LateinamerikaKolumbien: Kirche zwischen Krieg und Frieden

Der Friedensprozess in der Andennation geht in die nächste Runde. Ein Selbstläufer ist das nicht. Immer mit am Tisch: Die katholische Kirche. Sie sieht bereits erste Fortschritte im Land.

Kolumbianische Flagge
© Flavia Carpio/UNsplash

Seit einem halben Jahr ist Kolumbiens neuer, erster wirklich linker Präsident Gustavo Petro im Amt. Seitdem läuft das Projekt "Paz total", was so viel wie "kompletter Frieden" bedeutet. Der ambitionierte Plan sieht vor, den bewaffneten Konflikt mit allen illegalen Gruppen im Land zu befrieden. Dazu zählen die linksextreme Guerilla, die rechtsextremen Paramilitärs, aber auch die Drogenbanden, die in einem unübersichtlichen Geflecht ohnehin allesamt irgendwie miteinander verbunden sind.

Mit am Tisch sitzt die katholische Kirche. Ihr wird von allen Konfliktparteien, aber auch von der Regierung das notwendige Vertrauen entgegenbracht, um als Beobachter die Dinge zu verfolgen. Diese Aufgabe hat der für die Beziehungen zwischen Staat und Kirche zuständige Geistliche Hector Fabio Henao übernommen. Er kennt die Konfliktlage in Kolumbien genau, steht mit allen Parteien im Kontakt und gilt als vertrauensvoller Ansprechpartner. Als langjähriger Leiter der Caritas ist er auch mit den sozialen Problemen, insbesondere auf dem Land, bestens vertraut. Und dort tobt der Kampf um territoriale Macht besonders heftig.

Nach sechs Monaten der Präsidentschaft von Petro fällt die Zwischenbilanz durchwachsen aus. Die Mordserie an Sozialaktivisten reist trotz eines neuen Konzepts nicht ab, auch wenn solche Gewalt nicht mehr so im medialen Fokus steht wie noch unter der rechten Vorgängerregierung des konservativen Präsidenten Ivan Duque.

Dabei hat das südamerikanische Land das blutigste Jahr seit Abschluss des Friedensvertrages zwischen der FARC-Guerilla und der Regierung des damaligen Präsidenten und Friedensnobelpreisträgers Juan Manuel Santos im Jahr 2016 hinter sich. Wie das Portal "La Silla Vacia" recherchierte, wurden 2022 insgesamt 198 Sozial- und Umweltaktivisten in 124 Kommunen und 28 Provinzen getötet. Die Daten basieren auf einer Auswertung der Nichtregierungsorganisationen Indepaz und "Somos Defensores" sowie der Sonderjustiz für den Friedensprozess JEP. Hinzu kommen noch einmal über 120 getötete Soldaten und Polizisten.

Die Ausgangslage für das Projekt "Paz total" ist also schwierig. Dennoch übt die Kirche sich in Zuversicht. Die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der ELN-Guerilla und der Regierung seien ein positives Zeichen. Irritationen nach der einseitigen und offenbar vorschnellen Ankündigung eines bilateralen Waffenstillstandes durch Präsident Gustavo Petro seien ein Schwerpunkt der Unterredung gewesen, sagte Henao. Beide Seiten hätten sich bemüht, Absprachen zu treffen, damit sich solche Vorkommnisse nicht wiederholten.

Petro hatte zum Jahreswechsel eine Waffenstillstandsvereinbarung zwischen Staat und Guerilla verkündet; die ELN-Rebellen dementierten anschließend eine solche Abmachung. Die Gespräche sollen jetzt Mitte Februar in Mexiko fortgesetzt werden. Erste Erfolge seien bereits spürbar: Laut Henao hätten die Friedensbemühungen dazu geführt, dass die Auswirkungen der Kriminalität in sehr wichtigen Regionen des Landes zurückgegangen seien.

Unterdessen gibt es auch Misstöne: So muss sich Juan Fernando Petro, Bruder des Präsidenten Gustavo Petro, Vorwürfe anhören, Drogenbosse hätten offenbar eine Art Eintrittsgeld für einen Platz bei den Friedensverhandlungen bezahlt. Die Staatsanwaltschaft will ihn dazu vernehmen - genauso wie die Urheber der Anschuldigungen.

Vor einigen Wochen sorgte zudem ein Bild eines der Söhne des Präsidenten für Verstimmung. Es zeigt ihn mit dem Sohn eines den rechten Paramilitärs nahe stehenden Politikers. Der Weg zum Frieden in Kolumbien ist auf allen Ebenen ein hochsensibles Thema. Dazu, sagt Henao, sei vor allem gegenseitig Vertrauen notwendig. Das wird allerdings vom ersten Tag an auf eine harte Probe gestellt.

Von Tobias Käufer
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