VatikanVielleicht letzter Tanz im vatikanischen Finanzprozess

Der Prozess um den Finanzskandal im Vatikan schwingt sich auf zu seinem letzten Tanz. Die Anhörungen der Zeugen sind vorbei, nun beginnen die Schlussplädoyers, bei denen der Vatikan-Staatsanwalt insgesamt 73 Jahre und einen Monat Haft für die zehn Angeklagten fordert. Etwas voreilig war der Vorsitzende Richter Giuseppe Pignatone wohl betreffend des Prozess-Endes. Aus Oktober ist mittlerweile Dezember geworden.

Innenansicht Kuppel des Petersdoms
© Pixabay

Bis dahin wird es knapp 80 Termine rund um eine verlustreiche Investition in eine Londoner Immobilie und mögliche damit verbundene Straftaten gegeben haben. Zehn Personen sind in diesem Zusammenhang angeklagt. Darunter auch Kardinal Angelo Becciu, früherer Substitut und somit eine Art Stabschef im vatikanischen Staatssekretariat. In dem Verfahren geht es um Unterschlagung, Korruption, Erpressung, Geldwäsche, Betrug, Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung.

Zunächst ist nach einem Monat Prozesspause Vatikan-Staatsanwalt Alessandro Diddi mit seinem Schlussplädoyer an der Reihe. Sechs Julitage benötigt der Hauptstrafverfolger, um den Fall zu rekonstruieren und die Anträge auf Verurteilung zu verlesen.

Diddi klingt fast ein bisschen wehmütig, als er zu Beginn und nach bislang zwei Prozessjahren dem Gericht für die "nicht einfache Arbeit" dankt, die eine Konfrontation "mit der Widerstandsfähigkeit des Justizsystems" ermöglicht habe. Weiter dankt er den Verteidigern, "trotz einiger spannungsgeladener Momente".

Dann betont er - und das hauseigene Portal "Vatican News" unterstreicht es: Dies sei kein Prozess gegen das vatikanische Staatssekretariat; in der weltkirchlichen Leitungszentrale hatten sich die Fälle abgespielt. Vielmehr gehe es gegen einzelne Angestellte, "die nicht wussten, wie sie den Geist und die Ideale der Kirche, an die sie sich bei der Ausübung ihres Berufs halten sollten, interpretieren sollten".

Dadurch sei dem Staatssekretariat und damit dem Heiligen Stuhl ein Schaden von 139 bis 189 Millionen Euro entstanden. Das Gebäude in der Londoner Sloane Avenue konnte der Vatikan im vergangenen Jahr zwar wieder verkaufen, allerdings deutlich unter dem Preis, den er einst selbst dafür bezahlt hatte. Der Wert der Immobilie soll laut Staatsanwalt Diddi zu dem Zeitpunkt in die Höhe getrieben worden sein, als das Staatssekretariat in den umstrittenen Deal einstieg.

Grundsätzlich zeigt sich Diddi zufrieden mit dem Fortgang des Prozesses. Der Anklagerahmen habe seiner Meinung nach gehalten, ebenso die Fakten. "Es wäre sonst eine große Niederlage für uns gewesen, wenn die Fakten in irgendeiner Weise nicht korrekt rekonstruiert worden wären", so Diddi. Ermittlungen von sieben Jahren gingen dem Prozess voraus.

Dem wohl prominentesten Angeklagten, Kardinal Becciu, widmet der "Förderer der Gerechtigkeit" – wie der Vatikan-Staatsanwalt offiziell genannt wird – fast den gesamten zweiten Tag seines Schlussplädoyers. Von Ölgeschäften mit einem alten Bekannten in Angola bis hin zu der Londoner Immobilie, weist er das von Becciu gezeichnete Bild eines Substituten, der sich mit kurialen und seelsorgerischen Tätigkeiten befasst und wenig mit Verwaltung zu tun hat, erneut zurück.

Unter seiner Leitung hätten die fraglichen Finanzoperationen stattgefunden, auch die zu dem Gebäude in London. Der Kardinal sei in die Vorgänge involviert und ständig über die Geschehnisse informiert gewesen. Mehr noch, Becciu habe Regie geführt. Am Ende fordert Diddi für den Kardinal sieben Jahre und drei Monate Haft sowie eine Geldstrafe von 10.239 Euro.

Zudem geht der Vatikan-Staatsanwalt kritisch auf Beccius Haltung zu Beginn der Ermittlungen ein. Der Kardinal, der während des Prozesses alle Verantwortung von sich schob, habe - anstatt die Konfrontation und Klärung mit der Justizbehörde zu suchen - von Beginn an mit ihm gewogenen Journalisten gesprochen. Er habe sie und Freunde genutzt, um Pressekampagnen zu starten, die darauf abzielten, die laufenden Ermittlungen zu verharmlosen. "Von Anfang an wollte Becciu die Richter bloßstellen, schon als noch gar nicht gegen ihn ermittelt wurde", behauptet Diddi.

Obwohl seine Verteidiger noch gehört werden – ab Oktober –, besteht Becciu auch dieses Mal auf eine "spontane Erklärung". Davon hatte der 75-Jährige während des Prozesses schon häufiger Gebrauch gemacht. Und wie schon bei den früheren, weist er die Anschuldigungen als unbegründet zurück. Er habe sein Leben für den Heiligen Stuhl gegeben und stets versucht, diesen zu verteidigen.

Die Richter rund um den Vorsitzenden Giuseppe Pignatone werden Ende des Jahres entscheiden müssen, wem sie Glauben schenken. Wenn sich der Prozess nicht weiter verzögert sollte.

Klar ist schon jetzt: Der Skandal hat den Vatikan eine Menge Geld gekostet. Hinzu kommt ein beträchtlicher Imageschaden – auch für Becciu. Ihn haben die Ermittlungen bereits seine mit der Kardinalswürde verbundenen Rechte – etwa als Papstwähler – gekostet. Ob er sie je zurückbekommt, hängt maßgeblich vom Papst und dem Ausgang des Prozesses ab – wenn er denn einmal wirklich abgeschlossen ist.

Von Severina Bartonitschek
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