Die Pressestelle der Bischofskonferenz in Warschau teilte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf Anfrage mit: "Eine Stellungnahme der Polnischen Bischofskonferenz zu diesem Thema ist in den nächsten Tagen nicht zu erwarten. Die aktuelle Situation im Land wird wahrscheinlich Gegenstand der Reflexion der Bischöfe bei der nächsten Vollversammlung Mitte November sein."
Bereits als die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) 2015 in Polen an die Macht kam, hatten sich die Bischöfe mit Kommentaren zu deren Wahlsieg zurückgehalten. Erst nach der Vereidigung der neuen Ministerpräsidentin Beata Szydlo gratulierte ihr damals der Bischofskonferenz-Vorsitzende Erzbischof Stanislaw Gadecki und riet ihr zu einer Politik des Ausgleichs. "Mehr denn je braucht unser Volk Einheit", hieß es in seinem Glückwunschschreiben. Darin sprach sich Gadecki für "kluge und besonnene Entscheidungen" aus, um die Gemeinschaft zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu stärken.
Nun steht in Polen wieder ein Regierungswechsel an. Die PiS, die sich gern als Verteidigerin der Kirche darstellt, holte nur noch 35 Prozent und verlor ihre Mehrheit im Parlament. Der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk wird aller Voraussicht nach neuer polnischer Ministerpräsident. Bereits von 2007 bis 2014 war er Regierungschef in Polen.
Diesmal schmiedet Tusk als Chef der liberalkonservativen Bürgerkoalition mit dem Wahlbündnis Dritter Weg und der Neuen Linken eine Mitte-Links-Allianz. Deren Spitzenköpfe riefen Staatspräsident Andrzej Duda in einer Pressekonferenz am Dienstag auf, Tusk zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Dabei verwiesen sie darauf, dass sie im Unterhaus des Parlaments, dem Sejm, über eine klare Mehrheit der Mandate verfügen. Das Bündnis stellt 248 von 460 Abgeordneten.
Präsident Duda könnte aber auch erneut die PiS mit der Regierungsbildung beauftragen. Sie stellt die größte Fraktion im Sejm, hat allerdings keine Chance, im Parlament die obligatorische Vertrauensfrage für eine neue Regierung zu gewinnen. Hielte Duda weiter zur PiS, könnte er die Machtübernahme durch Tusk hinauszögern, jedoch nicht verhindern. Denn der Sejm kann nach einer gescheiterten Vertrauensfrage eines PiS-Kandidaten selbst einen Regierungschef nominieren.
Als bisher einziger Bischof kommentierte Warschaus Kardinal Kazimierz Nycz die Wahl. Er gab Polens katholischer Nachrichtenagentur KAI ein Interview. "Befürchten Sie, dass das Abtreibungsrecht liberalisiert oder der Religionsunterricht in der Schule in Frage gestellt wird?", wurde er gefragt. Nycz antwortete, es könne durchaus zu Veränderungen oder Diskussionen kommen: "Wenn es um Abtreibung geht, so wird die Kirche nicht aufhören, die Lehre vom menschlichen Leben, von der Würde des menschlichen Lebens, von der Würde des empfangenen Kindes zu predigen."
Der 73-Jährige machte deutlich, dass er eine ernsthafte Debatte über die Bedeutung des Schulfachs Religion gelassen sehe. Das Fach gebe es in ganz Europa. "Jeder geht davon aus, dass ein solcher Unterricht notwendig ist, um die Welt und das christliche Europa zu verstehen."
Tusk hatte im Wahlkampf versprochen, dass Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen legal werden. Aktuell sind in Polen Abtreibungen nur erlaubt, wenn die Schwangerschaft die Gesundheit der Mutter gefährdet, Ergebnis einer Vergewaltigung oder von Inzest ist.
Tusk will auch, dass das Wahlfach Religion nur noch in der ersten oder letzten Stunde in der Schule unterrichtet wird. Davon würden die vielen Schülerinnen und Schüler profitieren, die sich gegen das Fach entscheiden und bisher eine Freistunde haben. Im Wahlprogramm heißt es zudem: "Die Religionsnote wird aus den Schulzeugnissen gestrichen."
Nycz sagte in dem Interview, er sei erleichtert, dass der Wahlkampf vorbei sei. Er habe einige Tage vor den Wahlen abgeschaltet. "Ich wollte diese Tage in Ruhe erleben, denn in der Tat war es in den Medien ein langer, nerviger und anstrengender Wahlkampf."
Die Politiker müssten nun die gesellschaftliche Spaltung überwinden. Die Kirche aber dürfe sich nicht an eine politische Option binden, so der Kardinal. Denn die Kirche sei für alle da. So eine Bindung komme ihr später teuer zu stehen. Auch deswegen haben die Bischöfe die Devise ausgegeben: Zurückhaltung beim Kommentieren von Wahlergebnissen.
Von Oliver Hinz
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