Im Sudan haben die Kämpfe zwischen Armee und paramilitärischen Kräften inzwischen mehr als 50 Todesopfer gefordert. Hunderte weitere Zivilisten und Soldaten wurden verletzt, wie eine sudanesische Ärztevereinigung in der Nacht zu Sonntag mitteilte. Den zweiten Tag in Folge waren am Sonntagmorgen Gefechte in der Hauptstadt Khartum gemeldet worden. Menschenrechtler zeigen sich besorgt.
"Abermals legen Sudans Militärführer vollkommene Missachtung für die Hoffnung und Rechte des sudanesischen Volks an den Tag", betont Mohamed Osman, Sudan-Experte bei Human Rights Watch (HRW). Die Kämpfe fänden in "dicht besiedeltem Gebiet" statt; beide Seiten müssten Bewohner und zivile Einrichtungen schützen, so der Menschenrechtsaktivist.
Am Samstag waren in dem ostafrikanischen Land heftige Gefechte zwischen der regulären Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) ausgebrochen. Panzer und Militärflugzeuge kamen im Kampf um strategische Ziele zum Einsatz: Die Gegner ringen um die Kontrolle von Flughäfen, Regierungsgebäuden und TV-Sendern. Auch das Haus des militärischen Übergangsstaatschefs, General Abdel Fattah al-Burhan, wurde von RSF-Kämpfern beschossen. Die Armee besetzte die Nil-Brücken, die Khartum mit der Nachbarstadt Omdurman verbinden. Aus anderen Landesteilen wurden ebenfalls Gefechte gemeldet.
Im April 2019 hatten Demonstranten und Militär den langjährigen Diktator Omar al-Bashir gestürzt. Seitdem findet das Land nicht mehr zur Ruhe. Immer wieder brechen Proteste aus, mit denen Demonstranten eine Rückkehr zu einer zivilen Regierung fordern. Die Militärmachthaber zögern den Übergang hinaus.
Ursache der jüngsten Eskalation dürfte ein Streit zwischen Armee und RSF über die Zukunft des Sudans sein. Den etwa 100.000 Paramilitärs werden grobe Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen: Sie sollen für den Tod Dutzender Pro-Demokratie-Aktivisten verantwortlich sein. Im Zuge des Übergangsprozesses zu einer Zivilregierung sollte die RSF in die reguläre Armee integriert werden. Ungewiss schien dabei die Rolle des RSF-Anführers Mohamed Hamdan Dagalo, der unter der Militärregierung faktisch als Vizestaatschef fungiert.
Am Wochenende verurteilten etliche Regierungen die Kämpfe. Die Afrikanische und Europäische Union (AU, EU) forderten eine sofortige Waffenruhe. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die Gegner zum Dialog auf: "Jegliche weitere Eskalation der Kämpfe wäre verheerend für die Zivilisten und würde die bereits prekäre Menschenrechtssituation im Land weiter verschlimmern."
Auch im Sudan selbst stößt das Kräftemessen auf Unverständnis. "Generäle und Kriegsherren" trügen ihren Kampf um das Land und dessen Ressourcen auf dem Rücken "unschuldiger Bürger" aus, kritisierte die einflussreiche Sudanese Professionals Association. Weiter verurteilte eine sudanesische Journalistengewerkschaft Angriffe gegen Zeitungsredaktionen und die gewaltsame Festnahme eines BBC-Reporters; der Journalist sei auf dem Weg zur Arbeit von Sicherheitskräften verschleppt worden. Daneben rief der frühere Ministerpräsident Abdallah Hamdok zur Vernunft auf: "Es kann keinen Sieg auf den Leichen unserer Bürger geben", wird der vormalige zivile Übergangsregierungschef zitiert, den das Militär 2021 in einem neuerlichen Putsch entmachtete.
"Tiefe Sorge" äußerte auch die Regierung im Südsudan. Das Land hatte sich 2011 nach einem Unabhängigkeitskrieg und einem Referendum von seinem nördlichen Nachbarn abgespalten. Präsident Salva Kiir Mayardit stehe derzeit in engem Kontakt mit Sudans Regierenden in der Hoffnung, zu einer Deeskalation beitragen zu können, erklärte Südsudans Außenminister Deng Dau Deng laut örtlichen Medien.
Unterdessen wirft Human Rights Watch der internationalen Gemeinschaft ein Versagen vor, die Militärführer für Rechtsverletzungen nach dem Putsch von 2019 zur Verantwortung zu ziehen. Die Menschenrechtsorganisation fordert eine "schnelle und greifbare Antwort" für die aktuelle Situation. Der Weltsicherheitsrat müsse im Zuge einer Krisensitzung zum Schutz von Zivilisten aufrufen, so HRW.
Von Markus Schönherr
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