Ukrainischer Bischof wehrt sich gegen Wegnahme seiner EparchieKyrill kassiert weitere Diözese

Der russisch.orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat die ukrainisch-orthodoxe Eparchie Berdjansk an sich gerissen. Damit handelt er auch gegen das Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), Metropolit Onufri.

Basilius-Kathedrale in Moskau
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Zuerst nahm die russische Armee im März 2022 die Stadt Berdjansk in der Ukraine ein. Nun reißt der Moskauer Patriarch Kyrill I. die dortige ukrainisch-orthodoxe Eparchie an sich und handelt damit auch gegen das Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), Metropolit Onufri. Der Heilige Synod der russisch-orthodoxen Kirche (ROK) beschloss am 16. Mai für die Eparchie Berdjansk die "direkte kanonische und verwaltungsmäßige Unterordnung" unter Kyrill und will diesen Schritt später von einer Bischofsversammlung genehmigen lassen. Als neuen Bischof der besetzten Stadt mit einst mehr als 100.000 Einwohnern setzte der Synod den bisherigen Vorsteher der sibirischen Eparchie Iskitim, Luka Volčkov (52), ein.

Unter Vorsitz von Kyrill I. begründete das Leitungsgremium seine Entscheidung im Protokoll damit, dass der amtierende Metropolit Efrem seine Diözese verlassen habe und eine "ungehinderte Regelung der Situation der Diözese Berdjansk durch den Synod der Ukrainischen Orthodoxen Kirche" nicht möglich sei. Als Anlass und Hauptargument wird indes genannt, dass sich am 1. Mai bei einer Versammlung des Klerus der Eparchie 76 der 86 Geistlichen dafür gewesen seien, den Moskauer Patriarchen zu bitten, die Diözese unter seine Jurisdiktion zu stellen. Fünf Geistliche hätten gefehlt und fünf seien dagegen gewesen. Am 11. Mai meldete dann die staatliche russische Nachrichtenagentur "Tass", die Priester hätten sich an Kyrill I. gewandt und wollten "in den Schoß der ROK zurückkehren". Ihr Bischof "verließ seine Herde und floh in die von Kiew kontrollierten Gebiete", hieß es weiter. Russland hatte die ukrainische Region Saporischschja, zu der das am Asowschen Meer liegende Berdjansk gehört, im Herbst 2022 annektiert.

Die UOK stellt die Lage der Eparchie ganz anders da, vermeidet aber bisher offene Kritik am Beschluss des Moskauer Patriarchats. Metropolit Efrem habe vom Kiewer Kirchenoberhaupt Onufri den Segen erhalten für eine "medizinische Behandlung im Ausland aufgrund seines Gesundheitszustands". Seine Diözese verwalte er nach eigenen Angaben telefonisch weiter. "Die vollständige Beurteilung der entstandenen Situation ist möglich, nachdem Metropolit Efrem nach seiner Genesung seine ausführliche Erklärungen abgegeben hat", schreibt die UOK auf ihrer Website. Der Klerus der Diözese Berdjansk habe seinem Bischof mehr als einmal seine volle Unterstützung und sein Vertrauen ausgesprochen. "Aus diesem Grund stehen die gegenteiligen Aussagen einiger Priester in scharfem Widerspruch zu den vorherigen und wecken Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit und dem Fehlen von Zwang bei ihrer Äußerung", spricht die ukrainische Kirche vorsichtig die Annahme aus, die Geistlichen könnten von dem russischen Besatzern unter Druck gesetzt worden sein.

Die Ostkichen-Expertin Regina Elsner sagte der KNA: "Das Verhalten der Russischen Orthodoxen Kirche ist nicht überraschend und nicht neu, aber es ist natürlich dennoch immer wieder bemerkenswert, wie sie sich der militärischen Logik Russlands anschließt und die Besetzung auch kirchlich durchsetzt." Der Synod nehme dabei Bezug auf 1920 und Patriarch Tichon. "Man stellt sich in eine Reihe mit der großen bolschewistischen Verfolgung und dem Bürgerkrieg, das ist wirklich zynisch", so die Lehrstuhlinhaberin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Dass sich die ukrainische Kirchenleitung hinter Efrem stelle, sei eine "wichtige Rückendeckung" und "in diesem Kontext äußerst selten".

Nun kommt es zum offenen Konflikt zwischen der UOK und der ROK. Efrem schloss am 19. Mai vier Geistliche seiner Diözese, die die Bitte um Aufnahme in die ROK persönlich in Moskau übergeben haben sollen, vom Dienst in der Kirche aus. Die vier Dekrete wurden auf der Website der Eparchie Berdjansk veröffentlicht. Das Moskauer Patriarchat erklärte sie wenig später für ungültig. Die UOK erklärte in Kiew, die Priester der Eparchie Berdjansk, die "in den Medien provokante Äußerungen gemacht haben, die nicht mit der offiziellen Position der Ukrainischen Orthodoxen Kirche übereinstimmen und Zwietracht und Versuchung in den Herzen der Gläubigen säen, wird gemäß den Kanones der orthodoxen Kirche von ihrem leitenden Bischof, Metropolit Efrem von Berdjansk und Prymorsk, der Dienst in der Kirche verboten". Die Kirche habe immer "ihre entschiedene Unterstützung für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine bekräftigt und ihre Verurteilung der russischen Aggression zum Ausdruck gebracht, die eine offene Verletzung des göttlichen Gebots 'Du sollst nicht töten!' darstellt".

Wo genau sich Efrem aktuell aufhält, ist unklar. Der 44-jährige Metropolit leitete seit 2012 die Eparchie Berdjansk. Elsner geht davon aus, dass er "länger unter Druck war sein Bistum Moskau zu unterstellen - dem hat er nicht zugestimmt und ist ausgereist". Das heiße auch, dass die UOK eben nicht einfach von Moskau kontrolliert sei. Gegen die Übernahme unter anderem ihrer Diözese Donezk durch die ROK hatte die UOK 2022 nicht protestiert.

Von Oliver Hinz
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