"Wiederholte Abkehr vom Wort Gottes hat das Gemeinschaftsgefüge zerrissen. Die Warnungen wurden unverhohlen und bewusst ignoriert. Jetzt stehen wir an einem Punkt, an dem der Riss ohne Buße nicht mehr geflickt werden kann." Die Schlusserklärung des jüngsten Gipfels des konservativen anglikanischen Netzwerks GAFCON (Global Anglican Future Conference) liest sich mehr wie eine Streitschrift. Fünf Tage lange tagte es vergangene Woche in Ruandas Hauptstadt Kigali.
Die anglikanische Bewegung vereint überwiegend die orthodoxen Provinzen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens; doch auch europäische und nordamerikanische Anglikaner sind vertreten. In Kigali holten die 315 Bischöfe aus 52 Staaten zum bislang heftigsten Schlag gegen die englische Mutterkirche aus.
Die anglikanische Gemeinschaft ist erneut in Aufruhr, seit die Church of England zu Jahresbeginn Segnungen homosexueller Paare freigab. Damit sei Erzbischof Justin Welby von Canterbury "vom rechtmäßigen Glauben abgekommen", meinen konservative Anglikaner. Widerstand kommt vor allem aus Afrika: Mit der Entscheidung habe die englische Mutterkirche ihre "theologische Legitimität verloren", wetterte etwa der Primas der Church of Uganda, Erzbischof Stephen Samuel Kaziimba. Kurz nachdem er härtere Strafen für Homosexuelle gefordert hatte, erließ das Parlament in Kampala ein Gesetz, das lange Haftstrafen und für "Serientäter" die Todesstrafe vorsieht. Bereits davor zählte Uganda zu den mehr als 30 Staaten Afrikas, die Homosexualität unter Strafe stellen.
Seit Jahrzehnten streiten die Anglikaner über Frauenpriestertum und Homosexualität. Bislang einigte man sich stets darauf, uneinig zu sein, in Geschwisterlichkeit und gegenseitigem Respekt. Jetzt aber erklärten die GAFCON-Delegierten: "Wir können nicht länger in guter Uneinigkeit mit jenen gemeinsam gehen, die sich bewusst dazu entschlossen haben, sich vom Glauben abzukehren."
"Der Anglikanischen Gemeinschaft Blasphemie vorzuwerfen, ist eine schwerwiegende Anschuldigung. Das beschreibt unmissverständlich ein Schisma", sagt Professor Asonzeh Ukah. Für den Religionswissenschaftler an der Universität Kapstadt stellt sich nicht die Frage, ob es wirklich zu einer Kirchenspaltung komme, sondern wann. Die Erklärung von Kigali sei eine "mächtige und erbarmungslose Positionierung" gegen die Gemeinschaft mit der Church of England.
Für die Reformierte Evangelikale Anglikanische Kirche Südafrikas (REACH) ist dies längst Realität. Das heutige GAFCON-Mitglied habe sich bereits 1938 von der Mutterkirche losgesagt, berichtet Bischof Glenn Lyons. Für ihn steht fest: "Es ist unmöglich für Canterbury, die Gemeinschaft zusammenzuhalten angesichts einer so grundlegenden Abkehr von der biblischen Lehre, was Geschlecht und Sexualität betrifft." In Lyons' Augen ist die Spaltung längst vollzogen. "Egal, was auf dem Papier steht: Tatsächlich existieren bereits zwei verschiedene anglikanische Gemeinschaften auf dieser Welt: die orthodoxe und die liberale."
Laut Religionsforscher Ukah herrscht auf beiden Seiten Furcht vor der Scheidung. "Also scheinen sie indirekt miteinander zu kommunizieren. Jede der beiden Gruppen appelliert unterschwellig an die andere, vernünftig zu urteilen und ihre Handlungen und Positionen nachzuvollziehen." Was Geld und weltlichen Besitz angeht, habe das konservative Lager selbst ohne Londons Unterstützung wenig zu befürchten. Schwieriger werde es, auch in Sachen Theologie, Heilige Schrift und Praxis, Liturgie und Administration auf eigenen Beinen zu stehen, prophezeit Ukah.
Grundsätzlich habe aber die Church of England mehr zu verlieren als die orthodoxen Rebellen: Es gehe um Millionen Gläubige in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie in Teilen des Westens - also um Glaubwürdigkeit und Autorität. "Was die Church of England verliert, eignet sich die andere Seite an und steckt es in ein neues Kleid, damit es zu ihrer eigenen Ideologie und Rechtschaffenheit passt", so Ukah.
REACH in Südafrika ist das Modell dieser Entwicklung: Sein Priesterkolleg in Kapstadt bildet Studenten vom gesamten Kontinent aus. Mit gleichgesinnten Anglikanern steht die Kirche in regem Austausch. Über die Jahre wuchs die Gemeinschaft auf 250 Kirchen an, die über die ganze Region verstreut sind. "Unsere Kirche im südlichen Afrika hat über viele Jahrzehnte gelernt, ohne Canterbury zu überleben", so Bischof Lyons.
Von Markus Schönherr.
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