Am Sonntag fand die letzte große Pilgermesse bei der Aachener Heiligtumsfahrt statt – entgegen der ursprünglichen Planungen ohne Rainer Maria Kardinal Woelki. Ortsbischof Helmut Dieser hatte Woelki gebeten, nicht zu kommen, da er befürchtete, dass es beim Gottesdienst zu krawallartigen Szenen komme. Zuvor hatten verschiedene Gruppen Proteste wegen Woelkis Umgang mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt während des mit ihm geplanten Hochamts angekündigt. Bischof Dieser sagte, er wolle eine Situation vermeiden, die „eine geistlich verbindende Atmosphäre“ verhindere. Er habe die Entscheidung gemeinsam mit dem Kölner Erzbischof getroffen.
Die daraufhin veröffentlichte Erklärung des Kölner Erzbischofs zeigt dagegen Widersprüche in seinem Selbstverständnis auf.
Woelki zeigt sich tief betroffen. Er führt durchaus mit Recht aus: „Ich bin davon überzeugt, dass es unter Christen möglich sein muss, unterschiedliche Auffassungen zu haben und deutlich zu vertreten – und dennoch gemeinsam die heilige Eucharistie zu feiern.“ Allerdings geht es den meisten Protestlern nicht um einzelne Auffassungen, sondern vor allem um die Glaubwürdigkeit eines Erzbischofs, der unter Eid sagt, von ihm unterschriebene Briefe inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen zu haben.
Der Kardinal warnt auch vor einer Instrumentalisierung von Gottesdiensten für Protestaktionen: „Ich wäre als Pilger nach Aachen gekommen so wie viele Tausende auch.“ Wäre dies so, hätte er hier einen Punkt: Ausgeladen vom Tisch des Glaubens, das wäre ein trauriges Signal in einer Kirche, deren oberstes Gebot umfassende Liebe ist. Doch kann der Kardinal kaum behaupten, ein einfacher Pilger wie jeder andere zu sein. Dem Erzbischof von Köln steht als Metropolit die hohe Ehre zu, eben der letzten große Pilgermesse bei der Heiligtumsfahrt vorzustehen. Und vor allem als Zelebrant hebt sich der Erzbischof – gerade in seiner eigenen Sicht als Priester – von allen mitfeiernden Laien entscheidend ab. Denn hätte er sich sonst nicht auch demütig einreihen können in die Schar der Pilger?