"Kongolesen, erwacht aus eurem Schlaf!" Mit diesem politisch geladenen Weckruf wandten sich jüngst die Bischöfe der Demokratischen Republik Kongo an die 99 Millionen Einwohner des Landes. Neben schwindender Demokratie und der Verfolgung von Regierungskritikern prangerten die Kirchenführer die chaotischen Wahlvorbereitungen an. Seit der Unabhängigkeit 1960 hätten solche Situationen den Kongo "wiederholt in politische Krisen" gestürzt.
Die Antwort von Präsident Felix Tshisekedi kam prompt - und ausgerechnet bei einer Kirchenveranstaltung: Statt seine Regierung zu kritisieren, sollten die Bischöfe beten und Zusammenhalt predigen. Laut Richard Moncrieff, Regionaldirektor der International Crisis Group (ICG), kommt der Streit zwischen Kinshasa und der einflussreichen Bischofskonferenz des Landes keineswegs überraschend.
Gemeinsam mit anderen religiösen Organisationen betreibe die Bischofskonferenz eine große Beobachtermission, die den Wahlprozess und darunter auch die Wählerregistrierung beaufsichtige, sagt Moncrieff. "Die Tatsache, dass Regierung und Wahlkommission die vielen aufgezeigten Mängel größtenteils ignorierten, hat den Zorn der Bischöfe heraufbeschworen."
Gewählt werden soll im Dezember. Dem Experten zufolge hat die Regierung in Kinshasa die Gelegenheit verpasst, den Prozess transparent und glaubwürdig zu gestalten - für die Bischöfe eine Voraussetzung für die Stabilität unseres Landes.
Seit Jahrzehnten leidet die Bevölkerung des zentralafrikanischen Riesenstaates unter Diktatoren, Rebellen, Bürgerkrieg und der Plünderung von Bodenschätzen. Die Hoffnung wuchs, als 2019 der langjährige Oppositionsführer Tshisekedi die Wahlen gewann. Jedoch stellte sich bald heraus, dass er dies offenbar durch einen Hinterzimmer-Deal mit seinem autokratischen Vorgänger Joseph Kabila bewerkstelligt hatte.
Die Bischofskonferenz hatte klargemacht, dass Tshisekedi nicht der wahre Gewinner sei, sagt Politikwissenschaftler Ithiel Batumike vom kongolesischen Forschungsinstitut Ebuteli. Und: "Ebenso wenig befürworteten die Bischöfe die Koalition zwischen Tshisekedi und Ex-Präsident Kabila."
Tshisekedi sieht in der Kritik der Katholikenführer ein "gefährliches Abdriften" von ihrer eigentlichen Mission, nämlich Einheit und Frieden zu fördern. Laut dem Politologen Batumike ist die Schelte aber gerechtfertigt: "Der Wahlprozess steht auf wackligen Beinen; darauf deuten viele seriöse Studien hin." Nicht nur gebe es Fragen zur Wahlfinanzierung und die fragile Sicherheit vor allem im vom Konflikten zerrütteten Osten des Landes. Wegen der herrschenden Intransparenz drohten auch einige politische Akteure bereits mit Boykott.
Hinzu komme staatliche Repression: "Demonstrationen der Opposition sind verboten und werden - falls doch gestattet - unterdrückt. Regierungsgegner werden mithilfe von Gerichtsverfahren aus dem Wahlrennen gedrängt", so Batumike.
Nach der Kampfansage durch die Regierung stellte der Erzbischof von Lubumbashi, Fulgence Muteba, diese Woche im Interview mit dem Magazin "Jeune Afrique" klar: Seine Kirche sei "weder ein Verbündeter der Opposition noch ein Regierungsgegner". Dass es dadurch allerdings zu einer baldigen Versöhnung kommen könnte, bezweifelt Konfliktexperte Moncrieff: "Die Wahlkommission und die Regierung scheinen entschlossen, die Wahlen durchzuboxen, und sie zeigen sich nicht zu den Kompromissen bereit, auf die die Bischöfe drängen." Zu hoffen bleibe nun, dass die Kirchenführer ihren weiten Einfluss nutzen und im Wahlprozess eine positive Rolle spielen.
Weiter verkompliziert werde der Zwist zwischen Kongos Kirche und Staat durch Lagerdenken, warnt Politikforscher Batumike in Kinshasa: Die Bischöfe veröffentlichten ihr Protestschreiben in der Provinz Haut-Katanga, einer Oppositionshochburg; Präsident Tshisekedi wiederum äußerte sich in seiner politischen Festung, Kasai. Dort scheine der Staatschef sogar die Unterstützung von einigen Priestern zu genießen. Sie hätten sich in der Vergangenheit gegen die Kirchenoberen aufgelehnt und für Tshisekedi das Wort ergriffen.
In den Augen von Analyst Moncrieff bleibt die Kongolesische Bischofskonferenz trotz Kritik an der Regierung eine politisch neutrale Institution. Das Gremium sei weiter konsequent in seiner Verteidigung von Prinzipien. "Sein Kampf richtet sich nicht gegen einzelne Personen."
Von Markus Schönherr
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