"8,5 Millionen Mal Dankeschön" - mit dieser Werbeoffensive bedankt sich die Spanische Bischofskonferenz zurzeit bei jenen 8,5 Millionen Spaniern, die der katholischen Kirche einen Geldsegen durch Steuereinnahmen beschert haben. 320 Millionen Euro sind so sie in die Kassen gespült worden, ein Rekordwert.
Möglich macht dies das Steuersystem, das nicht so funktioniert wie etwa das deutsche. Statt eine festgelegte Kirchensteuer zu zahlen, können sich Steuerpflichtige bei ihrer jährlichen Erklärung entscheiden, ob sie 0,7 Prozent der Steuerschuld der Kirche oder anderen sozialen Zwecken zufließen lassen. Dafür kreuzt man - nach altem Muster - einfach das Kästchen seiner Wahl an. Die Abgabe ist verpflichtend.
Spätestens im Frühsommer müssen steuerpflichtige Bürger in Spanien ihre Erklärung abgegeben haben. Nun sind die Zahlen von 2022 veröffentlicht worden, die sich wiederum aufs Steuerjahr 2021 beziehen. Knapp jeder Dritte setzte demnach sein Kreuz bei der Kirche und steuerte im Schnitt 37,73 Euro bei. Besondere Zuwächse waren in den Regionen Andalusien, Valencia, Madrid und Kastilien-La Mancha zu verzeichnen.
Mit dem Dank der Bischöfe für die neue Rekordsumme klopfen sie sich quasi selbst auf die Schulter, denn: Im Vorfeld der Abgabe der Steuererklärungen investiert die spanische Kirche in umfangreiche PR-Maßnahmen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und die Menschen dazu zu bewegen, ihr Kreuzchen an der "richtigen" Stelle zu machen. Die Kampagnen umfassten im vergangenen Jahr wieder ganzseitige Zeitungsanzeigen, Radio- und Fernsehspots. Mit Blick auf jüngere Zielgruppen wurden überdies die sozialen Medien einbezogen.
In ihren Videos und Botschaften setzten die Macher auf eindringliche, personalisierte Botschaften wie die eines gewissen Tino: "Mein Pfarrer hat mich aus der Drogenhölle gerettet. Seit sieben Jahren konsumiere ich keine mehr." Eine gewisse Erica lässt wissen: "Dank der Kirche bin ich eine starke, mutigere Frau geworden." Ob es sich bei Tino und Erica um reale Personen handelte oder nicht, die PR-Strategie zahlte sich aus: Exakt 84.201 Steuerzahler mehr als im Vorjahr entschieden sich, ihr Kreuz an die Kirche zu vergeben - eine eindrucksvolle Zahl.
Als "Anstieg der Solidarität" wertete Fernando Gimenez Barriocanal, Finanzexperte der Bischofskonferenz, das Ergebnis. Es werde der Kirche ermöglichen, in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld wachsenden sozialen Problemen entgegenzutreten. Angesprochen auf Skandale wie Missbrauch, der auch in Spanien das Image des Klerus beschädigt hat, antwortete Gimenez Barriocanal, dass es "in der Kirche Licht und Schatten" gebe und sich jeder eine eigene Meinung bilden könne. Er hob die "immense soziale und begleitende Arbeit" der Kirche hervor, die in besonders harten Momenten helfe.
Was bei Abgabe der zurückliegenden Steuererklärung noch nicht im aktuellen Ausmaß absehbar war: Seither hat sich auch in Spanien die soziale Lage durch die hohe Inflation verschärft. Die Kirche ist einer der wichtigsten Akteure im Land, um Notsituationen abzufedern, denn einen Sozialstaat wie in Deutschland gibt es nicht, ein gleichwertiges Kindergeldsystem etwa fehlt. Nun dürften viele Pfarrgemeinden dank des Geldsegens und angesichts sprunghaft gestiegener Kosten etwas aufatmen.
Die Steuereinnahmen machen laut Gimenez Barriocanal 22 Prozent der Finanzierung der Diözesen aus. Weitere Posten sind beispielsweise Einkünfte aus Liegenschaften. Als überraschendes Detail fügte der Experte hinzu, dass die Einnahmen durch Kollekten "um mehr als zehn Prozent" gestiegen seien - ein weiterer Beleg für die These vom Solidaritätszuwachs.
Von Andreas Drouve
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