Die Zahlen sind katastrophal. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat 2022 fast drei Prozent ihrer Mitgliedschaft verloren. Insgesamt gehören nur noch 19,1 Millionen Menschen einer der 20 evangelischen Landeskirchen an. Noch katastrophaler aber ist die Art und Weise, in der die Kirche mit diesen Zahlen umgeht.
„Neben der Schaffung passgenauer Angebote für alle Generationen und Lebensphasen, muss es uns gelingen, auch den Wert deutlich zu machen, den die formelle Mitgliedschaft für unsere Gemeinschaft auf so vielen Ebenen, in der Stadt und auf dem Land und für die Gesellschaft insgesamt hat“, sagte die EKD-Ratsvorsitzende, Präses Anette Kurschus, am Dienstag. Solche Formulierungen verwenden die jeweiligen EKD-Ratsvorsitzenden schon seit vielen Jahren, und zwar immer dann, wenn sie ihre Mitgliederzahlen veröffentlichen. Übers Jahr aber scheint es, als sei es für viele Protestanten ebenso wie für viele Katholiken geradezu gottgegeben, dass die Kirchen weiter Mitglieder verlieren. Evangelische Synoden beraten über den Klimawandel und über die Friedensethik – beides wichtige Themen, aber um neue Mitglieder geht es dabei nicht. Und auch der Synodale Weg der Katholiken beschäftigt sich mit vielen Dingen – Evangelisierung aber spielt dabei ausdrücklich keine Rolle.
Dabei hatte schon die vor einigen Jahren erschienene „Freiburger Studie“ deutlich gemacht, dass die Kirchen tatsächlich eine Stellschraube gegen den Mitgliederverlust haben: Durch Taufen und Wiedereintritte könne er nämlich durchaus gebremst werden. Deswegen ist es richtig, dass die EKD für den 24. Juni zu einem Tauftag aufruft. Nur: Wo ist die begleitende Kampagne dazu? Wieso taucht das in der Pressemitteilung zu den Mitgliederzahlen nur unter ferner liefen auf? Fast hat man den Eindruck, das Kirchenamt in Hannover hat sich im ungebremsten Sturzflug eingerichtet. Das ist exakt die falsche Mentalität. Wollen die Kirchen in Deutschland eine Zukunft haben, müssen sie erkennen, dass Mitgliederwerbung die absolut oberste Priorität für alles kirchliche Handeln haben muss. Sonst nämlich muss man sich in einigen Jahren über viele Themen schlicht keine Gedanken mehr machen.