Wer durch die Alpen wandert, freut sich auf das Ziel. Dort gibt es ein Vesper, ein Getränk, ein Gipfelkreuz. Es markiert, für jeden sichtbar, dass die Spitze des Berges erklommen ist. Unzählige Bilder wurden an diesen Punkten schon gemacht. Die beiden Balken wurden vom Menschen gesetzt und wirken als Glücksmarkierung. Sie stehen für ein magisches Momentum – für das „Ich habe es geschafft“.
Schon deshalb wirkt es merkwürdig, dass Aktivisten und italienische Alpinisten sich gegen weitere Kreuze in der Höhe aussprechen. Sie erwägen, die vorhandenen Wegzeichen abzubauen, schließlich sei der Erhalt der Symbole doch mühsam und werfe Fragen der Haftung auf. Hinter diesen buchstäblich windigen Argumenten steckt etwas anderes: Die Berge sollten religiös neutral daherkommen, und ein Kruzifix sei nun einmal christlich. Nur: Es gibt bisher keine Wortmeldung von muslimischen, jüdischen oder buddhistischen Vertretern, die sich über das Bergkreuz beschweren. Es sind vielmehr Funktionäre mit christlichem Hintergrund, die sich an dem Symbol stören. Das ist es, was zu denken gibt. Zum Beispiel ein Reinhold Messner, der von der “Manie, auf jeden Hügel oder Berg ein Kreuz aufzustellen“, spricht.
Die Kreuzstürmer springen freilich zu kurz. Die Frage ist immer: Was tritt an die Stelle des Kreuzes, wenn dieses von alpinen Ideologen gefällt würde? Was würden sie an die entstandene Leerstelle setzen? Einen Handymasten, einen Funkturm? Einen schicken Skywalk gegen saftigen Eintritt? Oder gar nichts – als Eingeständnis dessen, dass unsere Zeit wenig zu sagen und nichts zu senden hat? Messner, der Bergsteiger mit mancher Verstiegenheit, dekoriert seine Burgen in Südtirol mit tibetischen Fähnchen und Statuen des Buddha. Das ist nett zum Hausgebrauch, taugt aber nicht als Zeichen für alpine Gipfel. Die europäischen Alpen sind nicht der Himalaya und Europa nicht Asien. Prägungen dürfen erkennbar bleiben – und dafür steht das Kreuz.