Beratungsinstrument – entschieden wird nichts". Grund ist das 1870 verabschiedete Dogma der Unfehlbarkeit, das dem Papst die alleinige Lehrgewalt zuschreibt. Diese Entscheidung prägt zwar seit 153 Jahren die katholische Wirklichkeit. Dabei gerät aus den Augen, dass die Kirche – von heute aus gerechnet – rund 93 Prozent ihrer Geschichte gut ohne diese Neuerung auskam.
Sehr gut sogar. So erklärte sich das Konstanzer Konzil (1414–1418) unter Berufung auf den Heiligen Geist selbst für zuständig, eine drohende Spaltung zu beenden. Drei miteinander konkurrierende Päpste wurden kurzerhand abgesetzt und mit Martin V. ein neues und allgemein anerkanntes Kirchenoberhaupt gewählt. "Nur das Zusammenkommen von vielen konnte dieses Problem lösen", sagt Holzem. Und das, "ohne die päpstliche Autorität als solche zu bestreiten".
In der Folge musste das Papsttum aber Abwehrschlachten schlagen: Im 16. Jahrhundert gegen die Reformation, die im 17. Jahrhundert beginnende Aufklärung und Ende des 18. Jahrhunderts gegen die Folgen der Französischen Revolution. "Schockerfahrung" nennt Holzem diese Entwicklungen, denen sich Papst Pius IX. ausgesetzt sah: "Da werden der König geköpft, alle kirchlichen Strukturen beseitigt und anschließend der Papst in Frankreich gefangengesetzt."
Die päpstliche Flucht nach vorne hieß: Unfehlbarkeit. "Gegner dieser Entscheidung", so beschreibt es Holzem, "haben damals resigniert gesagt: Das Dogma hat die Geschichte besiegt." Jenseits der Kirchenmauern aber, in der Gesamtgesellschaft, habe tatsächlich "die Geschichte das Dogma besiegt. Wir leben in einer historischen Situation, in der das Festhalten an diesem hierarchischen Denken und diesen Machtpraktiken unglaubwürdig geworden ist". Heute hielten selbst die meisten überzeugten Katholiken sie für falsch.
Dass sich die Strukturen auch durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) nicht wirklich geändert haben, belegte 2019 eindrucksvoll die Amazonassynode. Wolf erinnert: "Am Ende stimmen vier Fünftel für die Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt – und trotzdem übergeht der Papst das in seinem Schlusstext. Ich frage mich: Was hat das mit Synodalität zu tun?" Passiert ist also trotz einer übergroßen Mehrheit für Veränderungen nichts.
Holzem macht für das Abflauen des Erneuerungswillens nach Johannes XXIII. (1958-1963) vor allem "die lange Amtszeit von Papst Johannes Paul II. und das Wirken von Benedikt XVI." verantwortlich, die "den Zentralismus gestärkt und den Einfluss der Bischöfe zurückgedrängt" hätten. "Mit dem menschenzugewandten Papst Franziskus kommt dieser Zentralismus zwar in einem freundlichen Gesicht daher, aber die römischen Behörden praktizieren ihre Rolle in aller Konsequenz."
Für Wolf ist klar: "Zwar spricht Franziskus den ganzen Tag über Synodalität und Subsidiarität – aber faktisch nimmt er beides nicht ernst." Aus seiner Sicht "braucht es weder einen Synodalen Weg noch eine Weltbischofssynode. Das wird ein weiterer Debattierclub ohne rechtliche Vollmachten." Holzem beschreibt zugleich die Hoffnung von Optimisten, "dass diese Weltbischofssynode einem Dritten Vatikanischen Konzil den Weg bahnen könnte".
Der Tübinger Historiker betont aber: "Ohne eine im Kirchenrecht verankerte Selbstbeschneidung kann es nicht gehen – sonst bleibt Synodalität nur eine vom Herrscher gewährte Gnadengabe." Ähnlich formuliert es sein Münsteraner Kollege: "Behauptet wird jetzt, dass Laien und sogar Frauen bei der Weltbischofssynode etwas entscheiden können. Das ist vollkommen falsch. Tatsächlich können sie den absolutistischen Herrscher nur demütig bitten, irgendetwas zu ändern."
Vor diesem Hintergrund können die Debatten in der katholischen Kirche in Deutschland, wer denn nun nach Rom fahren darf und wem ein Stimmrecht vergönnt ist, irritieren. Durch die vatikanische Brille sieht der Prozess eh anders aus: Die Teilnehmer aus allen Erdteilen sollen über Wege der Teilhabe sprechen. Unvoreingenommenes Zuhören und das anschließende Nachdenken darüber sollen geübt werden. Der Papst nimmt daran teil und hört zu – und wird am Ende allein entscheiden.
Von Michael Jacquemain
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