RomMarko Rupnik auf dem Weg zur Rehabilitierung?

Marko Rupnik und kein Ende: Der Fall des slowenischen Priesters, dem rund ein Dutzend Frauen vorwerfen, er habe sie unter Ausnutzung seiner geistlichen Autorität zu sexuellen Handlungen gebracht, geht in eine neue Runde.

Fensterscheibe mit Regentropfen
© Pixabay

Seit zehn Monaten schwebt der Fall des international bekannten Mosaikkünstlers und Priesters Marko Rupnik wie eine dunkle Wolke über dem Jesuitenorden und dem Bistum Rom. Auch Papst Franziskus ist als Jesuit, als Bischof von Rom sowie als Kirchenoberhaupt zumindest indirekt betroffen. Der Verdacht, dass er seinen langjährigen Mitbruder gedeckt oder von einer gerechten Strafe verschont habe, wird immer wieder von Vatikanbeobachtern geäußert.

Neue Unterstützung erhielt diese Sichtweise durch eine Mitteilung des Vikariats der Diözese Rom unter Leitung von Kardinal Angelo De Donatis. Demnach gab es eine gründliche "kanonische Untersuchung" mit zahlreichen Befragungen in dem von Rupnik gegründeten und jahrzehntelang geleiteten künstlerisch-geistlichen Zentrum "Centro Aletti" in Rom. Die habe ergeben, dass frühere Anklagen und eine schwere kirchenrechtliche Strafe gegen Rupnik aufgrund fehlerhafter Ermittlungen und "schwerwiegender Abweichungen" vom Kirchenrecht zustande gekommen seien. Das Ergebnis dieser Untersuchung sei an "die zuständigen Stellen" (vermutlich also an den Papst) weitergeleitet worden.

Dessen Vikar für das Bistum Rom, Kardinal De Donatis, hatte den Kirchenrechtsprofessor Giacomo Incitti von der Päpstlichen Universität Urbaniana mit der Untersuchung beauftragt. Incitti gilt in Fachkreisen als ausgesprochener "garantista".

So heißen in Italien die Anhänger der juristischen Denkrichtung, die den Satz "Im Zweifel für den Angeklagten" für das oberste und wichtigste Prinzip in allen rechtlichen Verfahren und Prozessen hält. Das Gebot, den Opfern Recht zu verschaffen, muss sich dem unterordnen. Nach garantistischer Rechtsauffassung können auch Formfehler zur Nichtigkeit einer Anklage oder eines Urteils führen.

Pikant wird die kirchenrechtliche Nach-Untersuchung auch durch den merkwürdigen Umstand, dass der eigentlich für das Centro Aletti zuständige römische Weihbischof Daniele Libanori offenbar nichts von der Prüfung wusste. Laut dem Vikariat lag das Ergebnis bereits am 23. Juni vor, kam aber erst im September durch eine namentlich nicht gekennzeichnete Meldung des Vatikan-Medienportals "Vatican News" an die breitere Öffentlichkeit.

Im Bistum Rom und im Jesuitenorden wird nun darüber spekuliert, dass der "Entlastungsbericht" Incittis, gegen den eine Missbrauchs-Betroffenen-Vereinigung heftig protestiert hat, nur das Vorspiel zu einer weiter gehenden Rehabilitierung Rupniks sein könnte. Auch die Tatsache, dass der Papst persönlich die langjährige rechte Hand Rupniks und heutige Direktorin des Centro Aletti offiziell (mit Foto und offizieller Pressemitteilung) im Vatikan empfangen hat, deutet in diese Richtung. Die Frau, Maria Campatelli, hatte vor einigen Monaten von einer angeblichen Medienkampagne gegen den Künstler und das Zentrum gesprochen.

Falls Rupnik künftig "nur" als öffentlich angeprangerter Sünder, nicht aber als Straftäter im kirchenrechtlichen Sinne gilt, steht einer Inkardination als Seelsorger – zum Beispiel in einem Bistum seiner slowenischen Heimat – rechtlich nichts mehr im Weg. Seine von der vatikanischen Glaubensbehörde verhängte Exkommunikation im Mai 2020 wurde ohnehin längst aufgehoben. Und die Jesuiten haben Rupnik im Juni dieses Jahres lediglich "wegen fortwährenden Ungehorsams" aus dem Orden ausgeschlossen.

Ein kirchenrechtliches Verfahren zur Entfernung aus dem Priesterstand, wie es üblich ist, wenn einem Kleriker sexueller Missbrauch Minderjähriger nachgewiesen wurde, kommt gegen Rupnik nicht in Frage. Denn bei denjenigen, die Vorwürfe formuliert haben, handelt es sich ausnahmslos um volljährige Frauen.

Aufgrund dieser komplexen Vorgeschichte ist Rupnik derzeit eine Art "sacerdos vagans", also ein gültig geweihter katholischer Priester ohne Zuordnung zu einem Bistum oder einem Orden. Er hat mithin auch keinen Vorgesetzten, der ihm Auflagen erteilen könnte.

Im Centro Aletti hat er offensichtlich weiterhin treue Gefolgsleute, die den Gründer für unschuldig halten und ihn unterstützen. Aus rein pragmatischen Gründen wäre daher eine Inkardination Rupniks in einem Bistum ratsam, um ihn wenigstens kirchenrechtlich "an die Kette legen" zu können. Sollte das demnächst in seiner slowenischen Heimat geschehen, wäre nicht nur der Jesuitenorden den Problemfall los, sondern auch das Bistum Rom. Die dunkle Wolke würde dann anderswo ihre Kreise am Himmel ziehen und medial sehr viel weniger wahrgenommen werden als im Bistum des Papstes.

Von Ludwig Ring-Eifel
© KNA. Alle Rechte vorbehalten.

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