Der Mauerfall in Berlin – das ist seit 1989 zu einem besonderen Topos geworden: nämlich nicht an der Ewigkeit bestehender Verhältnisse verzweifeln, sondern auf die Möglichkeit von Veränderung vertrauen. Wie sich das theologisch buchstabieren lässt? Vielleicht so: Der „Glaubensort Berlin“ lädt mit dem Theologen Alex Stock dazu ein, „Fundorte, Plätze des Redens von Gott, an denen man noch keine Argumente findet, aber elementare Einblicke, Einsichten, Gesichtspunkte“ neu zu entdecken.
Hoffnung tut not! Entkirchlichung und Säkularisierung schreiten voran. Weil sich „östliche“ Konfessionslosigkeit und „westliche“ Christentums-Kritik gegenseitig überlagern und verstärken, kommt es bei vielen, die in ihren Gemeinden bleiben, zu Gefühlen der Ohnmacht. Gegen ihre eigene Schreckstarre – und das ist erinnerungswürdig – haben in der „Weltstadt Berlin“ zwei so heterogene Persönlichkeiten wie Carl Sonnenschein und Romano Guardini gekämpft: Guardini, der sich auch an die „draußen vor der Kirchentür“ wendet und Sonnenschein, der als Großstadtseelsorger auf alle zugeht, vor allem auf die Hilflosen und Hasserfüllten am Rand der Gesellschaft.
Guardini begibt sich auf Augenhöhe mit der Moderne. Er sucht den Blickkontakt zu Kunst und Literatur, zu prägenden geistigen Gestalten wie Friedrich Nietzsche und macht dies zum Gegenstand einer expliziten Theologie. Sonnenschein dagegen, der Leib- und Seelsorger, bedient sich des Idioms der Weltstadt. Im Gegensatz zu Guardinis diskursiv entfalteter Gottes-Rede lässt sich bei ihm von impliziter Theologie sprechen, beglaubigt durch solidarische Zuwendung.
Sonnenschein und Guardini treten auf je eigene Weise für ein Prinzip ein, das in der postchristlichen Gesellschaft der Gegenwart ständig an Gewicht gewinnt: dass Menschen mit differierenden Credos, Konfessionen und Weltanschauungen lernen, tolerant, aber nicht beziehungslos miteinander zu leben – gut, dass wir die beiden „Typen“ haben!