Franziskus beruft neue KardinälePurpurnes Jerusalem

Die Ernennung des Pierbattista Pizzaballas, des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, zum Kardinal ist eine kluge und weitsichtige Wahl.

Wenzel Widenka
© Florian Nütten

Unter den vor wenigen Tagen verkündeten Namen der neuen Kardinäle, die Papst Franziskus ernennen will, sticht der Name Pierbattista Pizzaballa heraus. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem ist nicht nur eine interessante und kluge Wahl, sondern auch ein profunder Kenner des Nahost-Konflikts. Damit beantwortet Franziskus auch die Frage, wie sich die Kirche mit „weltlichen“, sprich politischen Problemfeldern auseinandersetzen will.

Der 1965 geborene Italiener ist seit 2016 Haupt der katholischen Christen im Patriarchat Jerusalem. Damit ist der vormalige Kustos des Franziskanerordens im Heiligen Land verantwortlich für eine sehr vielfältige Schar an Gläubigen. Völlig unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung liegen beispielsweise die Gemeinden der hebräischsprachigen Katholiken, eine kleine Minderheit, die in einem Land, in dem Sprache zugleich Politik ist, zwischen allen Stühlen steht. Denn der Großteil der katholischen Christen im Heiligen Land ist arabischen Ursprungs. Konfessionszugehörigkeit wird damit oft auch als ethnische wie politische Aussage interpretiert. Wo aber Glaubensgeschwister einordnen, die in der Sprache des „Anderen“ beten? Dass Pizzaballa um diese Schattierungen, Nuancen und Problemstellungen weiß, macht ihn zu einem unverzichtbaren Berater in Fragen eines der kompliziertesten Konflikte der Gegenwart.

Ich war selbst vor zehn Jahren für einige Zeit Mitglied der hebräischsprachigen katholischen Gemeinde in Jerusalem. Pierbattista Pizzaballa lernte ich in diesem Zusammenhang als Kustos des Franziskanerordens kennen. Ich erlebte einen nachdenklichen, besonnen Mann, der nie in die für die Region so typische Resignation oder Bitterkeit verfiel. Pizzaballa kann sich sowohl auf Arabisch als auch auf Hebräisch orientieren. Als Berater in der päpstlichen Kommission für die Beziehungen zum Judentum hat er bereits bewiesen, dass er in der Lage ist, den Nahost-Konflikt differenziert und ohne eine Einseitigkeit zu betrachten, die zu vielen kirchlichen Akteuren im Nahost-Konflikt leider zu eigen ist. In einem Land, in dem viele sich als Nahost-Experten bezeichnen, ist Pizzaballas Stimme von wohltuender Nüchternheit. Mit seiner Ernennung zum Kardinal setzt Franziskus ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Kirche sich den Konfliktfeldern der Welt nicht verschließt, sondern aktiv und durchaus auch meinungsstark am Weltgeschehen teilnimmt. Auch abseits der tagesaktuellen Akutkonflikte.

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