Ohne Begleitmusik durch Medien, Theologische Fakultäten oder kirchliche Interessenverbände sprachen fünf deutsche Bischöfe unter Führung ihres Vorsitzenden Georg Bätzing und fünf leitende Kurienvertreter Ende Juli etwa drei Stunden lang miteinander über kontroverse theologische und kirchenrechtliche Fragen.
Das Gespräch fand im vergleichsweise intimen Setting der "Sala Bologna" im Vatikan statt. Ein Raum, der einer akademisch-höflichen Disputation förderlich ist – anders als seinerzeit der Hörsaal der Augustiner-Hochschule neben dem Vatikan. Dort saßen beim letzten Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom im November 2022 die Kurien-Spitzen erhöht und frontal. Sie sprachen damals gewissermaßen ex cathedra zu den rund 60 versammelten deutschen Bischöfen, die wie Studenten im Hörsaal Platz genommen hatten.
Doch nicht nur die äußeren Rahmenbedingungen waren anders. Auch die Zusammensetzung war eine andere – zahlenmäßig und personell. Das Gespräch im neuen Format "fünf zu fünf" ermöglichte die sachlich-fachliche Behandlung von Punkten, die damals in großer Runde so nicht besprochen werden konnten. Dazu gehörten liturgische Fragen wie die nach neuen Segnungs- oder Taufformularen unter veränderten Bedingungen sowie Fragen der Priesterausbildung.
Die ganz heißen Eisen wie Frauenweihe oder die Bildung eines Synodalen Rats standen dem Vernehmen nach nicht zur Debatte. Im Kern ging es offenbar darum, wie einige deutsche Reformideen so umgesetzt werden können, dass sie mit weltkirchlichen Regeln vereinbar sind.
Bemerkenswert war bei dem Treffen die personelle Veränderung an der Spitze zweier wichtiger Kurienämter. So war der einstige Leiter der Bischofsbehörde, Kardinal Marc Ouellet, nicht mehr dabei. Er hatte noch beim großen Treffen im November mit seinem Vorschlag eines "Moratoriums" für den Synodalen Weg sowie mit einigen scharfen Formulierungen für Verhärtungen gesorgt.
Sein Nachfolger Robert Prevost aus dem Augustiner-Orden, ein polyglotter US-Amerikaner mit französisch-italienischen Wurzeln und viel Lateinamerika-Erfahrung, hat anders als Ouellet mit deutscher Theologie und Kirchenpolitik bislang wenig zu tun gehabt. Teilnehmer beschrieben ihn als offen und unvoreingenommen.
Ouellet hingegen hatte mit einigen deutschen Bischöfen wie Bätzing, Ackermann oder Genn wohl sein ganz eigenes biographisch-theologisches Problem: Er war ihnen früher über die Johannesgemeinschaft theologisch und geistlich eng verbunden. Ihre weitgehende Öffnung für die vom Synodalen Weg geforderten Veränderungen in der kirchlichen Lehre hat er vermutlich wie eine Verirrung früherer geistlicher Weggefährten wahrgenommen. Entsprechend irritiert reagierte er mitunter.
Der zweite wichtige Bedenkenträger vom November, Kardinal Luis Ladaria von der Glaubensbehörde, war zwar bei dem Treffen im kleineren Format wieder dabei, hatte diesmal aber keine tragende Rolle. Als Präfekt auf Abruf war sein Redeanteil minimal. Obwohl der ernannte Nachfolger Victor Fernandez aus Argentinien noch nicht dabei war, wurde bereits spürbar, dass auch der Wechsel an der Spitze der Glaubensbehörde Auswirkungen auf Roms Umgang mit den deutschen Reformforderungen haben könnte.
Auch in diesem Fall könnte die Unvoreingenommenheit gegenüber den Deutschen ein Vorteil sein. Denn anders als der Jesuit Ladaria, der unter anderem in Frankfurt studierte, hat Fernandez – außer in der Fachliteratur – bislang wenig Berührungspunkte mit deutscher Theologie gehabt. In Interviews betonte er, dass er die Forderungen des Synodalen Wegs erst einmal kennenlernen wolle.
Gelegenheiten dazu könnten sich in den kommenden Monaten immer wieder ergeben. Im Vatikan wird nicht ausgeschlossen, dass im September eine Delegation des deutschen Laiendachverbands ZdK zu Gesprächen nach Rom kommt. Und bei der Weltsynode im Oktober könnte Fernandez mit dem ZdK-Vize Thomas Söding einen der theologischen Vordenker des Synodalen Wegs und seine Positionen näher kennenlernen. Söding nimmt als offizieller theologischer Experte an dem mit Spannung erwarteten großen Treffen von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien aus allen Erdteilen im Vatikan teil.
Beim nächsten deutsch-vatikanischen Bischofstreffen, das vermutlich erst einige Wochen oder Monate nach der Weltsynode stattfinden wird, kann dann Kardinal Fernandez als neuer Chef-Dogmatiker eine tragende Rolle spielen. Bis dahin dürfte er nicht nur mit den Reformideen des Synodalen Wegs vertrauter sein. Auch der Verlauf der Weltsynode im Oktober wird bis dahin wichtige Aufschlüsse darüber geben, wie veränderungsbereit und reformfähig andere Teile der katholischen Weltkirche sind und wo die Schmerzgrenzen von Moderaten und Konservativen verlaufen.
Für die moderaten Reformer um Fernandez und Franziskus kommt die Tatsache durchaus gelegen, dass es mit dem als sehr radikal wahrgenommenen Synodalen Weg in Deutschland eine klar sichtbare, weltkirchlich nicht mehrheitsfähige Position am äußersten "linken" Rand gibt. So können sie im Einzelfall immer wieder darauf verweisen, dass man zu weitgehende Forderungen wie etwa die Frauenpriesterweihe oder die Demokratisierung der Bischofswahl ablehnt und stattdessen für Kompromisslinien werben, mit denen moderate Reformer ebenso leben können wie gemäßigte Konservative. Auf diese Weise werden die Forderungen des deutschen Synodalen Wegs bei der Weltsynode in Rom immer wieder (zumindest im Hinterkopf) eine Rolle spielen – selbst dann, wenn sie nicht ausdrücklich benannt werden.
Doch die stärkere Beachtung der deutschen Angelegenheiten hat nicht nur derartige taktische Gründe. Im Vatikan ist man bis hinauf an die Spitze des Staatssekretariats zutiefst beunruhigt angesichts der Entwicklungen in Deutschland. Mehr noch als die Kirchenaustrittswelle jener Viertelmillion, die alljährlich wegen des schlechten Medienimages der Kirche ihre Beitragszahlungen einstellen, beunruhigen im Vatikan die vielen Briefe konservativer Katholiken, die über die Nuntiatur in Berlin den Vatikan erreichen.
Sie beklagen, dass sie sich in einer Kirche, die im Sog des Synodalen Wegs manches von der überlieferten Glaubens- und Morallehre über Bord werfen will, nicht mehr zuhause fühlen. Anders als die Austrittsschreiben derer, die gerne mehr Reformen hätten, kommen diese Briefe ungefiltert und nicht bloß über Medien vermittelt im Vatikan an. Sie erzielen eine beachtliche Wirkung.
Die Sorge, dass es nicht nur zwischen dem Synodalen Weg und dem Vatikan sondern auch innerhalb der Kirche in Deutschland zu Spaltungen kommt, ist offenbar groß. Papst Franziskus habe deshalb angeordnet, den Dialog mit den deutschen Bischöfen zu intensivieren, um diese "Bombe zu entschärfen". So war es unlängst in der römischen Tageszeitung "Il Messaggero" zu lesen.
Von Ludwig Ring-Eifel
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