Konflikt um das Kiewer Höhlenkloster eskaliertZuspitzung in Kiew

Die Auseinandersetzungen zwischen dem ukrainischen Staat und der "Orthodoxen Kirche der Ukraine" (OKU) auf der einen und der "Ukrainischen Orthodoxen Kirche" (UOK) auf der anderen Seite gehen unvermindert weiter, wobei letztere sich zunehmendem Druck der Behörden ausgesetzt sieht.

Das Höhlenkloster in Kiew
© Pixabay

So wurde der UOK ein neuer Termin für die Räumung der noch von ihr genutzten Teile der Kiewer Höhlen-Lavra gesetzt, und zwar der 4. Juli 2023. Ansonsten würden diese gewaltsam besetzt, die Schlösser ausgetauscht und die Gebäude versiegelt.

Die Rechtsabteilung der UOK erklärte allerdings dazu, dass die Forderungen des "Nationalen Reservats", also der für die Lavra zuständigen staatlichen Museumsbehörde, nicht mit dem ukrainischen Recht übereinstimmten und dass es keine Voraussetzungen für eine Versiegelung der Gebäude gebe. Die UOK werde das Gelände des Höhlenklosters nicht verlassen, bis eine gerichtliche Entscheidung getroffen wird, trotz der Forderung des Kulturministeriums und des Nationalen Reservats; "Das Reservat hat den Mönchen einen weiteren Brief geschickt, dessen Text nichts mit dem ukrainischen Recht zu tun hat. Das Kloster kann es sich nicht leisten, sich auf die gleiche Weise zu verhalten und die großen Wahrheiten der ukrainischen Verfassung zu ignorieren. Heute gibt es keine Voraussetzungen für die Versiegelung der Gebäude, in denen die Mönche leben. Wie Sie wissen, prüft das Gericht derzeit die Ansprüche der Parteien bezüglich der einseitigen Kündigung der Vereinbarung über die Lavra-Gebäude. Jedem gebildeten Menschen ist klar, dass es keine Räumung oder Versiegelung geben kann, solange das Gericht seine Prüfung dieser Frage nicht abgeschlossen hat", sagte Metropolit Klyment, Leiter der synodalen Informations- und Bildungsabteilung der UOK.

In den sozialen Netzwerken wurden die Gläubigen der UOK aufgefordert, am 4. Juli zahlreich in die Lavra zu kommen, um die gewaltsame Übernahme des Komplexes zu verhindern. Rund 250 Gläubige versammelten sich über den Tag - genug, um mit Prozessionen und vor allem beständigem gesungenem Gebet der Kommission des Reservats, die gekommen war, die Gebäude zu übernehmen, den Eintritt zu verwehren. Angesichts der recht zahlreich erschienenen Reporter und Fernsehteams verzichteten diese auf Gewaltanwendung und die Polizei beschränkte ihren Einsatz darauf, die Beter und eine Handvoll schreiender Gegendemonstranten auseinander zu halten.

Doch die Stimmung bleibt angeheizt und wird auch von einigen ukrainischen Medien geschürt: So berichtete der staatliche Kanal 5 über die Vorgänge unter der Überschrift "Moskauer Popen halten Lavra besetzt". Zwei Tage später ließen in den frühen Morgenstunden dann die staatlichen Behörden einige weitere Gebäude der Lavra besetzen.

Nachdem es den Gläubigen am 4. Juli noch gelungen war, die Lavra vor den Versuchen zu schützen, die Mönche und die UOK zu vertreiben, kehrte die zuständige staatliche Kommission zurück, diesmal unterstützt von bewaffneten Polizeibeamten. Eine Reihe von Polizisten erschien um 6:00 Uhr morgens am Kloster, um die Gläubigen daran zu hindern, zu den Gebäuden zu gelangen, die die Kommission versiegeln wollte. Am Ende wurden fünf Gebäude aufgebrochen und versiegelt, darunter auch die Residenz des Primas der UOK, Metropolit Onufrij. Die Polizei zerrte sogar Frauen gewaltsam aus einem der Gebäude, damit die staatliche Kommission es schließen konnte. Die Gläubigen, die zum Gottesdienst gekommen waren, durften das Gelände des Klosters nicht betreten und die Priester mussten mit den Gläubigen durch ein verschlossenes Tor kommunizieren.

Metropolit Antonij von Boryspil, der Kanzler der UOK, bezeichnete das Vorgehen des Staates als "Krieg gegen sein eigenes Volk". Er wies auch darauf hin, dass der Staat seit gestern die Öffnungszeiten des Klosters stark einschränkt und den Gemeindemitgliedern nur noch Besuche ab 11 Uhr erlaubt, also nach Ende der morgendlichen Gottesdienste.

Die Synodalabteilung der Russischen Orthodoxen Kirche für die Beziehungen der Kirche zur Gesellschaft und zu den Medien gab  eine Erklärung heraus, in der es heißt: "Die Verfolgung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche zielt letztlich darauf ab, die Geschichte des ukrainischen Volkes umzuschreiben und den Bewohnern der Ukraine die Identität zu nehmen, die mit der Taufe des heiligen Vladimir verbunden ist und die allen Völkern der historischen Rus" gemeinsam ist", heißt es in der Mitteilung. "Die ukrainischen Behörden betrachten die UOK als Feind, während sie die vom Staat geschaffene schismatische Gemeinschaft unterstützen und diese zu Gewalttaten ermutigen".

Unterdessen gingen gewaltsame Kirchenbesetzungen an verschiedenen Orten, etwa der Kathedrale in Bila Cirkva, weiter. Zudem verlängerte am 30. Juni ein Bezirksgericht in Kiew zum zweiten Mal die Maßnahme gegen Metropolit Pavlo von Vyšhorod, den Abt des Höhlenklosters. Er war Anfang April zunächst zu zwei Monaten Hausarrest verurteilt worden. Am 29. Mai wurde der Hausarrest bis zum 1. Juli, und nun wurde er um weitere zwei Monate verlängert. Der Bischof muss laut Gerichtsbeschluss während der gesamten Dauer des Hausarrests eine elektronische Fußfessel tragen. Sein Anwalt, Erzpriester Nikita Čekman, appellierte an das Gericht, die Maßnahme auf einen nächtlichen Hausarrest zu reduzieren, doch das Gericht lehnte dies ab. Wie bei mehreren anderen Bischöfen der UOK beschuldigen die Behörden Metropolit Pavlo, zu religiöser Feindschaft aufgestachelt und den Krieg gerechtfertigt zu haben, obwohl sie dafür keine Beweise vorgelegt haben.

Von Nikolaj Thon.
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