Das Patriarchat von Antiochien und dem ganzen Osten ist ein altkirchliches Patriarchat, das seine Gründung auf den Apostel Petrus zurückführen kann, und ist stolz darauf, dass die Mitglieder der alten christlichen Gemeinde in der hellenistischen Stadt Antiochia als erste überhaupt christianoi genannt wurden. Es war daher schon eines der Patriarchate der Pentarchie im ersten Jahrtausend, ist aber auch heute die bedeutendste Kirche arabischsprachiger Christen im Vorderen Orient.
Oft "Rūm-orthodoxe Kirche" ("Rūm" steht arabisch für "Rom", gemeint ist aber damit Konstantinopel ["das neue Rom"]) genannt, aber auch als Antiochenisch-Orthodoxe Kirche bezeichnet, vereinte das Patriarchat die Gläubigen, die nach dem Ökumenischen Konzil von Chalkedon (451) dieses und seine Christologie anerkannten (und sich dadurch von den so genannten "monophysitischen Jakobiten", der heutigen Syrisch-Orthodoxen Kirche, unterschieden).
Die Rūm-orthodoxe Kirche hat etwa im 10. Jahrhundert die Konstantinopler Liturgie an Stelle der vorherigen syrischen übernommen und wurde neben dem Syrischen bzw. an dessen Statt zunehmend Griechischen, jedoch seit dem 20. Jahrhundert immer mehr und heute fast ausschließlich modernes Arabisch. Der Patriarch residierte zwar anfänglich noch in Antiochia am Orontes, dem heutigen Antakya in der Osttürkei.
Seit der Eroberung der Stadt durch die osmanischen Türken im 14. Jahrhundert hat er jedoch seinen Sitz in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Die Antiochenische Kirche hat auf Grund ihrer territorialen Ausbreitung im ganzen arabischen Sprach- und Kulturraum (mit Ausnahme Palästinas, das zum Patriarchat Jerusalem gehört) das Selbstverständnis entwickelt, Träger einer christlich-arabisch-orientalischen Kultur zu sein, d.h. ihr Volkstum verleiht dem Patriarchat heute den Charakter einer arabisch-orthodoxen Kirche – und damit eine wichtige politische Bedeutung für den ganzen Vorderen Orient.
Verschiedene Mitglieder der Kirche setzten sich in der Folge auch im 20. Jahrhundert aktiv für einen säkularen Panarabismus ein und hatten großen Einfluss auf die Baath-Partei in verschiedenen arabischen Staaten, bis diese politische Richtung seit den 1980er-Jahren durch den aufkommenden Islamismus im arabischen Raum verdrängt wurde, weshalb inzwischen immer mehr Christen ihre Heimat im Nahen Osten verlassen haben. Da unter den rund zwei Millionen Christen dort mindestens die Hälfte mit dem orthodoxen Patriarchat von Antiochien verbunden ist, stellt es auch die größte Kirche in Syrien dar.
Hinzu kommen aber unterdessen zahlreiche Gemeinden im Ausland, vor allem in Australien und in den USA, aber inzwischen weltweit, so auch in einer Erzdiözese von Deutschland und Mitteleuropa, der 26 Gemeinden in Deutschland, 2 in den Niederlanden und 2 in Österreich seit 2013 Metropolit Isaak Barakat mit Sitz in Köln vorsteht. Das Patriarchat gilt als eine progressive Kraft unter den orthodoxen Kirchen.
Anders als in den meisten anderen orthodoxen Kirchen pflegen die Auslandsgemeinden ihre Liturgie häufig in der Sprache des jeweiligen Gastlandes zu feiern und nehmen auch häufiger und problemloser Konvertiten auf, ohne diesen zusammen mit dem Bekenntnis zum orthodoxen Christentum auch eine "kulturelle Konversion" abzuverlangen. Die Kirche betreibt auch eine im orthodoxen Bereich bemerkenswerte aktive Jugendarbeit, die sich mitunter auf die Ideen der Pfadfinderbewegung stützt.
Angesichts der weltweiten Präsenz und Bedeutung der Rūm-orthodoxen Kirche kommt der diesjährigen antiochenischen Bischofssynode, die jetzt unter dem Vorsitz von Patriarch Johannes X. (Yazigi) vom 16. bis 18. Oktober 2023 im Theologischen Institut des Heiligen Johannes von Damaskus in Balamand im Libanon ihre vierzehnte ordentliche und siebzehnte außerordentliche Sitzung gehalten hat, eine besondere Bedeutung für die Zukunft des Christentums im derzeit so erschütterten Nahen Osten zu.
Weltumspannende Kirche
Dies unterstreicht auch die Tatsache, dass außer sämtlichen Diözesanbischöfen der Region auch die aus der Diaspora fast vollständig präsent waren, dass nämlich die Oberhirten der Erzdiözesen von São Paulo und Brasilien, von New York und Nordamerika, von Frankreich, West- und Südeuropa, von der britischen Insel und Irland, von Australien, Neuseeland und den Philippinen, von Mexiko, Venezuela, Mittelamerika und den Karibischen Inseln sowie von Buenos Aires und Argentinien angereist waren wie auch Metropolit Nifon (Saikali) von Philippopolis, der Vertreter des Patriarchen von Antiochien beim Patriarchen von Moskau. Lediglich zwei Auslandsbischöfe waren abwesend: Sergios von Santiago und Chile und Isaak von Deutschland und Mitteleuropa. Die Auflistung der Synodenteilnehmer zeigt noch einmal, wie das Patriarchat von Antiochien heute keineswegs nur eine örtliche orientalische, sondern eine weltumspannende Kirche geworden ist.
Die Synode begann mit einer vom Patriarchat organisierten Internationalen Konferenz mit dem Titel "Die Orthodoxe Kirche von Antiochien vom 15. bis zum 18 Jahrhundert: Auf dem Weg zu einem angemessenen Verständnis der Geschichte". Die eigentliche erste Sitzung fand dann am 19. Oktober 2023 statt und begann einem Gedenken an die Bischöfe von Aleppo, Boulos Yazigi und Youhana Ibrahim, die seit April 2013 entführt worden und seither verschollen sind.
Die Synodalem prangerten dabei auch das vollständige internationale Schweigen in dieser Angelegenheit seit über einem Jahrzehnt an, das ein Bild für das andauernde Leiden der bedrängten Menschen im Orient sei. Nach der Präsentation von Berichten aus verschiedenen Erzdiözesen reflektierten die Synodenväter die blutigen Landschaften in der Region, in der eine Atmosphäre des mörderischen Hasses herrsche, doch "trotz der Katastrophen, die uns überwältigen, und trotz aller Frustration und Verzweiflung muss man sich daran erinnern, dass Gott diese Erde den Menschen anvertraut hat, damit sie sie in eine Oase des Friedens und nicht in einen Ort der Hölle verwandeln", forderte die Synode.
Sodann verkündete sie die Kanonisierung zweier antiochenischer Hieromärtyrer aus einer Familie: Vater Nicolas Khasha, der 1917 in Mersin gemartert wurde, und sein leiblicher Sohn, Vater Habib Khasha, der 1948 in Jabal al-Sheikh getötet wurde. Beide "wählten das Martyrium wegen ihrer Liebe zu Gott und ihrer Aufopferung für den Nächsten, indem sie den guten Kampf kämpften und den orthodoxen Glauben bewahrten", erklärte die Synode.
Auf Bitten der Antiochenischen Erzdiözese von Nordamerika fügten die Synodenväter dem Heiligenkalender auch das Gedenken an den heiligen Raphael (Hawaweeny), Bischof von Brooklyn, hinzu. Darüber hinaus erklärten die Synodenväter den zweiten Sonntag nach dem Pfingstfest (d.h. den Sonntag nach dem Sonntag Allerheiligen) zur "Synaxis Aller Heiligen von Antiochia".
Die Synodalbischöfe berieten sodann über die Neubesetzung einiger Bischofsstühle und befassten sich erneut mit dem Thema "Familie", das bereits auf einigen früheren Tagungen der Synode diskutiert worden war. Sie betonten erneut die Notwendigkeit, die Familie zu schützen, und riefen alle Gläubigen auf, sich an den Glauben, die ethischen Grundsätze und die sozialen Werte zu halten, denn "dieses Festhalten schützt die Familie vor allen Machenschaften und Abweichungen dieser Zeit und vor allem, was in den Lehrplänen der Schulen und anderswo im Namen von Freiheit und Toleranz verbreitet wird".
Stellungnahmen zu Krisensituationen
Die Synodalen erörterten weiter die allgemeine Situation, die die Antiochenische Kirche im In- und Ausland erfährt, vor allem, was im besetzten Palästina geschehen ist und heute geschieht und was das palästinensische Volk bedrängt: "Die Position der Kirche von Antiochien, die von ihren Patriarchen und ihrer Synode seit langem und bis heute zum Ausdruck gebracht wurde, ist klar, deutlich und bekannt. Sie bekräftigt die Bedeutung Jerusalems im Gewissen eines jeden Christen und Moslems sowie das Recht des palästinensischen Volkes auf Rückkehr und die Errichtung eines unabhängigen Staates. Die Kirche von Antiochien verurteilt die Belagerung, die heute über das palästinensische Volk und insbesondere über den Gazastreifen verhängt wird, und prangert den Völkermord, der dort vor den Augen der Welt begangen wird, entschieden an".
Die Gewalt, die sich dort abspiele, sei das Ergebnis eines Verstoßes gegen internationale Gesetze und Resolutionen: "Sie ist eine Fortsetzung der Verfälschung der Identität des Landes und der Geschichte und ein Versuch, die herausragende palästinensische Sache auszulöschen", folgert die Synode und geht einen praktischen Schritt der Versöhnung: "Da die gegenwärtigen Umstände eine Intensivierung des Gebets und der Zusammenarbeit erfordern, beschloss die Heilige Synode, die kirchliche Gemeinschaft mit dem Patriarchat von Jerusalem wiederherzustellen und einen Ausschuss im Patriarchat zu beauftragen, mit den Brüdern im Patriarchat von Jerusalem zu kommunizieren, um eine Lösung für die Frage des kirchlichen Streits über die Jurisdiktion von "Katar" in einer Weise zu finden, die das Recht der kirchlichen Jurisdiktion des Stuhles von Antiochien über dieses Gebiet bewahrt".
Die Synodenväter beteten auch für Stabilität in Syrien, die Einheit des syrischen Territoriums und für ein Syrien mit all seinen religiösen Konfessionen, "die die Rechnung des Terrorismus mit dem Leben ihrer Kinder bezahlen", und forderten die unmittelbare Aufhebung der westlichen Wirtschaftsblockade, denn diese zwinge immer mehr Syrer zur Auswanderung und löse eine Welle der Vertreibung aus, die die Nachbarländer und insbesondere den Libanon betrifft: "Der syrische Mensch hat das Recht, in Menschenwürde zu leben. Dieses Recht macht ihn fest in dem Land verankert, in dem er geboren wurde, ... Unser Volk in Syrien hat das Recht, in Frieden zu leben und dass sein Land nicht zum Schauplatz von Konflikten anderer Völker und internationaler Abrechnungen gemacht wird". Im Blick auf den Libanon rief die Synode "angesichts der schwierigen Umstände und der beispiellosen Wirtschaftskrise, die die Region heimsucht, alle Verantwortlichen, insbesondere die Mitglieder des Parlaments, dazu auf, einen Präsidenten der Republik zu wählen, der das gute Funktionieren aller verfassungsmäßigen Institutionen gewährleistet". Ebenso forderte sie für den Irak und für alle Völker in der Region, "dem Geist des Dialogs den Vorrang vor der Sprache der militärischen Konfrontation zu geben", und bekräftigten ihren Aufruf zur Beendigung von Kriegen und Konflikten in der ganzen Welt, insbesondere in der Ukraine.
In Bezug auf die dortige kirchliche Auseinandersetzung blieb die Antiochenische Kirche bei ihrer Positionierung und Solidarität mit Metropolit Onufrij, dem Primas der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, "einer bekennenden Kirche, deren Kinder von den örtlichen Behörden wegen ihres Glaubens verfolgt werden", wie es im Synodenprotokoll heißt. "Die Väter blickten auf die Geschehnisse in der orthodoxen Welt im Allgemeinen und riefen alle Kirchen dazu auf, zusammenzukommen und sich zu versöhnen, wobei sie betonten, dass die Orthodoxie über die Nationalitäten hinausgeht, um die Herrlichkeit Gottes in seiner Schöpfung zu verkünden".
Von Nikolaj Thon
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