OrganspendeBundesrat will neue Regeln für Organspende

Es ist ein hoch emotionales Thema: Angesichts tausender bangender Menschen, die ohne ein neues Organ nicht überleben können, will der Bundesrat eine Reform der Organspende. Doch es gibt auch gute Argumente dagegen.

Organspendeausweise liegen auf einem Tisch
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Der Druck wächst. Am Freitag sprach sich auch der Bundesrat für eine Reform der Organspende in Deutschland aus. Er appellierte an die Bundesregierung, das Transplantationsgesetz zu ändern und eine Widerspruchslösung einzuführen. Dort rennt die Länderkammer vermutlich offene Türen ein. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fordert, ähnlich wie Ärzteorganisationen, die Bundesärztekammer und die Deutsche Stiftung Organtransplantation, eine Reform für mehr Organspenden.

Dabei hat der Bundestag vor drei Jahren eine solche Reform schon einmal abgelehnt. Das Parlament verabschiedete stattdessen ein Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende. Es fordert eine verstärkte Information der Bürger - etwa auch bei der Ausgabe von Führerscheinen und Personalausweisen - und den Aufbau eines Transplantationsregisters. Außerdem wurden die Abläufe in der Transplantationsmedizin verbessert - etwa durch eine verpflichtende Benennung von Transplantationsbeauftragten in den Kliniken.

Im Hintergrund stehen schwierige ethische Fragen. Nach dem 1997 verabschiedeten Transplantationsgesetz besteht in Deutschland eine "erweiterte Zustimmungslösung": Organspender ist nur, wer zu Lebzeiten ausdrücklich einer möglichen Spende zugestimmt hat.

Die immer wieder geforderte „Widerspruchsregelung" würde dagegen bedeuten, dass jeder Bürger ein potenzieller Organspender ist - außer, er hat dem ausdrücklich widersprochen (vgl. HK, Juli 2023, 38-40). Befürworter einer solchen Regelung erhoffen sich dadurch deutlich mehr Organspenden, weil die schweigende Mehrheit der Bürger als potenzielle Spender zur Verfügung stünde. Fakt ist: Die Spenderzahlen liegen seit Jahren im Dauertief. 2022 spendeten 869 Menschen in Deutschland nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe. Das entspricht 10,3 Spendern pro eine Million Einwohner; Deutschland zählt damit im internationalen Vergleich zu den Schlusslichtern. Dem steht das Leid von mehr als 8.000 Menschen gegenüber, die auf der Warteliste um ein Spenderorgan bangen.

Für NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ist deshalb klar: „Wir sehen immer deutlicher: Die Zustimmungsregel reicht nicht aus", sagte der CDU-Politiker am Freitag dem „Stern". "Es ist inzwischen alles unternommen worden, um im Rahmen unserer Zustimmungsregelung die Zahlen nach oben zu bringen. Wir müssen so ehrlich sein und zugeben, dass das alles nicht hilft." Laumann betonte, die Widerspruchslösung lasse jeder Person die Entscheidungsfreiheit, über ihre Organe selbst zu bestimmen. Gleichzeitig sei sie ein Anstoß, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Im Ernstfall gebe es oft keine klaren Willensbekundungen von potenziellen Organspendern, und Angehörige sähen sich nicht in der Lage, einer Transplantation zuzustimmen. Der Staat dürfe jedem Erwachsenen zumuten, eine Entscheidung für oder gegen eine Organspende zu treffen. Der NRW-Minister verwies auf Länder wie Spanien und Österreich, wo es die Widerspruchslösung gibt. „In Spanien wartet man zwei Jahre auf eine neue Niere. In Deutschland sind es acht bis zehn Jahre."

Dem widerspricht der Berliner katholische Theologe Andreas Lob-Hüdepohl, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist. Er wandte sich gegen eine Widerspruchslösung. Organspende müsse immer eine freiwillige Entscheidung bleiben, sagte er der Zeitschrift "Publik Forum" (Freitag). Das gelte gerade, weil es auch um eine Entscheidung über den eigenen Sterbeprozess gehe, sagte Lob-Hüdepohl im Blick auf bestimmte intensivmedizinische Behandlungen vor einer Organspende.

Auch widersprach der Theologe dem Argument, wonach nur eine Widerspruchslösung mehr Organspenden möglich machen könnte. Viel wichtiger sei es stattdessen, in den Kliniken mehr Transplantationsbeauftragte zu finanzieren und mehr für die Aufklärung möglicher Spender zu tun. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz ist gegen eine Widerspruchsregelung: Normalerweise sei im deutschen Gesundheitswesen die Einwilligung des Patienten bei allen Behandlungen und Eingriffen der Goldstandard. Bei der Widerspruchslösung würde sie einfach umgangen.

Von Christoph Arens
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